"Das ist eine reine Spaßveranstaltung"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Christoph Langen bei seinem letzten Wettkampf 2004 bei der Bob-WM in Königssee
© Getty

Christoph Langen ist einer der erfolgreichsten deutschen Bobfahrer aller Zeiten. 2005 musste er seine Karriere nach 20 Jahren wegen einer Herz-Erkrankung beenden. Dennoch fiebert er bei den Olympischen Spielen in Vancouver mit. Bei SPOX spricht der 47-Jährige über den Unterschied zwischen der Formel 1 und Lastwagen, Stefan Raabs Wok-WM - und darüber, dass bei Olympia dabei zu sein eben doch nicht alles ist.

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SPOX: Herr Langen, Sie kamen als Zehnkämpfer zum Bobsport. Was hat Sie gereizt?

Christoph Langen: Ich war insgesamt immer sportbegeistert. Aber ehrlich gesagt wusste ich noch gar nicht, was Bobfahren genau ist.

SPOX: Warum haben Sie es dann trotzdem ausprobiert?

Langen: Ein paar Leute haben mich gefragt, ob ich nicht mal mitmachen wolle. Die haben einen Anschieber gesucht. Ich hab mir das mal angeschaut und war gleich angetan von der Chance, Leistungssport zu betreiben. Daraus ist dann eine zwanzig Jahre andauernde Karriere geworden.

SPOX: Haben Sie damals feststellen können, dass Sie als Leichtathlet ideale Voraussetzungen mitbringen?

Langen: Natürlich. Meine Grundausbildung war sehr gut. Neben der Leichtathletik bin ich gesegelt, habe Geräteturnen gemacht. Meine Eltern haben immer darauf geachtet, dass ich viele verschiedene Sachen mache. Die Leichtathletik allein hätte wohl nicht gereicht.

SPOX: Sie sagten schon, dass Sie als Anschieber angefangen haben. Ab 1992 waren Sie dann Pilot. Warum war der Job für Sie reizvoller?

Langen: Ich bin ein Typ, der alles ausprobieren will. Ich war ja ein paar Jahre Anschieber. Da bin ich Weltmeister geworden, also habe ich mir gedacht: Jetzt schaue ich, was ich als Pilot erreichen kann.

SPOX: Sie haben im Zweier und im Vierer Erfolge gefeiert. Wo liegen die Unterschiede?

Langen: Der Zweier ist die Formel 1. Das Gerät ist sehr agil, sehr feinfühlig zu fahren. Man hat viel mehr Chancen, Zeit gut zu machen. Der Vierer ist eher der LKW. Ich habe nicht so viele Möglichkeiten, andere Linien zu fahren. Aber dafür muss alles auf den Punkt stimmen. Da gibt es keinen Spielraum, da muss man noch präziser fahren.

SPOX: Haben Sie einen der beiden bevorzugt?

Langen: Ein Weltklassepilot muss beide gut beherrschen. Mir waren beide Größen gleich lieb, aber eins ist klar: Das Siegen macht im Vierer mehr Spaß, weil da die ganze Mannschaft dabei ist und man zusammen gewinnt.

SPOX: Ihre großen Erfolge wurden unter anderem Ihrer akribischen Arbeit zugeschrieben. Hat die Ausbildung zum KfZ-Mechaniker da weitergeholfen?

Langen: Ja sicher. Ich hatte da ganz automatisch natürlich ein gutes Verständnis für die Technik und für die Zusammenhänge. Die grundlegenden Sachen - Schweißen, Elektronik usw. - konnte ich alle selbst machen.

SPOX: Kann man die Konstruktion von Bobs oder Rodelschlitten in irgendeiner Weise vergleichen?

Langen: Das ist etwas völlig anderes. So ein Rodelschlitten ist schon allein vom Aufwand ganz anders: Den kann man sich einfach auf den Tisch legen und daran herumbasteln. Für einen Bob braucht man gleich eine ganze Werkstatt. Der Viererbob ist vier Meter lang, die Kufen müssen reingefräst werden. Dann kommt die Aerodynamik dazu. Das kann man nicht vergleichen.

SPOX: Bedeutet das gleichzeitig, dass es für Sie auch zwei völlig verschiedene Sportarten sind?

Langen: Bob, Rodeln und Skeleton sind allesamt komplett verschieden. Die einzige echte Gemeinsamkeit ist, dass wir die gleichen Bahnen benutzen.

SPOX: Kommen wir zu den Olympischen Spielen. Andre Lange ist aus deutscher Sicht der große Name beim Bobfahren. Was ist das Geheimnis seines Erfolges?

Langen: Als ich noch aktiv war, wusste er natürlich, dass er mich schlagen musste, um ganz vorne zu landen. Um das zu erreichen, musste er natürlich besonders akribisch arbeiten. Er hat seine Fähigkeiten immer weiter ausgebildet und mich dann ja auch geschlagen. Jetzt, wo ich nicht mehr dabei bin, ist er natürlich DER Mann, bei dem alle Faktoren zusammenkommen, um schnell Bob zu fahren: Athletik, Material, fahrerisches Können und vor allem Nervenstärke.

SPOX: Wobei man sagen muss, dass Lange im Zweier-Weltcup hinter Thomas Florschütz und Karl Angerer nur drittbester Deutscher ist...

Langen: Aber nur, weil er ein Rennen oder zwei ausgelassen hat. Er ist und bleibt der Mann, den es zu schlagen gilt.

SPOX: Woher kommt es eigentlich, dass Deutschland im Schlittensport so dominant ist: Wegen der großen Tradition, wegen der Vorteile bei Trainingsmethoden und Technik, oder liegt es einfach an den Namen Langen und Lange?

Langen: Wir sind in Bezug auf die Ausbildung sehr weit vorne. Wir haben vier Bahnen, so viele hat kein anderes Land, und wir haben eine staatliche Förderung, die bei der Materialentwicklung hilft. Dazu kommen Sportförderung und Deutsche Sporthilfe, wovon gerade der Wintersport sehr stark profitiert. Deshalb glaube ich, dass wir auch in Vancouver wieder um den Titel der Wintersportnation Nummer eins kämpfen.

SPOX: Sie haben an einigen Winterspielen teilgenommen. Welche waren aus Ihrer Sicht die schönsten?

Langen: Das kann ich gar nicht sagen. Jede Olympiade hat ihre Reize und ist einzigartig. Natürlich ist es immer am schönsten, wenn man gewinnt. Ich vertrete den Standpunkt, dass dabei sein nicht unbedingt alles ist. Man sollte schon mit aller Macht eine Medaille anstreben. Dann kann man so ein Erlebnis richtig genießen. Und das habe ich jedes Mal gemacht.

SPOX: Gab es denn Persönlichkeiten, die Ihnen - aus welchem Grund auch immer - im Gedächtnis geblieben sind?

Langen: Das ist ja das Schöne im Wintersport: Da sind alle gleich. Egal ob das ein amerikanischer Eishockey-Star ist oder sonst wer. Wer sich qualifiziert, der gehört automatisch dazu. Natürlich gab es regen Austausch, man schließt Freundschaften und Bekanntschaften. Mit dem einen wird der Kontakt anschließend aufrechterhalten, mit dem anderen wieder nicht.

SPOX: Welche Sportarten haben Sie bei den Winterspielen eigentlich am meisten interessiert? Abgesehen vom Schlittensport natürlich.

Langen: Im Grunde alle. Leider ist man als Bobfahrer die ganze Zeit im Einsatz, weil man in der ersten Woche den Zweier fährt, in der zweiten Woche den Vierer. Deshalb bleibt kaum Zeit, bei anderen Disziplinen live dabei zu sein. Aber es gibt vor Ort einen Chatroom, wo man jeden Tag untereinander Trainingsergebnisse austauschen kann. Also ich wollte immer in jeder Disziplin wissen, was passiert ist.

SPOX: Was würden Sie als alter Hase einem jungen Kerl wie Felix Loch raten, wie er seine ersten Winterspiele angehen soll?

Langen: Vom Kopf her wie jedes andere Event auch. Vom Erlebnis Olympia her haben es die Rodler natürlich supergeil, weil ihre Disziplin eine der ersten ist und sie mit dem Start der Olympiade eigentlich schon fertig sind. Dann kann man die gesamten Spiele voll genießen.

SPOX: Mit Loch haben Sie 2008 bei Stefan Raabs Wok-WM im Viererwok gewonnen. Im März ist es wieder soweit. Sind Sie dabei?

Langen: Das weiß ich noch nicht genau. Ich bin eingeladen, aber ich habe mir vor kurzem die Schulter ausgekugelt, deshalb kann ich noch nicht sagen, ob es klappt.

SPOX: Sie waren schon mehrfach dabei. Ist die Wok-WM eine sportliche Herausforderung, sprich: wollen Sie unbedingt gewinnen? Oder geht es ausschließlich um den Spaß?

Langen: Das ist eine reine Spaßveranstaltung, man trifft viele Leute und feiert. Das ist eine Riesengaudi. Mit richtigem Sport hat das nichts zu tun.

SPOX: Für einen ehemaligen Bobprofi: Wie katastrophal ist das Fahrgefühl im Wok?

Langen: Naja, wenn alles rund ist, ist das ein reines Runterrutschen. Da gibt's überhaupt kein Fahrgefühl.

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