Harte Kritik an Thunderbolt

SID
Usain, Bolt
© Getty

Peking - Er wäre nicht der Chef des Internationalen Olympischen Komitees, wenn er nur den Grüßaugust geben würde. Weil dem so ist, muss Jacques Rogge auch über Sitte, Anstand und Moral wachen und was das betrifft, ist ihm Usain Bolt ein gewaltiger Dorn im Auge.

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Zwar nannte Rogge den jamaikanischen Supersprinter nach dessen beiden Goldmedaillen über 100 und 200 Meter und seinen beiden Fabelweltrekorden von 9,69 und 19,30 Sekunden in einem Atemzug mit Jesse Owens, sparte aber gleichzeitig nicht mit Kritik.

"Ich habe kein Problem damit, dass er eine Show abzieht", sagte der Belgier, "aber ich glaube, dass er mehr Respekt zeigen sollte für seine Gegner. Er sollte ihnen die Hände schütteln und auf die Schulter klopfen direkt nach dem Zieleinlauf und nicht große Gesten machen wie nach dem 100-m-Lauf."

Rogge billige jedem Athleten zu, seine Freude über einen Olympiatriumph auf seine eigene, ganz persönliche Weise auszudrücken, aber Bolts Gesten hätten nur eines ausgedrückt: "Fangt mich doch, wenn ihr könnt!". "Sowas macht man nicht", meinte Rogge, "aber er ist noch jung, er wird noch lernen."

"Riesenverarschung"

Der IOC-Boss ist nicht der einzige, dem Bolts Art nicht gefällt.

Als "Riesenverarschung" bezeichnete Deutschlands schnellster Sprinter Tobias Unger den 100-Meter-Weltrekord: "Im Zwischenlauf hat sich Bolt nicht mal warmgelaufen", sagte der 29-jährige Schwabe in einem Interview der "Sport Bild".

"Der kam in Badehose und Joggingschuhen, hat eine Steigerung und einen Start gemacht, seine Spikes angezogen und ist dann die 100 Meter in 9,92 Sekunden gejoggt."

Geburtstagsparty mit Weltrekord

Ungeachtet dessen ist Bolt der große Superstar der Spiele neben Michael Phelps. Und während man beim Schwimm-Superstar aus den USA mit dem Angriff auf gleich acht Gold-Medaillen fest rechnete, hat Bolt die Welt mit seinen Ausnahmeleistungen komplett geschockt.

Als erster Läufer seit 1896 krönte er sein olympisches Double mit Weltrekorden auf beiden Sprintstrecken. Wie ein heranbrausendes Gewitter stürmte der schnellste Mann der Welt am Donnerstag beim Rennen über die 200 Meter an allen vorbei und mit fünf Metern Vorsprung ins Ziel.

19,30 Sekunden - die 91.000 Zuschauer im Nationalstadion tobten und bejubelten seinen Fabelweltrekord: "Happy Birthday to you!" Schon 100 Minuten später durfte Gold-Bolt die Mitternachts-Party zu seinem 22. Geburtstag starten.

Zwei Disqualifikationen

"Ich bin geschockt, ich bin regelrecht geschockt", sagte der 1,96 Meter große Modellathlet. "Ich bin so lange hinter dem Weltrekord hergejagt. Der Olympiasieg über 100 Meter war schön, aber mit Gold über 200 Meter ist jetzt mein allergrößter Traum in Erfüllung gegangen. Dieser Ruhm wird mich mein ganzes Leben begleiten. Ich hatte solch ein schnelles Rennen niemals erwartet. Ich dachte nicht, dass es möglich sein würde."

Wie im 100-Meter-Finale zog "Thunderbolt" schon vor dem Start auf Bahn 5 wieder seine Ein-Mann-Show ab. Dann zeigte er der Konkurrenz auch auf seiner Schokoladenstrecke nur die Hacken seiner goldenen Spikes.

Silber und Bronze gingen an die beiden US-Amerikaner Shawn Crawford (19,96) und Walter Dix (USA/19,98). Die ursprünglich als Zweiter und Dritter gestoppten Churandy Martina (Niederländische Antillen/19,82) und Wallace Spearmon (USA) wurde wegen Verlassens der Bahn disqualifiziert.

"Er ist eines der größten Talente, die es jemals gab"

Um 2/100 Sekunden blieb der Mann aus Trelawny unter der Bestmarke des Amerikaners Johnson (19,32). "Er ist eines der größten Talente, die es jemals gab", hatte der Doppel-Olympiasieger von Atlanta 1996 zu seinem Nachfolger gesagt.

Als Schnellster der Saison über 200 Meter (19,67) war Bolt zu den Sommerspielen gekommen, als Olympiasieger mit x-fach gesteigertem Marktwert kann er nun zu den lukrativen Leichtathletik-Meetings in Europa reisen.

Vielleicht sogar mit dreimal Gold dekoriert wie Carl Lewis, der dieses Kunststück 1984 in Los Angeles als bislang Letzter vorgeführt hatte. Jamaikas Sprinter sind auch für die Staffel über 4 x 100 Meter favorisiert.

Ein Cricket-Trainer hatte einst das Naturtalent des schnellen Usain entdeckt. Schon mit 15 Jahren und 332 Tagen wurde Bolt vor seiner Haustür in Kingston/Jamaika U18-Junioren-Weltmeister. "Niemand kann ihn stoppen", kündigte Vater Wellesley damals an.
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