"Lindsey Vonn hat mich auf den Mund geküsst"

Von Interview: Christian Bernhard
Ski-Alpin-Legende Alberto Tomba macht auch heute noch eine sehr gute Figur auf den Skiern
© Francesco Panunzio – Milano
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SPOX: Zu Ihrer Zeit haben auch die kanadischen Abfahrer, die Crazy Canucks, für Aufsehen gesorgt.

Tomba: Allerdings, Steve Podborski und Co.! Sie haben etwas vor meiner Zeit Anfang der 80er Jahren ein paar Sachen aufgeführt.

SPOX: Es heißt, die Kanadier hätten damals in Kitzbühel legendäre Partys geschmissen.

Tomba: Da war ich nie dabei. Ich kam immer einen Abend vor dem Rennen an, verschanzte mich in meinem Appartement und habe dann das Rennen bestritten. Ich war da ganz ruhig.

SPOX: Das glaube ich Ihnen nicht.

Tomba: Während den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gab es keine Partys. In Calgary habe ich gar nichts gemacht. Ich habe mich versteckt, um zu vermeiden, dass mich die Fans in der Nacht aufweckten. Vorsicht, mit mir war es nicht einfach! Ich musste höllisch auf der Hut sein - und obwohl ich ganz gut alleine auf mich aufpassen kann, habe ich immer wieder Bodyguards gebraucht, weil ich mich in der Öffentlichkeit nicht mehr frei bewegen konnte.

SPOX: Der Trubel um Sie muss riesig gewesen sein.

Tomba: Bei den Spielen 1994 in Lillehammer haben die Zuschauer mich gefeiert, nicht Sieger Thomas Stangassinger! Ich war damals 13. nach dem ersten Durchgang und bin noch zu Silber gefahren. Oder Bormio 1995: Sie können sich nicht vorstellen, was in jenen zwei Tagen los war! 60.000 Tifosi waren an der Strecke, das war der pure Wahnsinn.

SPOX: Wie haben Sie nach Saisonende entspannt und sich und von diesem ganzen Rummel erholt?

Tomba: Nach den letzten Einheiten auf dem Gletscher bin ich ans Meer und habe dort viel Leichtathletik gemacht. Diese Dinge gaben mir die nötige Energie, denn für einen Skiprofi ist es nicht immer einfach, da oben auf 3000 Meter Höhe. Neun Monate im Jahr ist man unterwegs, manchmal zwei am Stück. Das ist nicht wie bei den Fußballern, die jede Woche nach Hause zurückkommen. Reisen, Zeitumstellungen, Jetlag... (auf Deutsch) Katastrophe. (lacht)

SPOX: Was macht Alberto Tomba heute in seiner Freizeit? Es heißt, Sie hätten einen Weinkeller mit mehreren Tausend Flaschen.

Tomba: Die habe ich alle zu meiner aktiven Zeit gesammelt. Auf den vielen Reisen habe ich etliche Weinkeller besucht und mich in die Materie eingelesen. Ich hatte immer ein rotes Buch mit Weinen aus der ganzen Welt bei mir und wenn ich unterwegs war, habe ich Halt gemacht, und mir neue Flaschen besorgt. Manche haben mir auch Flaschen geschenkt. Deshalb habe ich zwischen 3000 und 4000 Stück aus der ganzen Welt bei mir im Keller stehen.

SPOX: Am Poker-Tisch sind Sie auch immer wieder aufgetaucht.

Tomba: Zuletzt habe ich nicht mehr so oft gespielt, aber ich verfolge das Geschehen im Fernsehen. Verrückt nach Poker bin ich aber nicht.

SPOX: Boris Becker ist ein großer Poker-Freund. Sie saßen bereits mit ihm am Pokertisch, richtig?

Tomba: Ja, wir haben in London zusammen gespielt. Zuletzt in Saalbach habe ich ihn auch bei der Pokerstars-Tour gesehen. Wir waren beide als Testimonial da.

SPOX: Kennen Sie sich gut?

Tomba: Ich kenne Boris seit vielen Jahren. Wir sind beide Laureus-Acamedy-Mitglieder, sehen uns oft bei Meetings. Wir haben auch bereits in Monte Carlo zusammen Tennis gespielt. Er und ich im Doppel gegen Ilie Nastase und... (denkt nach) Jetzt fällt mir nicht mehr ein mit wem - auf jeden Fall haben wir gewonnen.

SPOX: Zurück zur WM in Garmisch: Wer sind Ihre Slalom-Favoriten in Garmisch?

Tomba: Auf jeden Fall Razzoli, weil er bewiesen hat, dass er bei Großereignissen bereit ist. Ivica Kostelic ist in dieser Saison einfach top und fährt dazu auch wesentlich schöner Ski, als noch vor ein paar Jahren. Ich schaue ihm jetzt sehr gerne zu. Dann ist da immer noch Benjamin Raich, der immer dran ist, aber nie den entscheidenden Lauf auspackt. Ihm würde ich den WM-Titel gönnen. Und dann gibt es noch die Schweden - auf die muss man aufpassen!

SPOX: Was trauen Sie Felix Neureuther zu?

Tomba: Felix hat gute Chancen, es ist sein Heimrennen. Er kennt den Hang perfekt, eine Medaille ist drin.

SPOX: Sie haben sich in Ihrer Karriere mit jeder Menge Ski-Superstars gemessen. Welcher war Ihr härtester Gegner?

Tomba: Ach, da gab es jeden Jahr einen Neuen. Michael von Grüningen, Thomas Stangassinger, Armin Bittner, Thomas Sykora - jeder hatte seine Qualitäten. Ich habe mit Ingemar Stenmark begonnen und bis Hermann Maier alle miterlebt. Viele von ihnen habe ich zum Gesamt-Weltcupsieg getrieben: Marc Giradelli, Pirmin Zurbriggen, Paul Accola. 1992 war ich immer an Accola dran und habe viele Rennen gewonnen, aber er wurde immer Zweiter, wenn ich gewann. Entscheidend im Kampf um den Gesamtweltcup war damals, dass die anderen alle die Kombination gefahren sind und dort viele Punkte geholt haben. Ich habe neun Saison-Rennen gewonnen, sie nur vier - und trotzdem ging der Gesamtweltcup an die anderen.

SPOX: Am Ende haben Sie es aber auch geschafft - 1995 in Bormio.

Tomba: Ja, 1995 habe ich mir endlich diese verflixte Kugel geschnappt, erneut ohne Abfahrten und Kombinationen. Ich war aber nicht so sehr auf der Jagd nach dem Gesamtweltcup, sondern immer mehr nach WM- und Olympia-Titeln. Bei der WM 1991 in Saalbach-Hinterglemm habe ich nach dem ersten Durchgang im Riesenslalom mit über einer Sekunde geführt, bin dann aber im zweiten ausgeschieden. 1993 in Morioka war ich krank und 1996 hat es dann endlich geklappt - und das gleich mit zwei Goldmedaillen. Mein Fanklub ist total ausgerastet. Damals habe ich mich bereits mit dem Karriereende beschäftigt, habe den Gedanken aber aufgrund der folgenden Heim-WM aber fallen lassen.

SPOX: 1998 war es dann aber soweit.

Tomba: Ich habe mir damals beim Weltcupfinale in Crans Montana gesagt: 'Wenn du den Slalom gewinnst, hörst du auf'. Und so kam es dann auch.

SPOX: Wenn Sie dieses Rennen nicht gewonnen hätten, hätten Sie weitergemacht?

Tomba: Auf jeden Fall! Ich hätte noch weitere sechs Jahre fahren können, davon bin ich überzeugt. Heute kann ich es sagen: Ich dachte damals darüber nach, zwei Jahre Pause zu machen und dann zurückzukommen. In der Zeit hätte ich trainiert und dann wäre ich nur noch Slalom oder Riesentorlauf gefahren. Aber dann hat sich so viel verändert, das Material, das Umfeld. Ich bin dann nach Rom gegangen und habe ein paar Erfahrungen im Filmbusiness gemacht.

SPOX: Sie sind mittlerweile zu einem Botschafter Italiens in der ganzen Welt geworden. Fühlen Sie sich als Symbol Italiens?

Tomba: Schon, aber ich nutze diese Rolle nicht aus, denn ich wurde zu meiner aktiven Zeit schon genug von den Medien und Fans gestresst. Deshalb habe ich etwas zurückgeschaltet und den Weg für andere freigemacht.

SPOX: Wie reagieren die Menschen heute auf Sie?

Tomba: Mir schlägt immer noch sehr viel Liebe und Leidenschaft entgegen. Das berührt mein Herz immer noch. Am beeindruckendsten ist es in Kroatien und Slowenien, da gibt es einen Riesenrespekt vor dem Sportler an sich. In Italien gibt es das nicht mehr.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Tomba: In Italien sind andere Dinge wichtig: Fußball, Politik und Reality Shows - das war's. Der authentische Sport rutscht total in den Hintergrund.

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