"Es gibt nichts Lässigeres als Skispringen"

Von Interview: Bärbel Mees
Andi Goldberger beendete 2005 seine Karriere nach 14 Jahren im Weltcup
© Getty

Andreas Goldberger war einer der erfolgreichsten Skispringer. 2005 trat er nach über 14 Jahre im Weltcup zurück. Bei SPOX spricht er über die Vierschanzentournee, die Faszination Skispringen, die Zeit nach seiner Karriere und den Alkoholkonsum von Janne Ahonen.

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SPOX: Herr Goldberger, die Vierschanzentournee steht an. Sie haben zweimal gewonnen, wissen also wie es geht. Verraten Sie uns das Geheimnis?

Andreas Goldberger: Das gibt es eigentlich nicht. Du musst auf allen vier Schanzen gut springen. Nur dreimal reicht eben nicht. So einfach ist das.

SPOX: Wer springt denn in diesem Jahr auf allen vier Schanzen am besten?

Goldberger: Es kommen einige in Frage. Gregor Schlierenzauer wird ganz vorne mit dabei sein. Letztes Jahr dachten aber auch alle, dass er das Ding gewinnt. Doch dann kam Wolfgang Loitzl und der ist wieder sehr heiß auf den Sieg. Aber auch Simon Amman hat sie noch nie gewonnen. Es wird schon interessant.

SPOX: Die Tournee ist auch immer ein bisschen das Duell Österreich gegen Deutschland. Wie sehr belebt der Zweikampf die Springen?

Goldberger: Bei der Vierschanzentournee ist das ganz wichtig. Ich finde super, dass die Deutschen dieses Jahr wieder so gut sind. Es kann für den Sprungsport nichts Besseres passieren. Speziell bei der Vierschanzentournee ist das natürlich interessanter, wenn Österreich und Deutschland um einen Sieg springen, als wenn es Japan und Finnland sind.

SPOX: Derzeit scheinen die ÖSV-Adler stärker als die DSV-Springer. Welcher Deutsche hat das Potenzial, mit den Österreichern mitzuhalten?

Goldberger: Im Moment Michael Uhrmann. Er hat vom Potenzial her am meisten drauf. Pascal Bodmer springt zwar gerade am Besten, aber da muss man abwarten, ob er das über die ganze Saison hält.

SPOX: Und was ist mit Martin Schmitt?

Goldberger: (lacht) Das weiß ich auch nicht. Keine Ahnung, was mit dem los ist. Der Martin hat momentan einen Pech-Jakob. Er wird sicher unter Wert geschlagen. Aber vielleicht klappt's bei Olympia.

SPOX: Was erwarten Sie sich von den Spielen in Vancouver?

Goldberger: Einiges. Bei den letzten Olympischen Spielen haben die Österreicher stark zugeschlagen. Die sind sicher wieder gut. Aber da drüben kann alles passieren. Natürlich darf man auch Simon Amman nie abschreiben. Martin Schmitt hat bei der WM auch eine Silbermedaille gewonnen. Warum also nicht bei Olympia?

SPOX: Was hat für Sie den Reiz bei Olympia ausgemacht?

Goldberger: Olympia ist die Veranstaltung überhaupt. Jeder träumt als Kind davon, Olympiasieger zu werden. Die Vierschanzentournee und Olympia sind auch für die Fans ganz besondere Events.

SPOX: Ist die Begeisterung der Fans immer noch so groß, wie sie zu Ihrer aktiven Zeiten war?

Goldberger: Ja. Das Skispringen ist in Österreich und Deutschland extrem populär. Das sieht man auch immer wieder bei der Vierschanzentournee. Selbst wenn eine Nation eine schlechte Saison hat, sind die Zuschauer trotzdem weiterhin begeistert. Für den normalen Menschen ist das Skispringen einfach eine faszinierende Sportart.

SPOX: Und für Sie?

Goldberger: Es kommt dem Fliegen nahe. Das Schwerelose in der Luft ist für mich so faszinierend. Du spürst die Schwerkraft nicht mehr und glaubst du schwebst. Beim Skifliegen ist das noch geiler. Aber es ist immer eine Gratwanderung. Wenn es gut geht, ist es super und wenn es nicht gut geht, kann es schlimme Konsequenzen haben. Doch das macht den Reiz aus.

SPOX: Sie haben mit 225 Metern eine Zeit lang den Weltrekord gehalten. Was überwiegt da, die Angst, dass man den Sprung ja noch stehen muss, oder das geile Gefühl des Fliegens?

Goldberger: Das Gefühl des Fliegens überwiegt, denn während dem Flug denkst du noch nicht daran, dass du den Sprung noch stehen musst. Wenn du Angst hast, dass du zu weit springst, dann wirst du es nicht tun. Wenn du in der Luft bist und merkst, dass es richtig gut dahingeht, dann läuft auch die Landung automatisch ab. Du stehst sie irgendwie und weißt gar nicht, warum.

SPOX: Im Springerfeld herrscht eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Schweißt es die Springer besonders zusammen, wenn man gemeinsam die Schanzen dieser Welt runterspringt?

Goldberger: Ich glaube nicht, dass es nur daran liegt. Aber die Skispringer sind intern sehr locker, das ist eine große Familie. Das sind von den Typen her ganz lockere und offene Leute.

SPOX: Sie waren immer besonders locker und lustig. Wer hat Sie als Spaßvogel im Feld abgelöst?

Goldberger: Der Simon Amman ist schon ein recht lustiger Vogel. Der ist ganz gut aufgelegt.

SPOX: Als Spaßvogel galt Janne Ahonen nie. Haben Sie schon seine Autobiographie gelesen?

Goldberger: Nein, noch nicht.

SPOX: Er schreibt, dass er vor einem Springen mal ordentlich gebechert hat. Bis zu 24 Dosen Bier sollen es gewesen sein.

Goldberger: Echt? Das ist ein Schmäh. Vor dem Springen 24 Dosen Bier? Da hätte ich die Schanze ja nicht mehr gefunden, wenn ich vor dem ersten Durchgang soviel getrunken hätte. Aber die Autobiographie muss ich jetzt lesen. Ich war soviel mit ihm unterwegs, das müsste ich ja eigentlich wissen. Da hat er vielleicht soviel trainiert, dass er so durstig war. (lacht)

SPOX: Man hat sich immer gewundert, warum Janne Ahonen oft so einen verkniffenen Gesichtsausdruck hat. Vielleicht hatte er ja immer einen Kater...

Goldberger: Das kann natürlich auch sein. (lacht) Aber er ist nicht so grimmig, wie er im Fernsehen rüberkommt. Ich glaube, er hat sich einen Schutz aufgebaut, weil er nicht mit jedem reden wollte. Er hat immer gesagt "Das raubt mir Energie". Wenn es sein musste, hat er nicht einmal Englisch gekonnt. Die Finnen sind einfach etwas anders. Da sind die Österreicher und die Bayern ein wenig gemütlicher. Aber vielleicht ist das heutzutage anders. Ich bin ja doch schon paar Jahre nicht mehr dabei.

SPOX: Warum haben Sie denn aufgehört mit Skispringen?

Goldberger: Ich wollte nicht mehr. Nach den 14 Jahren, die ich im Weltcup verbracht habe, hat das Ganze irgendwie seinen Reiz verloren. Man wird wettkampfmüde. Irgendwann will man etwas anderes machen. Wenn man nicht mehr mit Begeisterung dabei ist, dann bleibt der Erfolg aus und dann wird's noch schwieriger. Wenn man sich dann die jungen Springer ansieht und wie leicht denen das von der Hand geht und wie sehr man sich selbst plagen muss, dann überlegt man sich, ob das Sinn macht und dann muss man eben auch mal eine Entscheidung treffen. Denn mit halben Sachen kommt man im Spitzensport nicht weit.

SPOX: Ihr Fazit: Haben Sie im richtigen Moment aufgehört?

Goldberger: Ich glaube ja. Zumindest habe ich es nicht bereut. Vielleicht hätte ich mir die eine oder andere Erfahrung noch ersparen können, wenn ich es anders gemacht hätte. Aber im Endeffekt war es doch richtig.

SPOX: Was würden Sie jetzt einem jungen Springer, der in den Weltcup-Zirkus kommt, mit auf den Weg geben?

Goldberger: Alles geben und genießen, solange es geht. Wer Skispringen kann, der sollte das ausnutzen. Es gibt wirklich nichts Lässigeres.

SPOX: Jetzt sind Sie also rundum glücklich?

Goldberger: Ja. Im Endeffekt fängt man mit sieben Jahren mit dem Skispringen an. Das ist dann dein Lebensinhalt und du ordnest alles andere unter. Am Ende der Karriere hast du viel erreicht und so viele Erfahrungen gemacht, das ist eine gute Lebensschule. Aber irgendwann musst du akzeptieren, dass es nicht ewig geht.

SPOX: Viele Sportler fallen nach der Karriere in ein Loch.

Goldberger: Bei mir war es nicht so. Ich hatte das Glück, dass ich nicht aufgehört habe, weil ich aufhören musste. Ich war nicht verletzt oder so schlecht, dass ich aus dem Kader rausgeworfen worden wäre. Ich habe aufgehört, weil ich nicht mehr springen wollte. Es ist schlimm, wenn man aufgrund einer Verletzung aufhören muss und vielleicht seine Ziele noch nicht erreicht hat. Denn dann hast du dein Leben lang dafür gearbeitet und fragst dich für was? Aber ich habe nach dem Skispringen gleich mit neuen Sachen begonnen. So hatte ich gar nicht lange Zeit zum Überlegen.

SPOX: Zum Beispiel?

Goldberger: Ich mache jetzt Sachen, die ich vorher nicht machen durfte, wie den Wasalauf. Das ist ein Langlaufrennen von über 90 km. Es war ein tolles Erlebnis.

SPOX: Gibt es noch etwas, was Sie reizen würde?

Goldberger: Fallschirm gesprungen bin ich schon. Da muss man sich zwar überwinden, aber das macht einen ja auch stärker. Und sonst? Helikopter Skiing würde ich gerne mal machen. Irgendwann fahre ich nach Amerika und probiere das aus.

SPOX: Dann braucht man sich also keine Sorgen zu machen, dass Ihnen mal langweilig wird...

Goldberger: Nein, das braucht man nicht. Eher im Gegenteil. Zum Beispiel war ich dieses Jahr auch schon wieder Skispringen. Da ich die Skispringen kommentiere, ist es ganz gut, wenn ich selbst ab und zu springe.

SPOX: Sind Sie beim Kommentieren der nüchterne Sportjournalist oder packen Sie die Emotionen aus?

Goldberger: Ganz klar die Emotionen. Man lebt doch sehr mit dem Ganzen mit. Man bekommt zwar immer den Befehl, es nüchtern zu betrachten, aber wenn es so läuft und man mitten im Wettkampf ist, dann rutschen dir schon die Emotionen raus. Aber das ist gut so. Der Sport ist Emotion und lebt von Emotionen.

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