Pechstein sucht Rat bei Doping-Experte Franke

SID
Claudia Pechstein gewann in ihrer Karriere neun Medaillen bei Olympischen Spielen
© Getty

Durch eine Langzeitstudie will Claudia Pechstein ihre Doping-Unschuld beweisen. Dabei arbeitet sie mit Werner Franke zusammen, der ihre erhöhten Blutwerte scharf kritisiert hat.

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Im Kampf gegen ihre Zwei-Jahres-Sperre holt sich Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein ihren schärfsten Kritiker ins Boot.

"Die Eckpunkte des Konzeptes zu einer Langzeitstudie, die wir der NADA bis zum kommenden Dienstag vorlegen wollen, stammen von Werner Franke. Wir warten jetzt auf seine abschließende Beurteilung", sagte Pechsteins Manager Ralf Grengel dem "SID".

Franke will einen durchdachten Rat geben

Der Heidelberger Molekular-Biologe bestätigte, dass er von der Pechstein-Seite angesprochen wurde und ihm bereits eine überarbeitete Version des Vorschlages vorliege: "Egal, wie ich zu Claudia Pechstein stehe, ich werde ihr einen Rat geben, der sehr gut durchdacht ist."

Nach SID-Informationen wurden insgesamt fünf Experten gebeten, an einem wissenschaftlichen Konzept mitzuwirken, das der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA) vorgelegt werden soll. Neben Franke arbeitet auch Klaus Pöttgen, Medizinischer Leiter des Ironman-Triathlon Frankfurt und ebenfalls Pechstein-Kritiker, an der Expertise mit.

Sechswöchige Langzeitstudie soll Klarheit bringen

Unter Aufsicht der NADA soll sich Pechstein einem voraussichtlich sechswöchigen Test unterziehen. Die Studie soll vor allem die ungewöhnlichen Schwankungen der Retikulozyten-Werte in ihrem Blut erklären, die nach Meinung des Eislauf-Weltverbandes ISU einen Beweis für Blutdoping darstellen.

Die NADA muss allerdings noch prüfen, ob eine Studie durchführbar ist. Auch eine Finanzierung ist noch nicht geklärt. Der NADA-Vorsitzende Armin Baumert hatte in einer ersten Reaktion einen Langzeittest als nicht durchführbar bezeichnet, war mit seiner Einschätzung aber auch intern auf Widerspruch gestoßen.

"Frau Pechstein kann nicht mehr tun, als das Konzept einzureichen und um die Umsetzung zu bitten", sagt Grengel der "Welt": "Claudia Pechstein wird sich Regularien unterwerfen, die von renommierten Wissenschaftlern erstellt worden sind. Sie selbst stellt keinerlei Bedingungen." Er bitte um Verständnis, dass man sich nicht zu konkreten Inhalten äußern könne.

Franke bleibt skeptisch

Franke hält den Test für "interessant". Der Molekularbiologe steht Pechstein allerdings weiterhin kritisch gegenüber: "Ihr Problem ist nach wie vor, dass ihr Blut häufig überhöhte Werte ausgerechnet dann aufwies, als wichtige Wettkämpfe anstanden. Wenn nun in der Langzeitstudie die auffälligen Schwankungen der Retikulozyten nicht auftreten, hat sie verdammt schlechte Karten."

Vorrangigstes Ziel seiner Expertise soll sein, eine möglichst lückenlose Beweisführung zu ermöglichen. "Wenn wir einen solchen Weg nicht finden, würde ich den grundsätzlichen Sinn einer solchen Studie nicht erkennen", sagte Franke, der am Wochenende weiter an dem Entwurf arbeiten will.

Während Franke noch zurückhaltend ist, schreibt Pöttgen dem Test bereits eine riesige Dimension zu. "Eine solche engmaschige Kontrolle über sechs Wochen auf Antrag eines Athleten bei der NADA gab es noch nie und wäre deshalb eine Art Jahrhundertereignis für den deutschen Antidopingkampf", sagte Pöttgen der Welt.

Pechstein von der Natur bevorzugt

Pechsteins Verteidigung geht unter anderem davon aus, dass die Konzentration ihrer Retikulozyten (Vorläufer der roten Blutkörperchen) von Natur aus höher ist als bei anderen Sportlern.

Der bei ihr aufgetretene Schwankungsbereich der Werte lässt sich aber auch bei anderen Athleten finden. Der Anklageschrift des Weltverbandes ISU lag ein Normalverlauf eines anonymisierten Sportlers bei, der nie die Grenze von 2,4 Prozent überschritt - nach Meinung von Pechstein aber nur, weil der Mittelwert deutlich niedriger liegt als bei ihr selbst.

CAS entscheidet über Aussetzung der Sperre

In der kommenden Woche steht für Pechstein eine weitere richtungweisende Entscheidung an. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne wird entscheiden, ob die Trainings- und Wettkampfsperre bis zum Hauptverfahren, das voraussichtlich im November stattfindet, ausgesetzt wird.

Sollte dies nicht der Fall sein, hat Pechstein selbst bei einem Erfolg im Hauptverfahren keine realistische Chance mehr, sich vernünftig auf ihre sechsten Olympischen Spielen 2010 in Vancouver vorzubereiten.

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