Vorsichtige Entwarnung

SID
biathlon, schatten
© Getty

Antholz - Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) haben nach den Doping-Anschuldigungen im Zuge der Wiener Blutbank-Affäre um rund 30 Sportler Aufklärung gefordert.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Man kann der Sache nur nachgehen, wenn man Fakten hat", sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. Daher habe er sich mit IOC- Präsident Jacques Rogge abgestimmt, dass DOSB und IOC schriftlich Unterlagen bei den entsprechenden österreichischen Behörden anfordern.

Nach ARD-Informationen sollen von den rund 30 Sportlern, die angeblich Kunden bei der Wiener Blutbank Humanplasma GmbH gewesen sind, 20 deutsche Wintersportler sein, die zum Teil der Weltspitze angehörten. "Es wäre unzulässig, daraus ein Schreckensszenario zu zeichnen", meinte Bach. "Bisher gibt es keine Fakten. Es gibt einen Verdacht, der ziemlich pauschaliert ist."

Verdacht zurückgewiesen

Auch der Deutsche Ski-Verband (DSV) wies den Generalverdacht zurück und forderte Beweise für die Doping-Anschuldigungen. "Der Deutsche Ski-Verband erwartet im Sinne einer raschen Aufklärung die Nennung von Namen, sofern diese vorliegen sollten", erklärte der Verband in einer Pressemitteilung.

"Dem DSV liegen nach wie vor keinerlei konkrete Informationen über eine mögliche Verwicklung von DSV-Athleten in die zuletzt bekanntgewordene Affäre um eine Wiener Blutbank vor." Ähnlich äußerte sich Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle: "Wenn es schwarze Schafe gibt, müssen sie benannt werden. Aber ich habe etwas gegen eine Pauschalverurteilung."

Der österreichische Doping-Chefermittler Arnold Riebenbauer, der nach dem Turin-Skandal auf das Blutplasma-Institut in Wien gestoßen war, sagte nichts Belastendes über eine Verstrickung deutscher Wintersportler. "Ich kann keine Namen herausgeben. Zu deutschen Wintersportlern kann ich keine Auskunft geben. Nach meinen Informationen sind neben Radsportlern auch Leichtathleten betroffen", sagte er.

"DSV im Moment nicht unter Verdacht"

Unterdessen hat ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt seine Vorwürfe konkretisiert. "Der DSV steht momentan nicht im Verdacht, aktiv Blutdoping unterstützt zu haben, geschweige denn, Athleten selbst nach Wien geschickt zu haben", sagte er. Es gehe eher um zurückliegende Fälle, auf die man im Zusammenhang mit dem österreichischen Doping-Skandal bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin gestoßen sei.

Dass er noch nicht Ross und Reiter nennen will, begründete Seppelt in einem Interview mit WDR2 so: "Die Russen- und die Ukrainer-Mafia ziehen im Hintergrund der Blutbank ihre Fäden. Deshalb müssen wir unsere Informanten schützen." Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke erwartet jedoch bald die Enthüllung. "Ich rechne damit, dass in den nächsten Tagen die Namen bekanntgegeben werden", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Alles abgestritten

Die vier bisher im Zusammenhang mit der Blutbank-Affäre von der ARD namentlich genannten Radprofis haben die Vorwürfe zurückgewiesen.

Nach Informationen des TV-Senders sollen Michael Rasmussen (Dänemark), Michael Boogerd (Niederlande), der zweifache Vuelta-Gewinner Denis Mentschow (Russland) und der frühere Gerolsteiner- Profi Georg Totschnig (Österreich) Kunden der Wiener Blutbank gewesen sein. "Ich habe von diesem Institut noch nie gehört", sagte Mentschow der niederländischen Zeitung "de Telegraaf". Auch die drei weiteren beschuldigten Fahrer stritten die Anschuldigungen ab.

Keine Änderung bei der ARD

Die ARD wird nach den eigenen Doping-Vorwürfen gegen deutsche Wintersportler das aktuelle Fernsehprogramm nicht ändern. "Derzeit sehen wir keine Veranlassung, bei unseren geplanten Wintersport-Übertragungen Änderungen vorzunehmen. Es gibt zwar neue Dopingvorwürfe, die jedoch bisher nicht für einzelne Sportler belegt sind. Auch bei solchen Vorwürfen gilt zunächst die Unschuldsvermutung", erklärte Programmdirektor Günter Struve.

Struve ist in Personalunion auch ARD- Sportkoordinator. ARD und ZDF waren nach dem Doping-Skandal bei der Tour de France 2007 aus der Berichterstattung ausgestiegen.

Der medizinische Leiter der ins Doping-Zwielicht geratenen Wiener Blutplasma-Firma hat ebenfalls alle gegen das Institut gerichteten Anschuldigungen zurückgewiesen. "Seit Bekanntwerden der Vorwürfe war noch kein einziger Ermittler bei uns, weder die Kriminalpolizei, noch ein Drogenfahnder", sagte Lothar Baumgartner.

NADA wendet sich an BKA

Der Generalsekretär der Internationalen Biathlon-Union IBU, Michael Geistlinger, hat den unter Dopingverdacht geratenen deutschen Skijägern empfohlen, sich "in der Angelegenheit juristisch zu wehren". Der Professor aus Salzburg geht davon aus, dass dies auch geschehen werde. "Das ist keine Kleinigkeit", sagte Geistlinger. "Die Vorwürfe muss ich als pauschal zurückweisen. Nach unseren Unterlagen sind sie nicht haltbar."

Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) hat sich nach Hinweisen auf die Blutbank-Affäre vorsorglich an das Bundeskriminalamt (BKA) gewandt. "Wir haben sofort reagiert, dass möglicherweise deutsche Athleten involviert sind und die Ermittlungsbehörden eingeschaltet. Zu den Verdächtigungen geben wir keinen Kommentar", sagte NADA- Vorsitzender Armin Baumert.

Zudem habe die NADA um Akteneinsicht bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gebeten. Dem BKA liegen nach eigenen Angaben keine Hinweise auf eine Verwicklung deutscher Athleten vor.

Artikel und Videos zum Thema