"Wer es nicht verstehen will..."

Von Interview: Philipp Dornhegge
In seiner WCW-Karriere gewann Alex Wright den Cruiserweight-, den TV- und den Tag-Team-Gürtel
© imago

Alex Wright war Deutschlands bekanntester Wrestling-Export. Mit 19 heuerte der Nürnberger in der WCW an und etablierte sich als Vollprofi und guter Techniker. Doch nach Jahren harter Arbeit entschied er sich 2003, nach Deutschland zurückzukehren und eine Wrestlingschule zu eröffnen.

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Im Rahmen einer Trainingsstunde traf SPOX den 34-Jährigen und sprach mit ihm über seine Schule, seine Karriere und den noch immer zweifelhaften Ruf seines Sports.

SPOX: Herr Wright, Sie haben beim Training mehrfach die verschiedenen Wrestling-Stile angesprochen: amerikanisch, mexikanisch, europäisch, japanisch. Was macht diese Stile aus?

Alex Wright: Es gibt etliche Kleinigkeiten, in denen sich Würfe und Griffe unterscheiden. Wir Europäer haben früher viel Wert auf das Chain Wrestling gelegt, sprich das fließende Ineinanderübergehen von einem Griff oder Move in den nächsten. Japaner und Mexikaner sind große Techniker und Highflyer. Amerikaner sind dagegen oft Powerwrestler.

SPOX: Kaum noch vorstellbar, dass früher all diese Stile strikt getrennt waren.

Wright: Aber logisch, weil man eben nur mit seinen Landsleuten aufgewachsen ist. Als Wrestling noch klein war, gab es noch nicht den regen Austausch, da kannte jeder eben nur seinen Stil. Je internationaler Wrestling wurde und je bekannter man als Wrestler war, desto mehr Gelegenheiten hat man natürlich dann bekommen, sich etwas von den anderen abzuschauen.

SPOX: Sie haben damals von Ihrem Vater Steve gelernt, der selbst ein sehr erfolgreicher und bekannter Wrestler war. Welchen Stil hat er Ihnen beigebracht?

Wright: Überwiegend den europäischen. Aber mein Vater hat jahrelang für New Japan gerungen, was damals in Asien fast gleichzusetzen war mit der WWF in den USA. Er war auch häufig in Mexiko, Kanada und den USA. Wir haben mit einer Richtung angefangen und das Ganze dann ausgeweitet. Anders geht's nicht, sonst wird man als Anfänger ja total banane.

SPOX: Bret Harts Vater Stu hat in seinem Keller in Calgary etliche Wrestler ausgebildet. Hat sich Ihr Vater ausschließlich um Sie gekümmert?

Wright: Ja, das ist eigentlich auch so üblich. Denn als Vater gibt man ja nicht nur sein Wissen weiter und bringt dem Sohn ein paar Moves bei, sondern man vererbt praktisch seinen ganzen Stil, der jedem Wrestler eigen ist. Was ich meinen Schülern beibringe, ist technisch eigentlich alles, was man draufhaben muss. Aber den Stil, den ich von meinem Vater übernommen habe, den behalte ich für mich.

SPOX: Ihr Talent hat sich ja schon im frühen Alter gezeigt. Sie wurden 1993, mit nicht einmal 18 Jahren, von der WCW bei Schreinemakers entdeckt!

Wright: Das war sozusagen der vorläufige Höhepunkt des öffentlichen Interesses. Ich hatte mit 16 meinen ersten Kampf und war der jüngste Profi Europas. Daher kam die Medienaufmerksamkeit. Schreinemakers hat dann eine Sendung zum Thema Wrestling gemacht und ich wurde eingeladen, gemeinsam mit Sting und Johnny B. Badd, die damals die Topleute der WCW waren. Der Tourmanager war auch da und ich wurde eingeladen, bei der Deutschland-Tour, die gerade im Gange war, mal vorbeizuschauen.

SPOX: Aber nicht als Teil der Show, oder?

Wright: Ich wollte einfach so hinfahren und mir das anschauen. Aber mein Vater sagte gleich: "Junge, nimm dein Wrestling-Gear mit. Man weiß nie, was da alles passieren kann!" Und tatsächlich hat sich da einer verletzt, und ich wurde gefragt, ob ich einspringen will.

SPOX: Bei jemandem mit dem Nachnamen Wright wussten sie offenbar, worauf sie sich einlassen.

Wright: Na klar, mein Vater war in der Branche sehr bekannt, er hat ja unter anderem mit Hulk Hogan und Ric Flair im Ring gestanden. Außerdem war er 16-maliger Weltmeister der CWA, der größten europäischen Liga. Dazu mehrmaliger Europameister und Tag-Team-Champion. Das war freilich vor der Zeit mit der großen TV-Präsenz, aber bei den Fachleuten war mein Vater schon bekannt.

SPOX: Wie lief denn Ihr erstes Erlebnis bei der WCW?

Wright: Der Kampf war offensichtlich ganz gut, denn anschließend wurde ich gefragt, ob ich die restliche Deutschland-Tour mitmachen wolle. Am Ende kamen dann Eric Bischoff, der Chef der WCW und Ric Flair, der damals Booker war, zu mir und meinten: "Du gefällst uns. Hast Du nicht Bock, in die USA zu kommen? Wir geben Dir einen Profivertrag." Innerhalb einer Woche musste ich mich entscheiden. Tja, und mit 18 Jahren habe ich dann den Sprung gewagt.

SPOX: Für gewöhnlich schafft es ein Wrestler erst sehr viel später auf die große Bühne.

Wright: Das stimmt. In der WWE erlebt man seinen Höhepunkt meist erst mit Mitte dreißig. Ich könnte also immer noch locker mitmachen, wenn ich wollte (lacht).

SPOX: Gab es Anfragen, ob Sie nach Ihrem Karriereende 2003 nicht doch weitermachen wollen?

Wright: Ja, aber irgendwann kommt man im Leben an einen Punkt, an dem man sich entscheiden muss. Hätte ich mein Engagement in den USA verlängert, wäre ich wohl für immer da geblieben. Aber meine ganze Familie ist hier. Auch die Familie meiner Frau, mit der ich zusammen bin, seit ich 17 war. Die Familie war für mich schon immer das Wichtigste, und mein Traum war es, Wrestling in Europa richtig zu fördern. In den USA ist das schon ein riesiges Geschäft, aber hier nicht.

SPOX: Aber hat das Interesse hier in Deutschland in den letzten Jahren nicht eher abgenommen?

Wright: Im Gegenteil, Wrestling ist wieder richtig im Kommen. Es gibt in Europa mittlerweile sehr viele kleine Wrestling-Ligen. Meine Schule läuft auch sehr gut, und dann lief vor kurzem der Film "The Wrestler" mit Mickey Rourke im Kino.

SPOX: Der kein allzu positives Licht auf das Geschäft wirft.

Wright: Sicher war das ein schlechtes Beispiel. Da werden zahlreiche Klischees bedient, die Hauptfigur trifft sehr viele falsche Entscheidungen. Auf der anderen Seite kann ich einige Beispiele von Wrestlern nennen, die ein ganz anderes Leben geführt haben. Nichtsdestotrotz: Auch schlechte Publicity ist Publicity.

SPOX: Was hilft sonst noch?

Wright: Dass die WWE wieder sehr häufig Europa-Tourneen startet. Auch TNA, die andere große Liga, war da. Ich habe im letzten Jahr meine eigene kleine Liga aufgemacht, in der das erste Event innerhalb kurzer Zeit ausverkauft war. So kann ich meinen Teil dazu beitragen, dass der Aufwärtstrend anhält.

SPOX: Wenn Sie privat auf Menschen getroffen sind: Wie war da die Reaktion, wenn Sie von Ihrem Beruf erzählt haben?

Wright: Ich habe eigentlich immer nur positive Reaktionen mitbekommen. Weil es außergewöhnlich ist. Natürlich kommt es immer darauf an, wie man als Mensch rüberkommt. Da mag es also auch Kollegen geben, die andere Erfahrungen gemacht haben.

SPOX: Wie groß ist der Unterschied in der Wahrnehmung zwischen Deutschland und den USA?

Wright: Riesig: Drüben schauen bei jedem TV-Live-Event bis zu 30 Millionen Menschen zu. Wenn man da über die Straße geht, ist das, als ob hier Boris Becker über die Straße geht.

SPOX: Zu Ihrer Zeit sind Sie fast allen großen Namen der WCW im Ring begegnet, etwa Bret Hart oder Ric Flair. An wen erinnern Sie sich besonders gern?

Wright: Ganz früher habe ich am liebsten meinem Vater zugeschaut, ist doch klar. Von denen, die ich hautnah erlebt habe, mochte ich Ric Flair, Arn Anderson oder Stone Cold Steve Austin. Das waren alles Leute, die einige Jahre älter waren als ich. Insofern konnte ich zu denen aufschauen. Genauso Hulk Hogan. Ich war nie ein großer Fan seiner Technik, aber in punkto Entertainment war er ein tolles Vorbild.

SPOX: Wenn Sie einen Ihrer Kämpfe herauspicken sollten: Welcher war das Highlight Ihrer Karriere?

Wright: Schwierig, sich auf einen festzulegen. Mein erster Kampf mit 16, damals noch für die CWA, war ein toller Moment. Genauso ein Tag-Team-Kampf mit meinem Vater, als ich 17 war. Und natürlich meine Titelkämpfe, wenn es gegen Flair oder Anderson ging. Bei 3000 Kämpfen ist es wirklich schwer, einen rauszupicken.

SPOX: Wie schauen Sie als ausgemachter Experte Wrestling-Kämpfe an? Ist Ihnen die Technik wichtiger oder der Entertainment-Faktor?

Wright: Das Gesamtpaket. Natürlich schaue ich mir einen Kampf anders an als der Durchschnittszuschauer. Ich achte auf jede Kleinigkeit, auch darauf, wie sicher ein Wrestler arbeitet.

SPOX: Auch auf offensichtliche Absprachen im Ring?

Wright: Naja, da muss man nicht explizit drauf schauen, so etwas sieht man automatisch. Aber eigentlich kommt das nur selten vor. Es ist ja so: Im Wrestling gibt es für jede Situation tausend verschiedene Möglichkeiten um weiterzumachen. Wenn du eine seriöse Schule durchlaufen hast, weißt du, wie du dich in bestimmten Momenten zu verhalten hast. Normal sollte es kein Problem sein, einen Kampf ohne Absprachen laufen zu lassen.

SPOX: Bret Hart dagegen ist der Meinung, dass er einer der wenigen echten Profis war. Besonders an Flair und Hogan hat er kein gutes Haar gelassen.

Wright: Das Problem ist eben, dass es ein Egosport ist. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an hochdotierten Verträgen. Ich hatte immer das Glück, dass ich, allein für mein geringes Alter, immer sehr ordentlich verdient habe. Insofern hat mir der Sport sehr viel gegeben und ich hatte es nicht nötig, mich in die "Backstage Politics" einzumischen. So habe ich es auch von meinem Vater gelernt.

SPOX: Hart hat das offenbar anders gesehen.

Wright: Es gibt eben auch Leute, die nach ein paar Titelgewinnen auf einem Höhenflug sind und das Gefühl haben, sie wären die Besten. Da kommt es zu Reibereien, wenn Flair, Hart und Hogan alle für die WCW tätig sind. Natürlich ist Hart ein super Techniker, aber Flair ist für mich genauso gut. Hogan dagegen ist ein wahnsinnig charismatischer Typ, das muss man auch sehen.

SPOX: Ihnen gefällt also nicht, was Hart sagt?

Wright: Ich finde es einfach nicht richtig, über Kollegen herzuziehen. Oder überhaupt den Sport an sich in ein schlechtes Licht zu stellen. Was soll das? Damit kann man auch dem Fan vieles kaputt machen und ihm den Spaß an unserem Sport nehmen.

SPOX: Sie haben immer wieder den Begriff "Sport" im Zusammenhang mit Wrestling gebraucht. Viele Menschen nehmen das aber noch immer nicht als Sport wahr.

Wright: Für mich ist Sport ein Begriff, den man unterschiedlich definieren kann. Wer es nicht verstehen will, dem kann man es nicht erklären. Diese Leute müssten sich einfach mal in den Ring stellen, um zu merken, was man da alles mitbringen muss, welche Technik dahinter steckt und wie hart man arbeiten muss. Wrestling ist Hochleistungssport und Entertainment zugleich, und man muss permanent am Ball bleiben. Ich habe hier schon viele Leute gehabt, die andere Kampfsportarten gemacht haben. Und die brechen mir im Ring zusammen, weil sie platt sind. Und eins möchte ich mal klar stellen: Der Begriff "Show" gefällt mir überhaupt nicht.

SPOX: Warum nicht?

Wright: Es ist ja nicht so, als würden wir uns nicht treffen. Wenn ich einen Elbow Drop mache, dann spürt der Gegner das sehr wohl. Mit falscher Atemtechnik bleibt ihm da komplett die Luft weg und Schlimmeres. Natürlich wollen wir uns nicht absichtlich die Knochen brechen. Aber mein Gegenüber ist mein Konkurrent, und das soll der natürlich auch spüren.

SPOX-Redakteur im Ring: Wrestling im Selbstversuch