Ein Grand Slam kündigt sich an

Von Florian Regelmann
Rod Laver gewann 1969 als letzter Spieler den Grand Slam - macht es ihm Roger Federer 2010 nach?
© Getty

Roger Federer hat sie wieder, die Aura des Unbesiegbaren. Für SPOX-Redakteur Florian Regelmann gibt es nur eine logische Folge: Der Grand Slam. Und vielleicht noch mehr...

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Als Roger Federer nach seinem Finalsieg gegen Andy Murray bei der Pressekonferenz gefragt wurde, wie er es denn bitteschön schaffe, Jahr für Jahr, Grand Slam für Grand Slam solch unglaubliche Leistungen abzurufen, war seine Antwort ein Brüller.

"Es gibt kein Geheimnis. Ich meine, ich bin eben definitiv ein ganz talentierter Spieler", sagte Federer und sorgte für großes Gelächter. "Ich wusste immer, dass ich etwas Spezielles in mir hatte, aber ich wusste nicht, dass es so verrückt sein würde."

Wie recht der Schweizer doch hat. Es war tatsächlich verrückt, was der 28-Jährige im Finale von Melbourne gegen Andy Murray spielte. Der Schotte war gut genug drauf, dass er an diesem Tag wohl gegen jeden anderen Gegner der Welt seinen ersten Grand-Slam-Titel gewonnen hätte, aber eben nicht gegen den Meister. Gegen den Besten aller Zeiten.

Aura der Unbesiegbarkeit is back

Federer zeigte sich im Finale in den ersten zwei Sätzen in der außerirdischen Form, in der man ihn vor einigen Jahren zu seiner beeindruckendsten Glanzzeit gesehen hatte. Damals umgab ihn eine Aura der Unbesiegbarkeit.

Doch es folgten Niederlagen gegen Rafael Nadal, die an Bitterkeit nicht mehr zu überbieten waren, die sich in Federers Kopf festsetzten und die an seiner Ausnahmestellung kratzten. Plötzlich hatte nicht nur Nadal, plötzlich hatten viele Spieler wieder das Gefühl, Federer schlagen zu können.

Selbst als er im vergangenen Jahr den Grand-Slam-Rekord von Pete Sampras brach, wirkte er dabei relativ irdisch. Dieser Eindruck bestätigte sich, als er sich nach großem Kampf im Finale der US Open Juan Martin Del Potro geschlagen geben musste.

In der Tennis-Welt schien sich der Glaube zu verfestigen, dass Federer zwar noch gute Jahre vor sich habe und er noch einige Slams gewinnen könne, aber dass er die Dominanz früherer Tage einmal wiedererlangen würde, traute ihm irgendwie niemand mehr zu.

Federer in einer anderen Liga

Zu stark wäre die neue Generation um die Del Potros und Murrays dieser Welt. Wer Federer bei den Australian Open gesehen hat, muss seine Meinung grundlegend ändern. Federer ist wieder dort angekommen, wo er schon einmal war. In einer völlig anderen Liga.

Selbst als Murray im dritten Satz Chancen zum Satzgewinn hatte, selbst wenn er diese genutzt hätte, hätte man nicht geglaubt, dass Federer dieses Match irgendwie verlieren kann. Federer munterte Murray bei der Siegerehrung zwar auf, indem er sagte, dass dieser viel zu gut sei, um in seiner Karriere ohne Grand-Slam-Sieg zu bleiben.

Aber obwohl Murray dafür in der Tat eigentlich zu gut ist, wird seine zweite Niederlage in einem Grand-Slam-Finale und die Art und Weise am Schotten nagen.

Murray ist davon überzeugt, dass er eine Chance gehabt hätte, wenn er sein bestes Tennis abgerufen hätte. Und er weiß, dass er sich nun weiter die Frage anhören muss, ob er denn überhaupt gut genug ist, um einmal den ganz großen Triumph zu feiern.

Murray nicht aggressiv genug

Wer einmal ein Slam-Finale verliert, steckt es vielleicht noch ganz gut weg. Aber wer dann schon zum zweiten Mal scheitert, fängt an nachzudenken. Murrays Tränen sagten alles über seine Enttäuschung aus.

Murray und Federer hatten sich zuvor ein faszinierendes taktisches Duell mit allen möglichen Variationen an Slice- und Spin-Schlägen und unglaublichen Winkeln geliefert. Murray bewies, dass er zu Recht als einer der größten Taktiker auf der Tour gilt, aber er konnte in den entscheidenden Phasen seine beiden größten Schwächen nicht ablegen: Seine Passivität und sein bei Big Points häufig nicht vorhandener erster Aufschlag.

Die Geduld, mit der er von der Grundlinie spielt, hat ihm zwar zu dem Spieler gemacht, der er heute ist, aber die Neigung darauf zu warten, dass der Gegner verliert, statt selbst gewinnen zu wollen, war auch gegen Federer wieder nicht zu übersehen. Murray muss dringend daran arbeiten, die wenigen Chancen, die ihm von Federer geboten werden, in Zukunft aggressiver zu nutzen.

Denn sobald man gegen Federer auch nur ein bisschen zögert und ihn nicht "tot" macht, bekommt man den Ball wenig später sofort um die Ohren gehauen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Murray muss früher die Initiative ergreifen. Dass er das kann, hat er schon oft gezeigt.

Weit über 20 Slams für Federer

Trotz des enttäuschenden Finals hat Murray ein brillantes Turnier mit unzähligen brillanten Momenten und Schlägen gespielt. Sein Vorhand-Winner am Netzpfosten vorbei im Match gegen Marin Cilic war ein Traum. Dass seine beiden Final-Niederlagen in Grand Slams gegen den besten Spieler auf diesem Erdball erfolgten, wird ihn ein wenig trösten.

Bis zum nächsten Grand Slam in Paris wird es nun eine Weile dauern, aber wer will, kann schon jetzt ein Ticket für die Halbfinals buchen. Er wird dort Federer sehen. Sein Rekord von 23 Grand-Slam-Halbfinals in Folge - Zweiter in der Liste ist übrigens Ivan Lendl mit 10 - ist fast noch bemerkenswerter als seine 16 Slams.

Dass es nicht bei den 16 bleiben wird, ist auch garantiert. Aufgrund seiner Spielweise, die seine Gegner zermürbt, aber nicht ihn selbst, spricht alles dafür, dass Federer noch mindestens fünf gute Jahre vor sich hat. Außergewöhnliche Jahre. Vielleicht spielt er auch noch bis 35 und hat am Ende weit über 20 Slams auf seinem Konto.

Daddy Rog ist wohl so glücklich wie noch nie in seinem Leben, er hat seine beängstigende Dominanz wieder, Rafael Nadal ist durch seine ganzen Verletzungen mit Fitnessproblemen beschäftigt - warum sollte Federer in diesem Jahr nach Melbourne nicht auch noch in Paris, Wimbledon und New York und damit den Grand Slam gewinnen? Es gibt keinen Grund.

16. Grand-Slam-Titel für Federer