Keine Party: Titel-Routine bei Boll und Co.

SID
Timo Boll und Co wurden bereits zum viertel Mal in Folge Mannschafts-Europameister
© Getty

Große Titel sind für die deutschen Tischtennis-Asse mittlerweile Routine. Selbst ein schräger Kellner konnte Timo Boll und Co. nach dem vierten EM-Gold in Serie nicht so recht in Partystimmung versetzen. Steffen Fetzner dagegen war von seinen Erben begeistert.

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Um 22.45 Uhr war das einstige Traumdoppel wieder vereint. Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf und Edelfan Steffen Fetzner saßen im Ostrauer Clarion Hotel, diskutierten taktische Feinheiten des EM-Finals und redeten über die alten Zeiten.

Der goldene Pokal für die Generation Timo Boll stand derweil unbeachtet am anderen Ende des Tisches, die Sieger waren längst auf ihre Zimmer verschwunden. Das Bild passte perfekt - Titel auf dem Kontinent sind für die deutschen Tischtennis-Asse Routine geworden.

Ein zehnsekündiges Freudentänzchen in der Halle, ein halbes Gläschen Sekt im Hotel-Restaurant mit Jugendherbergs-Charme, dann schalteten Christian Süß und seine Kollegen wieder auf den professionellen Modus um.

"Beim Feiern müssen wir uns zurückhalten"

"Sicher, wir können gerne noch zehn Jahre lang gewinnen. Aber beim Feiern müssen wir uns zurückhalten. Wir haben ja keine Lust, mit einem Kater rauszufliegen", sagte Matchwinner Süß nach dem vierten EM-Mannschaftsgold in Serie.

Am Donnerstagmorgen stand er um 11.10 Uhr wieder mit Boll an der Platte. Sein Partner hatte sogar ganz auf das Siegerschlückchen verzichtet und wirkte ausgelaugt vom Marathon-Programm.

Dabei hatte ein schräger Kellner sich alle Mühe gegeben, doch Feierstimmung zu verbreiten. Vor der kurzen Tischrede des Verbandspräsidenten Thomas Weikert sprang er mit Deutschland-Harlekinmütze auf dem Kopf aus der Küche, schnappte sich ein Schifferklavier und spielte "Rosamunde".

Ein Teller Nudeln - und tschüss!

Die Mannschaft nahm die Polka mit einem verwirrten Achselzucken auf und verabschiedete sich nach einem schnellen Teller Nudeln vom Buffet auch schon wieder.

Die Euphorie blieb den Funktionären vorbehalten. "Vier Titel nacheinander - das ist überragend", sagte Weikert, forderte aber zugleich, die dominante Stellung in Europa mit allen Mitteln zu verteidigen: "Wir dürfen uns nicht auf Timo, Christian oder Dimitrij Ovtcharov verlassen. Irgendwann wird es Rückschläge geben, es geht aber weiter. Die Basis haben wir mit einer guten zentralisierten Jugendarbeit gelegt. Aber die Franzosen und Rumänen sind im Kommen."

Gehen dagegen musste Ovtcharov. Als seine Teamkollegen sich müde durch die ersten Einzel quälten, war der Russland-Legionär schon auf dem Heimflug. Um 13.45 Uhr hob der am Fuß verletzte "Dima" ab ins heimische Hameln, um sich behandeln und von seinen Eltern pflegen zu lassen.

"Ich hatte Riesenschmerzen - total ärgerlich, denn ich bin in Topform", schimpfte der 22-Jährige. Seine Goldmedaille versenkte er schon während der Pressekonferenz im bemerkenswert hässlichen Pokal. Frust.

Fetzner kam 1000 Kilometer mit dem Auto

Für Fetzner, der 1989 gemeinsam mit Roßkopf in Dortmund das deutsche Tischtennis mit dem WM-Titel im Doppel wachgeküsst hatte, war das Finale dagegen etwas ganz Besonderes.

"Ich bin 1000 Kilometer mit dem Auto gekommen, um das Spiel zu sehen. Das ist doch mal ein echter Fan", sagte der 42-Jährige. Inzwischen arbeitet "Speedy" - mit einigen Kilogramm mehr auf den Rippen als zu aktiven Zeiten - für eine Firma, die Tischtennis-Artikel produziert.

Ab und an nimmt er für einen saarländischen Drittligisten auch noch den Schläger in die Hand. Die Bilanz in dieser Saison: Ein grundsolides 3:1, nicht mehr. "Jaja, die Chinesen", sagte Fetzner lachend. In der Halle ging er mit, als würde er in Ostrau selbst an der Platte stehen - wie einst mit "Rossi".

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