Ratlosigkeit und Uneinigkeit: Was bei der Pleite des FC Bayern München gegen Werder Bremen auffiel

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Der FC Bayern hat sich mit der überraschenden Pleite gegen Werder Bremen im Kampf um den Meistertitel in Bedrängnis gebracht: Die Münchner vermitteln Ratlosigkeit und Uneinigkeit - und leiden offenbar unter einer kuriosen Training-Spiel-Schere.

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Ausführlichst hatten Trainer Thomas Tuchel, der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen, Joshua Kimmich, Manuel Neuer, Konrad Laimer und Thomas Müller diese so überraschende 0:1-Pleite gegen Werder Bremen schon analysiert - da marschierte Bremens Niklas Stark in die Mixed Zone der Allianz Arena. Unterm Arm eine Musikbox, daraus dröhnte der Ballermann-Hit "Dicht im Flieger".

"Jetzt merkst du: Denen war es wichtig", sagte Müller, drehte sich um und brach das letzte Interview des Tages ab. Ein stimmiges Schlusswort, das auch implizierte: Müller und seiner Mannschaft war es offenbar nicht ganz so wichtig.

Das sollte durchaus zu denken geben, ist die Lage beim FC Bayern doch ernst: Bei einem Spiel weniger haben die Münchner nun sieben Punkte Rückstand auf Tabellenführer Bayer Leverkusen und den Meistertitel somit nicht mehr in der eigenen Hand. Der Fortbestand der mittlerweile elf Jahre andauernden Meisterserie ist in Gefahr.

Überraschend kam die Niederlage gegen Bremen nicht nur deshalb, weil es eben gegen Bremen ging: Dem erklärten Münchner Lieblingsgegner war letztmals 2008 ein Sieg gegen den FC Bayern gelungen. Überraschend kam sie auch, weil ein ach so herausragendes Kurz-Trainingslager hinter der Mannschaft liegt. Sichtlich beseelt hatte Tuchel nach der Rückreise aus dem sonnigen Portugal vom "extrem hohen Trainingsniveau" geschwärmt.

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FC Bayern München: Thomas Tuchel wirkt erneut ratlos

Gegen Bremen war davon nichts zu sehen - tatsächlich zeigte der FC Bayern eine der schwächsten Leistungen dieser Saison und kassierte seine vierte Pleite. Tuchel kritisierte eine "belanglose" Leistung, der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen sprach von "langweiligem Fußball". Hinten fehlte Konzentration, vorne fehlten Ideen. Die Fans pfiffen schon zur Pause. Nach Abpfiff waren sie so geschockt, dass sie darauf vergaßen.

Restlos überzeugt hatte der FC Bayern trotz des deutlichen Ergebnisses von 3:0 übrigens auch beim Rückrundenauftakt gegen die TSG Hoffenheim vergangenes Wochenende nicht. "Ich habe keine Lust mehr, immer zu sagen, dass wir gut trainieren. Das glaubt mir ja niemand mehr, wenn wir so spielen", erklärte Tuchel nach der Pleite gegen Bremen, nicht ohne seine Meinung nochmal zu bekräftigen: "Ich mache den Job lang genug, um beurteilen zu können, ob das Training auf dem Niveau war, auf dem wir es haben wollen. Seit vielen Wochen ist das wirklich der Fall."

Wie sich Tuchel diese Training-Spiel-Schere erklärt? "Wir müssen die Spieler fragen." Genau wie nach der 0:3-Pleite gegen RB Leipzig im Supercup und dem Aus im DFB-Pokal gegen den 1. FC Saarbrücken vermittelte Tuchel auch nach der Niederlage gegen Bremen Ratlosigkeit, die Schuld schob er an seine Spieler weiter. Beim 1:5 gegen Eintracht Frankfurt Anfang Dezember hatte Tuchel noch sich selbst und seine Taktik in die Kritik miteingeschlossen.

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FC Bayern München: Konrad Laimers Analyse lässt tief blicken

Und was sagen die Spieler? Auch die wirkten eher ratlos und diagnostizierten sich gewissermaßen selbst ein Einstellungsproblem. "Komischerweise haben wir im Training oftmals mehr Freude und dadurch auch Energie", betonte Müller: "Eigentlich kenne ich es eher andersrum: Trainieren tun wir eigentlich ungern, aber auf das Spiel haben wir Bock."

Laut Kimmich waren "die Bremer hungriger", Kapitän Manuel Neuer vermisste das nötige "Selbstverständnis" und Müller "Energie". Energie fehlte übrigens auch an der Seitenlinie: Tuchel saß fast die gesamte Spieldauer auf der Bank, feuerte seine Mannschaft kaum an.

Besonders tief blicken ließ die Analyse von Aushilfs-Rechtsverteidiger Konrad Laimer. "Komisch still" habe er die Mannschaft auf dem Platz empfunden: "Da muss einfach mehr kommen, wenn man merkt: Heute wird es zäh, wir finden nicht so den Rhythmus in unserem Spiel." Es hätte "eine Aktion, einen Sprint, einen gewonnenen Zweikampf" gebraucht, der "die ganze Mannschaft mitreißt. Das hat heute gefehlt."

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Pleite gegen Werder: Beim FC Bayern herrscht Uneinigkeit

Zwingender wurde der FC Bayern erst nach einem Dreifach-Wechsel samt Systemumstellung in der 64. Minute. Ohne Nebengeräuschen ging diese Maßnahme von Tuchel jedoch nicht vonstatten. Leroy Sané beklagte sich auf dem Platz gestenreich über seine Versetzung auf die linke Außenbahn vor eine Dreierkette. Bezeichnend, dass ein Spieler sein eigenes Wohlbefinden in einer solch brenzligen Situation offensichtlich über das der Mannschaft stellt.

Müller, Leon Goretzka und Mathys Tel kamen rein, Kimmich musste ungewöhnlich früh runter. Kritik an dieser Maßnahme vermied Kimmich anschließend zwar. Dafür widersprach er Tuchel bei seiner Spielanalyse: Anders als der Trainer fand Kimmich die Pleite trotz der auch von ihm kritisierten Leistung letztlich "nicht verdient". Zumindest die Zahlen geben dem Mittelfeldspieler recht: 68 Prozent Ballbesitz für den FC Bayern, 22:8 Torschüsse, ein xG-Wert von 1,87 zu 0,36.

Uneinigkeit herrschte übrigens auch zwischen Tuchel und den Fans. Die Münchner Südkurve konterte des Trainers Kritik an der Stimmung in der Arena vom vergangenen Wochenende. "Enthusiasmus gibt es nicht auf Knopfdruck", stand auf einem Spruchband.

Auf Knopfruck gibt es auch keine Übertragung von Trainingsleistungen auf den Platz, wie man gegen Bremen begutachten durfte. Und auch keinen neuen Rechtsverteidiger. Obwohl sich die Transferphase bereits dem Ende zuneigt, sucht der FC Bayern immer noch nach einer Verstärkung für die Defensive.

FC Bayern München: Die nächsten Spiele des FCB

DatumWettbewerbGegner
24. Januar, 20.30 UhrBundesliga1. FC Union Berlin (H)
27. Januar, 15.30 UhrBundesligaFC Augsburg (A)
3. Februar, 15.30 UhrBundesligaBorussia Mönchengladbach (H)
10. Februar, 18.30 UhrBundesligaBayer Leverkusen (A)