Formel 1 - Kommentar zur Dominanz von Red Bull und Max Verstappen: Die anderen Teams sind selber schuld

Von Christian Guinin
Max Verstappen, Kelly Piquet
© getty

Max Verstappen und Red Bull haben 2023 eine Saison für die Geschichtsbücher der Formel 1 hingelegt. Den Weg dorthin hat man sich hart erarbeitet, jedoch auch von massiven Fehlern der Konkurrenz profitiert. Und ein Ende der Dominanz ist nicht in Sicht. Ein Kommentar.

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Bei so vielen Rekorden in nur einem einzigen Jahr kann man schon einmal den Überblick verlieren. Vom Medientrubel weitestgehend unbeachtet holte Max Verstappen dank seines Triumphes beim Saisonabschluss auf dem Yas Marina Circuit in Abu Dhabi den insgesamt 54. Sieg seiner noch vergleichsweise jungen Karriere.

Damit zog der Niederländer in der ewigen Bestenliste an Sebastian Vettel vorbei und liegt dort nun auf Rang drei - lediglich die beiden Rekordweltmeister Michael Schumacher und Lewis Hamilton standen noch häufiger als der 26-Jährige ganz oben auf dem Treppchen.

Dieser Meilenstein ging ein wenig unter. Kein Wunder, bei so vielen neuen Bestmarken von Red Bull und Verstappen in dieser Saison: 19 Siege aus 22 Rennen, 21 Podestplätze in 22 Rennen über 1000 Führungsrunden in einer einzigen Saison, die meisten WM-Punkte einer Saison und der größte Punkteabstand zu einem WM-Zeitplatzierten jemals - all das ist nur eine kleine Auswahl an Rekorden, die der Niederländer 2023 aufstellte.

Kurz gesagt: Die Formel 1 hat das wahrscheinlich dominanteste Jahr in ihrer Geschichte hinter sich. McLarens Blütezeit in den 80ern und frühen 90ern, Ferraris Überlegenheit in den 2000ern oder die drückende Dominanz von Mercedes zwischen 2014 und 2020 - diese Ären kommen nicht im Ansatz an die Zahlen heran, mit der Red Bull und Verstappen aktuell die Königsklasse des Motorsports unterjochen.

Hatte man sich vor einigen Jahren noch sehnlichst das Ende des Hamilton-Siegeszuges gewünscht, fühlen sich die zwei Jahre unter der Herrschaft Verstappens schon jetzt wie eine unausstehliche Ewigkeit an.

Max Verstappen, George Russell, Charles Leclerc
© getty

Max Verstappen: Mercedes, Ferrari und Co. verschlafen die Regeländerungen

Nun kann man den Entscheidungsträgern in der Formel 1 vorwerfen, der Dominanz des 26-Jährigen in der Vergangenheit nicht genügend entgegen gewirkt zu haben, in Wahrheit ist die Schuld jedoch kaum bei der FIA zu suchen. Mit der grundlegenden Boliden-Revolution 2022 wurden viele sinnvolle Schritte in die Wege geleitet, die Königsklasse für alle teilnehmenden Teams gerechter zu gestalten. Viele wichtige aerodynamische Teile wurden vereinheitlicht, hinzu kam ein Konzept, welches im WM-Klassement schwächer abschneidende Teams mit gewissen Vorzügen bei der Entwicklung des neuen Autos, etwa mit mehr Zeit im Wundkanal, bevorzugen sollte. Ganz nach dem Vorbild der großen Ligen in den USA.

Stattdessen jedoch haben große Marken wie Mercedes, Ferrari, Alpine (Renault) oder McLaren - immerhin alles Teams mit reichlich Erfahrung und Tradition im Rennsport - es in den vergangenen beiden Jahren, speziell aber in dieser Saison, schlicht und ergreifend nicht geschafft, Red Bull ernsthaft herauszufordern und ein WM-fähiges Paket auf die Beine zu stellen. So liegt die "Schuld", will man es denn so nennen, für die Dominanz des Duos Verstappen/RB bei niemand anderem als den Rennställen selbst.

Dabei hätten die Voraussetzungen kaum besser sein können. Nicht nur wurde Red Bull im vergangenen Winter aufgrund einer Strafe wegen eines Verstoßes gegen das Budgetlimit wichtige Zeit im Windkanal genommen, ein Jahr zuvor hatte man mit Honda auch den exklusiven Motorenpartner verloren. Zwar versprach man auf Seiten der Japaner, bis einschließlich 2025 Unterstützung bei der Umsetzung eines neuen Antriebs zu leisten, der Aufbau des neuen offiziellen Lieferanten Red Bull Powertrains kostete die Österreicher jedoch wichtige Ressourcen. Ressourcen, welche andere Teams zur Verfügung hatten.

All dieser Hindernisse zum Trotz behauptete Red Bull jedoch seine Spitzenposition. Mehr sogar: Die Österreicher scheinen durch die Rückschläge keineswegs beeinträchtigt. Während sich Mercedes mit seinem Konzept für 2023 komplett verrannte, Ferrari nach wie vor mit teils unverständlichen Strategie- und Taktikentscheidungen zu kämpfen hat, McLaren ein untaugliches Paket zum Beginn der Saison an den Start brachte und Alpine sich nach teaminternen Streitereien zur Sommerpause gegenseitig zerfleischte, kamen Verstappen und Red Bull so richtig ins Rollen.

Max Verstappen, Helmut Marko
© getty

Max Verstappen mit noch mehr Potenzial: "Nicht der Zenit"

Das Schlimme daran ist: Eine Ende der RB-Herrschaft ist auch für das kommende Jahr nicht in Sicht. Zu riesig erscheint der Vorsprung von Red Bull auf die Konkurrenz, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass das Team Gerüchten aus dem Paddock zufolge nach der Sommerpause keine relevanten Updates mehr an den Start brachte und sich voll und ganz auf das 24er-Auto konzentrierte. Größere Regeländerungen, die womöglich das Feld wieder durcheinander wirbeln, sind erst zur Saison 2026 geplant - dann greift das neue Motoren-Reglement.

Und Verstappen selbst? In "allein Bereichen" hätte sich der 26-Jährige in diesem Jahr verbessert, bilanzierte RB-Motorsportberater Helmut Marko nach dem Saisonabschluss in Abu Dhabi am Sky-Mikrofon: "Es ist sein absoluter Siegeswille, er kann in jeder Situation ans Limit gehen. Das macht er mit einer Souveränität und Leichtigkeit. Einen ganz entscheidenden Schritt hat er im Reifenmanagement gemacht. Er kann am Limit fahren, ohne die Reifen zu fordern. Er liest, wie weit er gehen kann."

Doch auch hier sei das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Glaubt man den Worten des 80-jährigen Österreichers, geht der Entwicklungsweg Verstappens weiter: "Wir haben noch nicht den Zenit gesehen." Sollte das der Fall sein, stehen der Formel 1 harte Jahre bevor.

Max Verstappen, Kelly Piquet
© getty

Formel 1: Stand in der Fahrerwertung und der Konstrukteurswertung nach 22 von 23 Rennen*

Fahrerwertung:

Pos.FahrerPkt.
1.Max Verstappen (Red Bull)575
2.Sergio Pérez (Red Bull)285
3.Lewis Hamilton (Mercedes)234
4.Fernando Alonso (Aston Martin)206
5.Charles Leclerc (Ferrari)206
6.Lando Norris (McLaren)205
7.Carlos Sainz (Ferrari)200
8.George Russell (Mercedes)175
9.Oscar Piastri (McLaren)97
10.Lance Stroll (Aston Martin)74
11.Pierre Gasly (Alpine)62
12.Esteban Ocon (Alpine)58
13.Alexander Albon (Williams)27
14.Yuki Tsunoda (AlphaTauri)17
15.Valtteri Bottas (Alfa Romeo)10
16.Nico Hülkenberg (Haas)9
17.Daniel Ricciardo (AlphaTauri)6
18.Guanyu Zhou (Alfa Romeo)6
19.Kevin Magnussen (Haas)3
20.Liam Lawson (AlphaTauri)2
21.Logan Sargeant (Williams)1
22.Nyck de Vries (AlphaTauri)0

Konstrukteurswertung:

Pos.TeamPkt.
1.Red Bull Racing860
2.Mercedes-Benz409
3.Ferrari406
4.Aston Martin320
5.McLaren280
6.Alpine120
7.Williams28
8.AlphaTauri25
9.Alfa-Romeo16
10.Haas12

*Der Große Preis der Emilia Romagna musste aufgrund der starken Regenfälle in der Region abgesagt werden.

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