Dagur und die furchtlosen Krieger

Das DHB-Team setzte sich auch gegen Argentinien durch
© getty

Argentinien kratzt, Argentinien beißt: Doch gegen das DHB-Team finden auch die Gauchos kein Mittel, Deutschland siegt. Das Zauberwort lautet Effektivität, statistisch ist nur der Weltmeister besser. Erfüllt sich der Traum vom Wüstenmärchen?

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Die Schlacht von Lusail war kaum geschlagen, da ging das Rumdrucksen los. Glückwünsche zum Gruppensieg? Geh fort! Rein rechnerisch sei man noch nicht durch, meinte Bundestrainer Dagur Sigurdsson. Theoretisch könne man noch Platz eins verlieren, ergänzte Torhüter Carsten Lichtlein. Beiden war anzumerken: Sie glaubten selbst nicht, was sie da erzählten.

Dann trat Bernhard Bauer in die Mixed Zone und sprach endlich aus, was alle dachten: "Ich gehe davon aus, dass es der Gruppensieg war. Alles andere wäre gelogen. Saudi-Arabien müssen - ich sage ausdrücklich nicht können - wir schlagen."

Er habe die Faust schon geballt. Nach dem Sieg gegen das punktlose Schlusslicht müsse er sie nur noch nach oben strecken. Deutschland auf Platz eins in einer Gruppe mit Dänemark, Russland und Polen - unfassbar!

"Es wurde gekratzt und gebissen"

Der letzte ernstzunehmende Schritt auf diesem Weg hatte es allerdings in sich. Die unorthodox spielenden Argentinier kämpften von Beginn an wie die Löwen - mit fast allen Mitteln. Im Angriff gingen sie die deutsche Deckung mit Vollspeed an, in der Deckung stürzten sie sich auf jeden, der ihrem Tor auch nur ein wenig zu nahe kam.

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"Es tat weh, es wurde gekratzt und gebissen. Es war alles dabei in dieser Partie", sagte Rückraumspieler Fabian Böhm. "Ich habe mir den richtigen Beruf ausgesucht", witzelte Lichtlein auf die Gangart der Mannschaft von Coach Eduardo Gallardo angesprochen. In seinem Kasten blieben dem Gummersbacher schließlich körperliche Qualen erspart.

Im ersten Durchgang war es eben dieser Teufelskerl Lichtlein, der das DHB-Team mit Glanzparaden im Spiel hielt. Deutschland hatte große Schwierigkeiten, technische Fehler reihten sich aneinander, Offensivfouls, die Deckung fand keinen Zugriff.

Ansprache fruchtet

"Wir waren in der Abwehr nicht so stabil, was gegen Argentinien aber auch nicht so leicht ist. Sie sind sehr beweglich und schnell. Carsten half uns in dieser Phase sehr", analysierte Sigurdsson. Spielmacher Martin Strobel fügte hinzu: "Wir haben uns in der ersten Halbzeit durch ein paar Fehler zu viel das Leben unnötig schwer gemacht. Das haben die Argentinier gut ausgenutzt. Wir ließen sie zu nahe ans Tor."

Das Entscheidende: Die Deutschen wussten sich in den zweiten 30 Minuten zu wehren, sie hatten einmal mehr die passende Antwort auf einen Rückstand und einen unangenehmen Gegner parat. "Ich habe in der Halbzeit gesagt, dass wir den Kopf in diesem kleinen Krieg nicht verlieren dürfen", erklärte Sigurdsson.

Gesagt, getan. Seine Truppe steigerte sich in allen Belangen. Plötzlich funktionierte die Deckung wieder, die Argentinier wurden dadurch zu Fehlern gezwungen. Das wiederum eröffnete Möglichkeiten zu Schnellangriffen, die das deutsche Team gut ausnutzte.

Nur Spanien ist besser

Ohnehin ist Effektivität bislang eine der großen Stärken des Weltmeisters von 2007 beim Turnier in der Wüste. 70 Prozent aller Würfe waren drin. Lediglich der amtierende Champion Spanien ist mit 71 Prozent noch einen Tick besser.

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Patrick Groetzki, mit sieben Toren bester Werfer, trumpfte plötzlich ganz groß auf. Strobel ebenso. Der Balinger leistete sich nicht einen einzigen Fehlwurf bei fünf Versuchen, genau wie Patrick Wiencek. Lediglich Uwe Gensheimer erwischte nicht seinen besten Tag, doch das sei dem bisher so tollen Kapitän verziehen. Soll er doch lieber im Achtelfinale wieder seine gewohnte Leistung bringen.

Wer dort der Gegner sein wird, ist noch ungewiss. Die sensationell starken Ägypter wirbeln in Gruppe C einiges durcheinander. Gewinnt Island am letzten Spieltag gegen Ägypten, dann muss das DHB-Team gegen die Afrikaner ran.

Jetzt darf man träumen

Sollte Island allerdings nur unentschieden spielen oder gar verlieren, wäre Tschechien der Gegner. Vorausgesetzt die Truppe um Filip Jicha feiert einen Pflichtsieg gegen Algerien. Wer da auch kommt: Ruft Deutschland seine Leistung ab, ist das Viertelfinale sehr gut möglich.

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"Wir brauchen uns vor niemandem zu verstecken", meinte Groetzki: "Wir gehen mit gehörigem Selbstvertrauen in die nächste Runde." Heiner Brand, der Weltmeister-Trainer von 2007, wagte es bei "Sky" sogar, noch einen Schritt weiterzudenken: "Wir dürfen jetzt ein bisschen träumen. Denn jeder Gegner ist schlagbar. Da können sich für die deutsche Mannschaft noch Möglichkeiten auftun."

Der Traum vom Wüstenmärchen. Er geht weiter.

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