"Ich bin in ein Loch gefallen"

SID
Oliver Roggisch spielt seit 2007 bei den Rhein-Neckar Löwen
© Getty

In seiner Kolumne für SPOX spricht Oliver Roggisch über die abgelaufene Saison der Löwen, sein Formtief und die anstehende WM-Quali. Außerdem stellt er sein All-Star-Team der Saison auf - mit einer großen Überraschung im Rückraum.

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Liebe Handball-Fans,

die Bundesliga-Saison ist zwar zu Ende, aber wie Ihr alle sicher wisst, geht es für uns Nationalspieler noch weiter. Erst in zwei Wochen verabschiede ich mich in den Urlaub nach Costa Rica, vorher ist in den WM-Quali-Spielen gegen Griechenland noch einmal höchste Konzentration erforderlich.

Natürlich sind wir der klare Favorit und natürlich müssen wir das packen, aber auch auf die Gefahr hin, dass es sich nach einer Floskel anhört: Das wird keine einfache Aufgabe. Wir kennen viele Griechen aus der Bundesliga, die können alle Handball spielen - und beim Rückspiel wird dort sicher die Hölle los sein. Aber wie gesagt: Wir müssen das packen.

In der Bundesliga haben wir mit den Rhein-Neckar Löwen leider nicht das gepackt, was wir uns vor der Saison vorgestellt hatten. Wir wollten einen Titel, den haben wir im Pokal knapp verpasst.

Zum Glück haben wir uns jetzt in der Liga immerhin noch den vierten Rang gesichert, was uns die Chance gibt, in der nächsten Saison wieder Champions League zu spielen. Alles andere wäre auch eine riesige Enttäuschung gewesen.

Dran sein reicht nicht

Wir haben eine Mannschaft zusammen, die vom Potenzial her eigentlich unter die Top 3 kommen müsste, aber wir haben dieses Potenzial nicht immer abgerufen. Wir hatten immer wieder Aussetzer dabei wie die Heimniederlage gegen Berlin - wenn wir ganz oben angreifen wollen, darf so was nicht passieren. Das ist klar, und in der Hinsicht müssen wir uns in der nächsten Saison dringend verbessern.

Wir haben bis jetzt nur gezeigt, dass wir an Hamburg und Kiel dran sind, aber dran sein und schlagen sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass wir sie in den nächsten Jahren ernsthaft gefährden können.

Dass der Druck im Umfeld wachsen wird, wenn so viel Geld investiert wird wie bei uns, ist auch nur natürlich. Aber wer in der Bundesliga spielt und Titel gewinnen möchte, hat immer Druck. Damit müssen wir klarkommen.

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Ich glaube auch nicht, dass es bei uns ein Problem der Einstellung oder der fehlenden Hierarchie innerhalb des Teams ist. Mit der Hierarchie ist es immer so eine Sache. Bei einer Mittelfeld-Mannschaft liegt es meistens auf der Hand, dass es einen überragenden Spieler gibt, der vorneweg marschiert.

Körperlich nicht fit genug

Aber bei den Top-Teams liegt der Fall ja anders. Wir haben so viele Topspieler mit unglaublich viel Erfahrung in unseren Reihen - jeder muss Verantwortung übernehmen. Und an der Spitze steht unser Trainer Ola Lindgren.

Wer noch nie einen skandinavischen Trainer hatte, muss sich sicher erst mal an seine ruhigere Art gewöhnen, aber im Grunde ist es ja für einen Spieler toll, wenn du einen Trainer hast, der immer positiv ist und dich unterstützt. Das darf man dann als Spieler aber eben nicht ausnutzen.

Was meine persönliche Saison angeht, so kann ich auf keinen Fall zufrieden sein. Es war ganz lustig, als ich jetzt in der Wahl zum Spieler der Saison bei den Löwen auf Rang drei gelandet bin. Na ja, ich habe dann auch gleich gesagt, dass ich das mal als Vorschusslorbeeren für die nächste Spielzeit sehe.

Ich bin nach der EM in ein Loch gefallen und war körperlich nicht so fit, wie ich mir das vorstelle. Dass der Trainer dann in der Abwehr mehr auf Nikola Manojlovic als auf mich gesetzt hat, musste ich akzeptieren.

Der Spieler der Saison: Filip Jicha

Ich weiß jedenfalls, woran ich arbeiten muss und werde im Urlaub mehr machen als in den letzten Jahren, damit ich in der neuen Saison wieder voll angreifen kann.

Zum Abschluss möchte ich noch zwei Gratulationen aussprechen. Zum einen an meinen Teamkollegen Kasa Szmal, der zum Welthandballer 2009 gewählt worden ist. Es freut mich riesig für ihn, weil es das Ergebnis seiner jahrelangen harten Arbeit ist. Kasa ist einer der fittesten Torhüter überhaupt, unglaublich schnell und ein ganz feiner Kerl.

Und die zweite Gratulation geht klarerweise nach Kiel. Während der Saison hätten es zwischenzeitlich vielleicht nur wenige gedacht, aber am Ende steht der THW wieder mit dem Double da. Die Mannschaft hat in Finalspielen eine große Erfahrung, die sie immer wieder ausspielt. Sie ist unglaublich intakt und gibt nie auf, wie man im Champions-League-Finale gegen Barcelona gesehen hat.

Dazu haben sie mit Filip Jicha den meiner Meinung nach mit Abstand besten Spieler der Saison in ihren Reihen. Was der Junge gespielt hat, war absolut überragend. Deshalb steht Jicha auch in meinem All-Star-Team der Saison.

Wer Euch in der Liste - die Löwen-Lastigkeit sei mir verziehen - vielleicht überrascht, ist Adrian Pfahl. Aber ich sehe ihn jetzt seit einigen Tagen bei der Nationalmannschaft und bin sehr beeindruckt von ihm. Ein richtig guter Typ, vor allem auch sehr spielintelligent.

Die Rogg-All-Stars 2009/2010:

Tor: Thierry Omeyer (THW Kiel)

Außen: Uwe Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen), Christian Sprenger (THW Kiel)

Rückraum: Filip Jicha (THW Kiel), Karol Bielecki (Rhein-Neckar Löwen), Adrian Pfahl (VfL Gummersbach)

Kreis: Bjarte Myrhol (Rhein-Neckar Löwen)

So, das war's von mir von dieser Saison.

Bis zum nächsten Mal.

Euer Oliver Roggisch

Oliver Roggisch, 31, spielt seit 2007 bei den Rhein-Neckar Löwen. Der 1,99 m große Kreisläufer und Abwehrspezialist startete seine Karriere beim TuS Schutterwald, bevor es ihn zu Frisch Auf Göppingen zog. Weitere Stationen waren TuSEM Essen und der SC Magdeburg. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2007 Weltmeister. Mehr Infos zum SPOX-Kolumnisten gibt's unter http://www.oliver-roggisch.de/.

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