"Ich schaue neidisch zu Jogi Löw"

Von Interview: Florian Regelmann
Heiner Brands Vertrag beim DHB läuft noch bis 2013
© Getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: HSV-Coach Martin Schwalb, der kürzlich in einem Interview wieder einmal auf eine mögliche Nachfolge von Ihnen als Bundestrainer angesprochen wurde, meinte, dass er davon ausgeht, dass Sie Ihren bis 2013 laufenden Vertrag am Ende doch wieder verlängern würden. Hat er recht?

Brand: (lacht) Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Nach jetzigem Stand würde ich eher Nein sagen. Es ist auch nicht meine Aufgabe, mir über einen möglichen Nachfolger Gedanken zu machen, das ist Sache des DHB-Präsidiums.

SPOX: Wenn Sie noch mehr Turniere wie die letzte EM ertragen müssen, hätten viele sicher Verständnis, wenn Sie sogar früher aufhören würden. Ganz ehrlich: Wie halten Sie es auf der Bank manchmal aus, wenn Ihre Mannschaft so viele Unforced Errors macht?

Brand: Das fällt mir schon sehr schwer, weil ich eigentlich meine Mannschaften immer dahin gebracht habe, einfache Fehler abzustellen. Seit ich die Nationalmannschaft übernommen habe, sind wir damit immer gut gefahren. Diesmal war es bei der EM eine Frage der technischen Fähigkeiten einzelner Spieler, der Spielertypen generell und vor allem auch der Erfahrung. Viele Leute, die tragende Rollen bei uns spielen, haben die Erfahrung nicht, in großen Spielen in entscheidenden Spielsituationen auf dem Feld zu stehen.

SPOX: Viel Kritik gab es an Lars Kaufmann. Berechtigt?

Brand: Die Öffentlichkeit hat sich auf ihn fixiert, als ob nur er Fehler produziert hätte, aber das stimmte ja nicht. Unser gesamter Rückraum besteht aus Spielern, die mit hohem Risiko spielen. Die Fehlerquote war gerade im Rückraum weit verbreitet, nicht nur bei Lars Kaufmann, auch bei Mimi Kraus, Holger Glandorf oder Michael Müller. Vielleicht fehlt uns da auch ein bisschen die Mischung. Jeder ist gefordert, bei sich anzufangen und die Fehleranzahl zu reduzieren.

SPOX: Ein weiteres Problem war die mangelnde Disziplin beim Durchspielen von angesagten Spielsystemen. Ärgert Sie das am meisten?

Brand: Das ist sicher so. Ich bin ein Verfechter davon, dass man für sein Tor arbeiten muss. Gerade wir müssen uns alles herausspielen. Wenn ich einen Karabatic oder Narcisse in der Mannschaft habe wie Frankreich, dann kann ich auch mal anders spielen und schneller abschließen. Aber wir haben diese individuelle Stärke nicht in dem Maße, wir müssen für unsere Tore arbeiten.

SPOX: Ein Sieg in sechs Spielen: Hätten Sie es vor der EM für möglich gehalten, dass es so schlecht laufen könnte?

Brand: Es hätte auch anders laufen können. Wir hätten auch nach der Vorrunde ausscheiden können. Es ist schwer zu vermitteln, weil der Anspruch in Deutschland immer hoch sein wird, damit muss und kann ich leben, aber es wäre sicherlich hilfreich, wenn man realistischer an die Sache herangehen würde. Mir war bewusst, dass so eine EM passieren kann. Davon abgesehen war ich mit der Leistung nicht zufrieden, aber ob es mit einer besseren Leistung anders ausgesehen hätte, weiß man auch nicht. Wenn wir Pascal Hens und Sebastian Preiß in guter Form zurückbekommen, wenn Mimi Kraus fit ist, haben wir sicher wieder mehr Möglichkeiten. Wir haben schon gezeigt, dass es auch anders geht.

SPOX: In Österreich stand in der Endabrechnung Rang zehn zu Buche. Wo liegt Deutschland im internationalen Vergleich momentan?

Brand: Wenn Michi Müller im letzten Angriff gegen Tschechien nicht geschlafen hätte, hätten wir wahrscheinlich noch ein Tor gemacht und wären Siebter geworden. Bei der WM in Kroatien waren wir nahe am Halbfinale, davor waren wir bei der EM Vierter. Wenn man mal die Franzosen, Isländer und vielleicht noch die Kroaten, obwohl die auch nicht überzeugt haben, weglässt, sind alle anderen Teams auf einem ähnlichen Niveau. Da kann man dann auch mal ganz schnell Zehnter werden.

SPOX: Wie hoch ist dann die Chance, dass Deutschland in den nächsten Jahren mal wieder einen Titel holen kann?

Brand: Ich denke, dass Frankreich bis 2012 dominierend bleiben wird, danach werden sie Probleme bekommen, weil viele Leistungsträger in die Jahre kommen. Die Franzosen werden immer oben dabei sein, ob sie die absolute Ausnahmemannschaft darstellen werden, muss man mal sehen. Für uns wird auch entscheidend sein, ob wir mal komplett in ein Turnier gehen können. Wir hatten in den vergangenen Jahren bei jedem Turnier das Problem, dass Leistungsträger ausgefallen sind. Wenn alles passt, können wir vorne angreifen, aber es kann eben auch in die andere Richtung gehen.

SPOX: Als nächstes steht die WM-Qualifikation gegen Griechenland an. Wie schätzen Sie die Ausgangslage ein?

Brand: Wir sind klarer Favorit, das müssen wir auch sein, aber es gibt keinen Grund zur kleinsten Überheblichkeit. Wir müssen seriös an die Spiele rangehen und uns das WM-Ticket erarbeiten.

SPOX: Gibt es schon eine Entscheidung, wer das Team als Kapitän aufs Feld führen wird?

Brand: Nein. Bei der letzten Maßnahme hat Pascal Hens die Binde bekommen, weil er die meisten Länderspiele gehabt hat, aber da ist noch keine Entscheidung gefallen.

SPOX: Was hat letztlich dazu geführt, dass Mimi Kraus nicht mehr Kapitän der DHB-Auswahl ist?

Brand: Mimi und ich sind uns einig, dass er nach der Kritik an ihm, teils berechtigt, teils auch nicht, jetzt erstmal alles dafür tun muss, um seine Form zu finden. Er soll sich ganz auf seine Leistung konzentrieren können und sich nicht noch Gedanken über die Mannschaft machen müssen. Es soll keine Belastung für ihn sein. Daher ist es gut für ihn, jetzt einen Neuanfang zu starten. Sportlich hat sich meine Meinung aber nicht geändert. Mimi Kraus in Topform tut jeder Mannschaft gut.

Die Tabelle der Bundesliga