Hai-Alarm auf Loch 18

Von Florian Regelmann
British Open
© Getty

München - Als Padraig Harrington seinen Siegesmarsch die 18. Spielbahn entlang genoss, drehte er sich fast entschuldigend zu Greg Norman um.

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"Es wäre eine tolle Geschichte gewesen, wenn Du gewonnen hättest, echt jetzt, aber ich muss das hier durchziehen. Fettes Sorry", hätten seine Worte sein können.

Harrington muss es nicht leidtun. Es gibt kaum einen netteren Spieler auf der Tour. Ist schon okay, dass er jetzt zum zweiten Mal in Folge die British Open für sich entschieden hat.

Auch wenn Tiger Woods nicht dabei war, was sich im Royal Birkdale Golf Club so alles abspielte, war großes Kino. Das SPOX-Par-10 fasst zusammen.  

1. Der weiße Hai: "Was macht DER denn da auf dem Leaderboard?" Nicht nur die Fans rieben sich verwundert die Augen, auch die Spielerkollegen konnten nicht glauben, dass Greg Norman, The Great White Shark, plötzlich nach drei Runden die Open anführte und an der 18 mit Standing Ovations bejubelt wurde. Erst werden wir bei der US Open von jemand geschlagen, der auf einem Bein spielt - okay, der Typ hieß Tiger Woods -, aber jetzt werden wir von jemand geschlagen, der im Prinzip gar nicht mehr Golf spielt, der direkt von den Flitterwochen mit Chris Evert von den Bahamas gekommen ist. Und David Duval, der seit Jahren keinen Ball mehr geradeaus gespielt hat, ist zeitweilig auch noch vorne mit dabei. Sehr seltsam alles. Das geht so nicht.

Am Ende kam es dann doch etwas anders, weil Norman wie so oft in seiner Karriere am Finaltag alles verspielte. Er wurde mit 53 Jahren also nicht der älteste Major-Sieger aller Zeiten. Dennoch war Norman die Story des Turniers. In der nächsten Wochen steht übrigens die Senior British Open in Troon auf dem Programm. Norman gegen Bernhard Langer und Co. Das wird spannend.      

2. Paddy macht's noch einmal: Wissen Sie, was ein Impact Bag ist? Zur Erklärung für die Nicht-Golf-Freaks: Ein Impact Bag ist eine Art Stoffsack, den man mit weicher Kleidung füllt, den Reißverschluss zumacht und als Trainingshilfe benutzt, sprich: Man macht einen Schwung und schlägt dagegen, um dasTreffmoment zu simulieren und zu trainieren. Kann man auch gut zu Hause machen. Kann man sich aber auch dabei verletzen, wie Harrington feststellen musste. Handgelenk schwer lädiert, Dienstag vor dem Turnier gerade mal neun Löcher gespielt, Mittwoch abends drei Bälle geschlagen, so lief die Vorbereitung des Titelverteidigers.

Sein Start war akut gefährdet. Aber Paddy, immerhin der Sohn eines Polizisten, der Gaelic Football gespielt hat, ist eben tough. Vier Tage später ist er erneut British-Open-Sieger und der Erste, dem es gelingt, den Titel zu verteidigen seit Woods 2005/2006. Der erste Europäer seit dem Schotten James Braid. Knapp über 100 Jahre her (1905/1906). Wahnsinn.  

3. Das Wetter: Lieber Wetter-Gott, im Namen aller, die nur zugeschaut haben und nicht spielen mussten: Danke, danke, danke! Wer will denn eine British Open sehen, bei der die Sonne scheint, kein Lüftlein geht und der Siegesscore am Ende bei 20 unter Par liegt? Niemand. Diese British Open waren ein großer Spaß. Golfen wie in der Waschanlage, Golfen wie im Windkanal - die Bedingungen waren unfassbar schwierig. Aber auch unfassbar herrlich.

Teilweise mussten die Spieler 50 Meter links oder rechts von der eigentlichen Linie anhalten, so stark blies es. In Runde drei waren die letzten 20 Spieler zusammen gerechnet fast mal 150 über Par. Ach ja, für die nächsten Tage ist eine Besserung in Sicht. Es soll wieder wärmer werden in Southport. Und der Wind soll nachlassen. Haha.         

4. Heulsusen: Es war ja schon peinlich, wie einige der Spieler über die Bedingungen lamentierten. Die Ober-Heulsuse war Oldie Sandy Lyle, der es schon an Tag 1 nicht mal für nötig hielt, seine Runde zu Ende zu spielen und einfach aufgab. Lyle war so genervt, dass er nach zehn Löchern bei einem Score von elf über Par kurzerhand abbrach. "Es war brutal, Wind und peitschender Regen", klagte der Schotte: Seine Brille sei auch dauernd angelaufen. Ach Gott, Du Armer. Eine Durchsage bitte: Der kleine Sandy möchte aus dem Kinderparadies abgeholt werden.

Nicht viel besser stellte sich Pat Perez an. "Das ist kein Golf. Hier in England findet man wohl, dass das Golf ist, ich finde das nicht. Meine Hände sind kalt und ich bin total durchnässt. Man kann den Schläger nicht festhalten. Mir war es irgendwann scheißegal, was ich gespielt habe", so Perez. Fazit: Wer nicht die richtige Einstellung hat, soll doch einfach zu Hause bleiben.

Die besten Bilder aus Royal Birkdale

5. Keine Liebe für Kim: Ein US-Boy zeigte gleich bei seiner allerersten British Open, warum er ein kommender Superstar ist. Der 23-jährige Anthony Kim spielte lange um den Sieg mit und wurde letztlich geteilter Siebter. Und das, obwohl ihn seine Freundin Lisa - vorsichtig ausgedrückt - nicht eben bedingungslos unterstützte. Folgende Szene auf der Driving Range, von der "BBC" eingefangen. Es stürmt fürchterlich, aber Kim schlägt einen perfekten Drive nach dem anderen. Ein Traum. Aber statt eines "Wow, Schatz, toll. Du gewinnst das jetzt!", geht Lisa einfach weg. Ohne jegliche Würdigung. Das ist hart.   

6. Starker Wood(s): Kurzzeitig hätte man meinen können, dass er doch mitspielt, der Tiger. Aber bei genauerem Hinsehen erkannte man, es war nicht Woods, es war Wood, der da auf dem Leaderboard stand. Wenn die British Open nach Royal Birkdale kommt, gehört es jetzt schon bald dazu, dass ein Amateur groß aufspielt. Vor zehn Jahren war es der junge Justin Rose, diesmal war es Wood.

Ein 20-Jähriger aus Bristol, der eine große Sturm-Hoffnung im Fußball gewesen sein soll, bis ihn eine Knieverletzung stoppte und er sich aufs Golfen konzentrierte. Gute Entscheidung, wie sich herauszustellen scheint. Wood teilte sich mit Jim Furyk Rang fünf. Das einzig Dumme: Als Amateur bekommt man kein Preisgeld. Wären einige hunderttausend Dollar gewesen. Ärgerlich. Immerhin bekam er die Silver Medal als Top-Amateur. Vielleicht kann man die ja verscherbeln. Ein Scherz. 

7. Der NFL-Angestellte: Ben Curtis hat einen Werbevertrag mit einem Bekleidungshersteller, der vorsieht, dass er bei jedem Turnier in NFL-Klamotten aufläuft. Jetzt nicht mit Protektoren, Helm und hautenger Radlerhose, sondern mit dem, was die Trainer so am Spielfeldrand anhaben, Mütze und Jacke also, oder Mütze und Poloshirt. Zu dem Deal gehört auch, dass er die Farben eines Klubs trägt, der irgendwas mit dem Golfturnier zu tun hat. Was trug er also in Royal Birkdale? Richtig, San-Diego-Chargers- und New-Orleans-Saints-Sachen. Völlig klar. Der Hintergrund: Chargers und Saints spielen in der kommenden Saison im Londoner Wembley Stadium gegeneinander. Übrigens: Er spielte auch richtig starkes Golf. Geteilter siebter Rang für den ehemaligen Open-Champion. Respekt.

8. Wieder nix, Sergio: Er war der große Favorit bei den Buchmachern, er stand ganz oben im SPOX-Ranking, aber es wurde wieder nichts mit dem ersten Major-Titel für Sergio Garcia. Ein Blick auf das Endergebnis: 51. Platz, 17 über Par, autsch. Garcia hatte natürlich wieder erhebliche Probleme auf den Grüns, aber auch sonst lief es irgendwie nicht.

Man stelle sich vor, es hätte Norman gewonnen. Woods ist verletzt, die Riesen-Chance für Garcia und dann schnappt ihm ausgerechnet der den Titel weg, der fast sein Schwiegervater geworden wäre. Garcia war nämlich mal mit Normans Tochter Morgan liiert. Garcia versteht sich zwar nach wie vor gut mit Norman, sie arbeiten beide gemeinsam an einem Golfplatz-Design in Dubai, aber irgendwie wäre das doch eine komische Situation gewesen.

9.  Randnotizen: Es sind auch die kleinen Geschichten, die ein Major so besonders machen. Immer wieder schön zu sehen, was sich bei den Zuschauern abspielt. Vor allem bei den jüngsten. Das diesjährige Highlight: Ein etwa fünfjähriger Knirps, der abseits der Spielbahn mit einem Kinderschläger versucht, den Ball zu treffen. Technisch schon ein starker Schwung, aber er will den Ball nicht so recht erwischen. Also wird er sauer und widmet seine ganze Energie der Zerstörung des Schlägers. Ganz groß.

Auch witzig: Paul Casey schlägt seinen Abschlag an der 15 irgendwo weg in die Ginsterbüsche. Als er in die Nähe kommt, sieht Casey, wie die Marshals nach dem Ball suchen. Aber nicht nur sie. Auch HRH sucht zur Überraschung mit. His Royal Highness - Prince Andrew. Dieser erzählt Casey, dass er seinen Ball auch da hin geschlagen hätte, als er eine Woche zuvor den Platz gespielt hatte. Casey: "Hast Du ihn gefunden?" Prince Andrew: "War mir zu blöd, ihn zu suchen." 

10. Ein toller 80. Platz: Beim dritten Major seiner Karriere schaffte Martin Kaymer zum zweiten Mal den Cut. Ein Erfolg. Zwar zerlegte es Deutschlands Shootingstar am Wochenende mit Runden von 79 und 77 Schlägen ziemlich - vor allem beim Putten kam Kaymer mit seinem engen Stand angesichts des Windes gar nicht klar -, aber der 80. Rang war dennoch klasse. Warum? Weil es ihm nicht nur um Siege geht und weil es mit Worten nicht zu beschreiben ist, wie schwer es gewesen sein muss, nach dem Tod seiner Mutter überhaupt anzutreten.