FC Schalke 04 - S04 nach der Entlassung von Trainer Thomas Reis: Selbst für Schalker Verhältnisse dramatisch

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Der FC Schalke hat als Tabellensechzehnter der 2. Liga Trainer Thomas Reis freigestellt. Doch nicht nur die sportliche Situation der Knappen ist dramatisch. S04 steht in vielerlei Hinsicht vor einer unklaren Zukunft.

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Es sieht beim FC Schalke 04 auch weiterhin nicht danach aus, als würde sich das Zahlenverhältnis noch einmal zugunsten der Spielzeiten drehen. Seit die Bundesliga gegründet wurde hat S04 bereits 63 Trainer angestellt - in 61 Spielzeiten. Der Nachfolger des am Mittwoch entlassenen Thomas Reis müsste also die kommenden drei Jahre überstehen, um in dieser Gegenüberstellung zumindest für den Ausgleich zu sorgen.

Dass die Gelsenkirchener ihren Trainer nach den jüngsten Entwicklungen freistellen, ist keine Überraschung mehr. Das war viel eher der Zeitpunkt, denn das letzte, bei St. Pauli verlorene Spiel lag bereits vier Tage zurück. Seitdem rangiert Schalke auf Tabellenplatz 16 und hat nach sieben Spieltagen in der 2. Liga bereits 15 Gegentore kassiert.

Die Alarmzeichen waren also längst da, dafür hätte es die Partie in Hamburg gar nicht mehr benötigt. "Wir haben kontrovers diskutiert. André hat sich die Zeit genommen, den Wochenanfang atmosphärisch auf sich wirken zu lassen", sagte am Mittwochvormittag Sportvorstand Peter Knäbel.

Der saß zusammen mit Sportdirektor André Hechelmann im Bauch der Veltins-Arena auf dem Podium, um das Aus von Reis zu kommentieren. Beide Funktionäre machten dabei keinen souveränen Eindruck. Sie blieben schmallippig und äußerten unzählige handelsübliche Floskeln. Gerade der vorherige Chefscout Hechelmann bewies nicht zum ersten Mal seine rhetorischen Schwächen.

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FC Schalke 04: S04 konnte spielerisch nicht überzeugen

Unklar blieb daher, weshalb man für die Entscheidung so lange benötigte und sie erst zwei Tage vor dem wichtigen Spiel gegen den SC Paderborn 07 traf. Denn dass die Atmosphäre rund um Schalke, insbesondere aber zwischen Mannschaft und Trainer extrem angespannt war, das dürften die Verantwortlichen schon länger gewusst haben.

Die deutlichen Aussagen von Timo Baumgartl nach der Pleite am Samstag machten die Problematik lediglich öffentlich. Der Abwehrspieler hatte Reis für seine Taktik kritisiert und wurde tags darauf zum zweiten Profi innerhalb von rund vier Wochen, den Schalke abstrafte. Zuvor traf es Torhüter Ralf Fährmann, dessen Berater gegen Reis schoss.

Das Training, die Videoanalysen, die über den gesamten Platz praktizierte Manndeckung, eine Heimreise per Bus von einem Freundschaftsspiel aus Ulm, nach der die Spieler teils erst sehr spät in der Nacht zu Hause ankamen - all dies waren Gründe dafür, weshalb sich gerade die erfahreneren Spieler zusehends gegen Reis stellten. Begleitet wurde das natürlich vom sportlichen Frust: In jeder der sieben Partien konnte Schalke spielerisch nicht überzeugen, die Gegner sich vielmehr zahlreiche Torgelegenheiten herausspielen.

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Schalke 04 unter Reis: "Menschlich wie inhaltlich festgefahren"

Auch Knäbel machte nun unmissverständlich klar: "Die Situation war menschlich wie inhaltlich festgefahren." Auf die Nachfrage, ob er dies näher erläutern kann und es nur auf das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer gemünzt ist, antwortete der 56-Jährige mit einem bissigen "Nein!" und legte später nach: "Das Verständnis kann nur derjenige haben, der entscheidet."

Die Spieler haben den Trainer entlassen - diese Schlussfolgerung ist nach den jüngsten Entwicklungen nur schwer wegzuwischen. Knäbel wehrte sich zwar dagegen, er sähe diese kausale Kette nicht. Doch wenn man die Atmosphäre zunächst wirken lassen musste, um danach festzustellen, dass die Konstellation "menschlich wie inhaltlich festgefahren" war, dann ist eine andere Interpretation beinahe abwegig.

Am Ende dürfte es auch die blanke Angst gewesen sein, die die Bosse zu diesem Schritt bewegte. Schließlich ist die aktuelle Gemengelage selbst für Schalker Verhältnisse, wo man an regelmäßige Turbulenzen gewohnt ist, dramatisch. S04 steht in vielerlei Hinsicht vor einer unklaren Zukunft.

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FC Schalke 04: Finanzlage schwebt über allem

In erster Linie betrifft dies natürlich den Sport. Zwar beträgt der Rückstand zu Rang zwei nur sechs Punkte, doch der in vielen Teilen neu und anders als im Abstiegsjahr 2021 ohne Leihspieler zusammengestellte Kader wirkt nicht stimmig. Individuell gehört er jedoch zu den Besten der Liga. Umso erschreckender sahen Schalkes bisherige Auftritte aus.

Über allem schwebt die angespannte Finanzlage der Knappen. Schalke plagen dramatisch hohe Schulden, der abermalige Abstieg war Gift für die Konsolidierungsbemühungen. Jedes weitere Jahr im Unterhaus - und zumindest momentan blickt S04 Richtung 3. Liga - würde die Existenz des Vereins bedrohen.

In Bälde wird Schalke die neueste Bilanz veröffentlichen und nicht umhin kommen, desaströse Zahlen zu präsentieren. Und dies dazu mit einer jedenfalls derzeit stattlichen Anzahl an Fragezeichen.

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FC Schalke 04 fehlt weiterhin ein Vorstandsvorsitzender

Schalke fehlt bislang ein Hauptsponsor für die kommende Saison. Der Vertrag von Knäbel, der kürzlich das "das erste Schalker Sportkonzept" vorstellte und nun die Weichen stellen muss, läuft zum Ende der Spielzeit aus. Bis zum Dezember soll über ihn entschieden werden, die Zeichen stehen mehr auf Abschied als auf Verlängerung.

Auch ein Vorstandsvorsitzender fehlt S04, nachdem der Vertrag von Dr. Bernd Schröder Ende Juli aufgelöst wurde. Axel Hefer, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, sucht seitdem erfolglos nach einem Nachfolger. Gemeinsam mit Christina Rühl-Hamers (Vorständin Finanzen, Personal und Recht) hat Knäbel zusätzlich auch noch dessen Aufgabe übernommen.

Auf der PK am Mittwoch gab Knäbel zu, dass man vom Tempo der jüngsten Entwicklungen überrascht wurde. Noch im Sommer war die Stimmung rund um Schalke hervorragend und die Ausgangslage klar: Wie auch vom Verein offensiv kommuniziert war nichts anderes als der Wiederaufstieg erwartet. Natürlich mit Trainer Reis, der nach seiner Amtsübernahme im Oktober 2022 eine tote Mannschaft zum Leben erweckte und beinahe noch den Klassenerhalt schaffte.

Nun wird der 39-jährige Hechelmann, seit Juni im Amt und noch lange nicht in seiner neuen, auf Anhieb enorm herausfordernden Rolle angekommen, in der offiziellen Pressemitteilung zu Reis' Ende mit folgendem Satz zitiert: "Deshalb haben wir uns entschieden, einen neuen Weg zu gehen." Das haben sie auf Schalke, siehe die eingangs erwähnte Statistik, schon häufiger versucht. Es ist kein neuer, sondern ein sehr, sehr alter Weg.

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FC Schalke 04: Thomas Reis und seine Statistiken als Trainer von S04

WettbewerbSpieleSiegeRemisNiederlagenPunkteschnitt
Bundesliga2367101,09
2. Liga72141,0
DFB-Pokal11--3,0
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