WM

Freshfields-Untersuchung im Überblick

SID
Die Freshfields-Kanzlei präsentierte am Freitag die Ergebnisse der Untersuchung
© getty

Die WM 2006 wurde nach Erkenntnissen der Kanzlei Freshfields nicht gekauft - aufgrund der lückenhaften Akten- und Informationslage kann ein Stimmenkauf vor der Vergabe aber auch nicht ausgeschlossen werden. Das Organisationskomitee hat die Zusagen in einem Vertragsentwurf mit dem früheren FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner zumindest "teilweise erbracht".

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Wurde das Sommermärchen gekauft?

Nein, zumindest gibt es laut Freshfields-Ermittlern dafür bislang keine eindeutigen Beweise. Der Stimmenkauf könne aufgrund der lückenhaften Akten- und Informationslage aber auch nicht ausgeschlossen werden. Dicke Fragezeichen bleiben: Bewiesen ist die aus Deutschland initiierte Zahlung von rund 6,7 Millionen Euro im Jahr 2002 über Umwege an Mohamed bin Hammam. Angeblich als Vorleistung für den 170-Millionen-Zuschuss von der FIFA. Der katarische Geschäftsmann und Strippenzieher saß damals im Exekutivkomitee des Weltverbands und in der FIFA-Finanzkommission. Er ist inzwischen aber wegen zahlreicher Korruptionsvorwürfe lebenslang gesperrt. Die FIFA selbst sah nichts von den überwiesenen Millionen.

Also gab es das Darlehen von Robert Louis-Dreyfus?

Ja. Der inzwischen verstorbene Ex-adidas-Chef überwies zehn Millionen Schweizer Franken auf das Verteilerkonto. Neu ist: Auf das gingen auch sechs Millionen Schweizer Franken von einem Oder-Konto des WM-OK-Chefs Franz Beckenbauer und dessen Berater Robert Schwan - mit dem Verwendungszweck "Erwerb von TV und Marketing Rechten Asien Spiele 2006". Initiiert habe die Überweisung Robert Schwan. Diese sechs Millionen gingen zuerst komplett nach Katar, dann sechs der zehn Louis-Dreyfus-Millionen zurück an Beckenbauer. Die restlichen vier Millionen kamen dann ebenfalls bei bin Hammam an. Der bestreitet den Eingang der Zahlung vehement.

Hat der DFB die Rückzahlung an Louis-Dreyfus vertuscht?

Ja, und laut Freshfields auch bewusst. Es stehe fest, dass die Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2005 vom WM-Organisationskomitee an die FIFA bewusst falsch deklariert worden ist. Sie war als Betrag für die FIFA-Eröffnungsgala ausgewiesen, aber für Robert Louis-Dreyfus gedacht. Der Weltverband leitete die Summe am gleichen Tag an das Dreyfus-Konto weiter - offenbar in Absprache mit Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt. Deshalb ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft, es geht um die Falschangabe in der entsprechenden Steuererklärung 2005.

Wer hatte wann Kenntnis von der Verschleierung?

Das ist "teilweise strittig", sagen die Ermittler. In jedem Fall habe Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt von dem tatsächlichen Verwendungszweck gewusst, bei allen anderen - vor allem bei Zwanziger - gebe es Indizien in beide Richtungen. Tendenz: Schmidt hat bestimmt keinen Alleingang gestartet. Beim im Herbst als DFB-Präsident zurückgetretenen Wolfgang Niersbach seien die Ermittler "trotz schwerwiegender Bedenken" zu dem Ergebnis gekommen, dass der 65-Jährige 2005 nicht zwingend wusste, dass das Geld an Louis-Dreyfus gehen sollte.

Was ist mit dem Vertrag mit Jack Warner?

Dieser bleibt laut Freshfields "rätselhaft". Der Vertrag "trat formal wohl nicht in Kraft". Die von Beckenbauer unterzeichneten Zusagen an den früheren FIFA-Vize seien aber "jedenfalls teilweise erbracht" worden. Der wirtschaftliche Gegenwert des Vertrags habe sich laut Schmidt auf 10 Millionen Mark belaufen.

Hat der DFB bei den Ermittlungen kooperiert?

Nein, im Gegenteil. Das Verschwinden wichtiger Akten hat die Ermittlungen erheblich gestört und belastet den früheren Präsidenten Wolfgang Niersbach. "Die beim DFB auffindbaren Unterlagen waren nicht vollständig. Ein Ordner zu Vorgängen, welche die FIFA im Jahr 2000 betreffen sollten, wurde allem Anschein nach im Juni 2015 ausgeliehen und konnte nicht mehr gefunden werden", steht im Abschlussbericht von Freshfields. Innerhalb des DFB sei es zudem einzelnen Nutzern "jederzeit" möglich gewesen, Daten zu entfernen. "Des Weiteren waren einzelne Dateien mit Passwörtern geschützt, deren Entschlüsselung bis heute nicht möglich war", teilte die Kanzlei mit.

Was droht Niersbach?

Der DFB prüft offenbar die Forderung nach einem Rückzug des ehemaligen DFB-Präsidenten aus der FIFA und UEFA. "Insgesamt wird es diskutiert, sachlich, juristisch und auch personell. Entscheidungen müssen gründlich überlegt sein. Es sollen dazu die entsprechenden Gremien einbezogen werden", erklärte DFB-Interimschef Reinhard Rauball. Seine Positionen in den internationalen Verbänden sind persönliche Ämter, so dass der DFB den 65-Jährigen nicht abberufen könnte.

Wie geht es nun weiter?

Das Urteil des DFB über das Verhalten von Führungspersonal in der WM-Affäre ist vernichtend. "Es war ein völliges Versagen interner Kontrollmechanismen, sowohl im WM-Organisationskomitee 2006 als auch innerhalb der DFB-Spitze", sagte Interimspräsident Rainer Koch.

"Wir brauchen Struktur-Veränderungen", forderte der designierte Präsident Reinhard Grindel. Mit Blick auf den erhofften Zuschlag für die Bewerbung des DFB um die Ausrichtung der EM-Endrunde 2024 kündigte Grindel auch an, dass ein Organisationskomitee für ein EM-Turnier in Deutschland vom DFB-Präsidium, der Revisionsabteilung des Verbandes und auch von der geplanten Ethikkomission kontrolliert werden würde.

Die Erklärung von Wolfgang Niersbach im Wortlaut

"Über die durch den Freshfields-Report dargelegten Zahlungswege aus dem Jahre 2002 habe ich erst am heutigen Tag Kenntnis erhalten. Obwohl ich noch keine Gelegenheit hatte, den gesamten Bericht zu lesen, und auch wegen eines UEFA-Termins in Nyon nicht die Pressekonferenz verfolgen konnte, fühle ich mich in meiner Überzeugung bestätigt, dass es bei der WM-Vergabe keinen Stimmenkauf gegeben hat. Der Freshfields-Bericht bestätigt auch, dass wirtschaftliche und steuerliche Angelegenheiten während meiner Tätigkeit im Organisationskomitee nicht in meiner Zuständigkeit lagen. Den Vorwurf, im Sommer 2015 meine Kollegen im DFB-Präsidium nicht zügig über die mir bis dahin bekannten Vorgänge informiert zu haben, verstehe ich. Ich habe mich zum damaligen Zeitpunkt bemüht, die Hintergründe des Sachverhalts zu recherchieren und zufriedenstellende Antworten zu erhalten, bevor ich das Präsidium informiere. Dass mir dies nicht gelungen ist, bedauere ich zutiefst. Mit meinem Rücktritt habe ich politische Verantwortung für mein Handeln übernommen. Im Rahmen zweier ausführlicher Interviews mit der Kanzlei Freshfields habe ich alles mir Mögliche getan, um die Aufklärungsarbeit zu unterstützen. Trotz der Kritik und der Entwicklung der letzten Monate, die mich persönlich sehr belastet hat, bleibt die WM 2006 in meiner Erinnerung ein einzigartiges Ereignis, für das ich in einem tollen Team mit Herz und Leidenschaft gearbeitet habe."

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