WM

Seuchenangst und Hexenkult

Von SPOX
Nicht nur Rehhagels Kicker auch ukrainische Polizisten sind vor der Schweinegrippe auf der Hut
© Imago

Gegen 2 Uhr morgens in der Nacht zum Donnerstag ist es vollbracht: Dann stehen alle 32 Teilnehmer an der 20. Fußball-WM fest. Zuvor geht es in fünf Rückspielen der Quali-Playoffs (19 Uhr im LIVE-TICKER) um die Zukunft von Otto Rehhagel, Giovanni Trapattoni und Raymond Domenech und die Frage, ob die Endrunde mit oder ohne Cristiano Ronaldo stattfinden wird. Und dann wäre da noch das Entscheidungsspiel zwischen Ägypten und Algerien.

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Algerien - Ägypten (18.30 Uhr, Omdurman im Sudan/ Entscheidungsspiel)

Alles-oder-nichts-Spiel im Sudan statt Losentscheid: Nach dem "Massaker am Nil" treffen sich die beiden nordafrikanischen Auswahl-Teams heute zum zweiten Mal binnen vier Tagen und zum dritten Mal in dieser WM-Quali. Das Spiel hält beide Nationen im Griff. Die Atmosphäre ist vergiftet.

"Das war Terror pur", sagt der algerische Abwehrspieler Anthar Yahia im SPOX-Interview. Nach den Vorkommnissen rund um die Partie in Kairo appellierte die FIFA am Tag vor dem Spiel mit einem öffentlichen Schreiben an die Vernunft beider Seiten.

Ein Polizist für zwei Fans

Das Gastgeberland wappnet sich mit 15.000 Uniformierten. Mit den zahlreichen Zivilstreifen sind etwa halb so viele Ordnungshüter im Einsatz, wie Fans erwartet werden.

Die Partie färbt sogar auf die Politik ab. Der Ton zwischen den Regierungen beider Länder wird rauer. Die Außenminister bestellten den Botschafter des Konkurrenten ein, um ihrer Beunruhigung über die jüngsten Vorkommnisse Ausdruck zu verleihen.

Ägyptische "Luftbrücke"

Damit aber nicht genug: Auf Anweisung des algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika hat die algerische Botschaft im Sudan das gesamte Kontingent von 9000 Karten auf Staatskosten gekauft. So kostet der Trip auf die andere Seite des Nil für einen algerischen Fan lediglich 200 Euro.

Beide Länder stellen alle verfügbaren Flugzeuge bereit, um die Massen zu mobilisieren. Ägyptens Verkehrsminister spricht von einer "Luftbrücke" für die Anhänger der Pharaonen-Elf.

Ukraine - Griechenland (19 Uhr, Donetsk/ Hinspiel: 0:0)

Siegen oder fliegen heißt es für Otto Rehhagel. Und zwar nicht nach Südafrika sondern hochkantig aus dem griechischen Trainersessel. Denn bei einem Scheitern in den Playoffs dürfte Schluss sein für König Otto. Bei den griechischen Journalisten hat er mit seiner Defensiv-Taktik bereits jeglichen Kredit verspielt.

Dennoch will der Europameister von 2004 auch im Rückspiel Beton anmischen. Die Spieler vertrauen Rehhakles. So sagt Angelos Charisteas: "Unser Trainer hat so viel Erfahrung. Er wird uns zeigen, wie wir die Aufgabe meistern." Teamkollege Theofanis Gekas glaubt seine Elf sogar im Vorteil, "denn die Ukraine muss das Spiel machen".

Karten kosten zwischen 165 und 665 Euro

Das dürfte der Mannschaft von Alexej Michailichenko kaum leichter fallen als den Griechen am Samstag. Zumal die Donbass-Arena in Donezk ähnlich leer sein könnte wie das Olympiastadion in Athen - von Hexenkessel keine Spur.

Grund sind die überteuerten Eintrittspreise zwischen 165 und 665 Euro. Zwar wollte Oligarch Rinat Achmetow, dem der Spitzenverein Schachtjor Donezk gehört, das gesamte Kontingent von 50.000 Karten für eine Million Euro aufkaufen, um die Tickets dann zum Stückpreis von 25 Euro zu verkaufen.

Diesem Vorhaben schob der ukrainische Verbandschef Grigori Surkis jedoch einen Riegel vor. Dessen Bruder Igor ist Chef von Dynamo Kiew. In der Ukraine steht das Wohl der Nationalmannschaft und der Fans gegenüber den  Eitelkeiten der Verbands-Oberen hintenan.

Apropos Fans: Die griechische Mannschaft muss im Rückspiel ganz ohne Unterstützung von den Rängen auskommen. Diverse Flüge von Athen nach Donetsk wurden gestrichen. Rehhagels Reisetross ließ sich vorsorglich impfen und bestritt die Reise mit Mundschutz.

Bosnien-Herzegowina - Portugal (20.45 Uhr, Zenica/ Hinspiel: 0:1)

In Bosnien geht die Angst um. Die Angst vor einer Verschwörung gegen den Verband der jungen Republik. Schuld ist ausgerechnet Cristiano Ronaldo. Der Cristiano Ronaldo, der wegen einer Knöchelverletzung erneut zum Zuschauen verdammt ist.

Denn die FIFA würde ja wohl kaum eine WM ohne den Weltfußballer 2008 austragen wollen, spekulieren die bosnischen Medien. Von derartigen Hirngespinsten lassen sich die Spieler von Miroslav Blazevic jedoch nicht aus der Ruhe bringen. "Wir werden es krachen lassen", tönt Zvjezdan Misimovic, der allerdings wegen einer im Hinspiel erlittenen Knieverletzung passen muss.

Muratovic erklärt sofortigen Rücktritt

Für den gesperrten Elvir Rahimic wird Zlatan Bajramovic auflaufen. Ebenfalls nicht spielberechtigt sind die Defensiv-Akteure Emir Spahic und Samir Muratovic, der völlig überraschend seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt hat.

In Portugal bereitet das Blatt "A Bola" die Landsleute auf das mit 15.500 Zuschauern ausverkaufte Bilino-Polje-Stadion vor: "Das wird die Hölle auf Erden." Die Mannschaft bekam das schon bei der Ankunft in Sarajevo zu spüren. Auf dem Flughafen beschimpften Dutzende Fans die Kicker der Seleccao und bewarfen sie mit Hühnerknochen, um sie zu verhexen. Das geht auch den bosnischen Volkshelden zu weit: "Unfassbar, was da los war. Bei aller Brisanz - so etwas tut man nicht", sagte Misimovic.

Neben der feindseligen Atmosphäre kommt erschwerend für Portgal hinzu, dass Deco und Hinspiel-Torschütze Bruno Alves ausfallen könnten.

Bosnien-Coach Blazevic haut schon mal kräftig auf den Putz: "Wir werden von Anfang an so viel Druck machen, dass die Portugiesen aus dem Staunen nicht herauskommen werden." Zenica werde brennen. Bei einer erfolgreichen Qualifikation sicher die ganze Nacht hindurch.

Die anderen Playoff-Duelle: Sbornaja, Equipe Tricolore, Celeste