Robert Lewandowski droht seinen Torriecher zu verlieren: Wird er für den FC Barcelona zum Problem?

Von Thomas Hindle / Patrik Eisenacher
lewy-1200
© getty

Der FC Barcelona wirkt zum Saisonstart in der Offensive ungefährlich. Auch, weil Robert Lewandowski außer Form ist.

Cookie-Einstellungen

Robert Lewandowskis Bilanz beim 2:0-Sieg des FC Barcelona gegen Cádiz am Sonntag war nicht berauschend. Von fünf Torschuss-Versuchen kam nur einer auf den Kasten. Eine Großchance vergab er, ein Tor erzielte der Pole nicht. Dafür lieferte der Ex-Bayern-Stürmer einen Assist.

Als Barça jedoch ein Tor brauchte, um das zweite 0:0-Unentschieden in zwei Spielen zum Saisonstart zu verhindern, wurde es still um Lewandowski. Er kam nur selten in den Strafraum und die wenigen Halbchancen, die er hatte, vergab er.

Stattdessen waren es Pedri und Ferran Torres, die für die Tore sorgten. Es ist die Fortsetzung eines beunruhigenden Trends für Lewandowski. Er ist am Montag 35 Jahre alt geworden und ist mittlerweile deutlich langsamer als früher. In diesem Kalenderjahr hat er bisher nur zehn Ligatore erzielt. Es ist unwahrscheinlich, dass er die 34 Tore aus dem Jahr 2022 wiederholen wird. Lewandowski wirkt sowohl am Ball als auch abseits des Balls sehr träge. Plötzlich sieht einer der ganz Großen alt aus.

Das ist natürlich ein großes Problem für Barça, das von ihm abhängig ist. Die Blaugrana haben außer Lewandowski keinen weiteren potenziellen Top-Torjäger. Der Abgang von Ousmane Dembélé, der im vergangenen Jahr zwölf Tore beisteuerte, hat den Druck nur noch erhöht. Und obwohl mit dem brasilianischen Teenager Vitor Roque im Januar 2024 ein aufregender, aber unerfahrener Spieler kommt, muss Lewandowski seine Bestform wiederfinden - sonst könnte sich Barça frühzeitig aus dem Titelrennen verabschieden.

Robert Lewandowski
© getty

Robert Lewandowski: Was ist das Problem?

Das ist kein neues Problem für Lewandowski. In den letzten beiden Spielen der LaLiga-Saison 2022/23 blieb er ohne Torerfolg. Nach der Weltmeisterschaft in Katar ging es mit seiner Form rapide bergab.

Vor dem Turnier war Lewandowski der wohl beste Spieler in LaLiga: In seinen ersten zehn Spielen für Barça erzielte er zwölf Tore und bis zur Winterpause waren es 18 in 19 Ligaspielen. Ein Blick auf die Details war sogar noch beeindruckender: Der Stürmer schoss im Durchschnitt mehr als ein Tor pro 90 Minuten, übertraf seinen xG-Wert und kreierte eine große Anzahl von Chancen. Seine Transfersumme von 45 Millionen Euro, die der FC Bayern erhielt, schien trotz seines hohen Fußballer-Alters ein Schnäppchen zu sein.

Die Weltmeisterschaft schien sich jedoch auf einige der besten Spieler in Europa auszuwirken - vor allem auf die Stürmer. Lewandowski war einer von ihnen. Nach dem Ausscheiden Polens im Achtelfinale gegen Frankreich (1:3) stürzten seine Zahlen ab. Zwischen Januar und Juni 2023 erzielte er wettbewerbsübergreifend 15 Tore, gab weniger Torschüsse ab als zuvor und auch seine Zweikampfwerte gingen zurück. Eine starke Woche im Kampf um den Titel mit vier Toren in drei Spielen war ein seltener Höhepunkt.

In dieser Saison sind die Probleme nach nur zwei Spielen ähnlich groß. Lewandowski hat noch keinen Treffer erzielt, nur zwei Schüsse aufs Tor abgegeben und im Durchschnitt weniger als 0,5 erwartete Tore pro Spiel. Der Stürmer lässt sich auch viel tiefer fallen als in der vergangenen Saison und schafft es nicht, die Schlüsselpositionen einzunehmen, die ihn zu einer so tödlichen Nummer 9 machten. Das ist auch seinem Trainer Xavi aufgefallen: "Er hat zwei oder drei klare Chancen. Er muss mehr Geduld haben und darf sich nicht so weit von seiner Position entfernen, dass der Ball nicht mehr zu ihm kommt."

dembele-1200
© getty

Lewandowskis Lieferservice Ousmane Dembélé fehlt

Lewandowskis Mangel an Toren kann jedoch nicht ausschließlich auf ihn selbst zurückgeführt werden. Spitzenstürmer müssen beliefert werden und können nur dann ihr Bestes zeigen, wenn die richtigen Spieler ihnen den Ball zur richtigen Zeit zuspielen.

In der Hälfte der letzten Saison hat Mitspieler Dembélé Lewandowski in Szene gesetzt. Der Flügelstürmer legte ihm regelmäßig die Tore auf. Der Franzose sorgte nicht immer mit einem Assist für die Tore, sondern auch mit seinen vorherigen Dribblings - so hatte Lewandowski im Strafraum Platz.

Es ist daher wenig überraschend, dass Lewandowskis Formtief mit der Langzeitverletzung von Dembélé zusammenfiel. Der französische Nationalspieler fiel fast vier Monate lang mit einem Muskelproblem aus und Lewandowski erlebte in dieser Zeit die beiden längsten Torflauten seiner Barça-Karriere. Raphinha war ein guter Ersatz, aber es fehlte ihm an Kreativität, um Lewandowski konsequent zu bedienen.

Dembélé ist inzwischen zu Paris Saint-Germain abgewandert, was den Polen weiterhin einschränkt. Hinzu kommt die kürzliche Sperre von Raphinha, der sich gegen Getafe eine Rote Karte abholte.

lewandowski-barca-1200
© getty

Mögliche Lösungen für Robert Lewandowski

Lewandowski hat in seiner beeindruckenden Karriere noch nie eine lange Durststrecke an Toren erlebt. Vor dem Einbruch in der letzten Saison hatte er seit 2018 nie mehr als drei Spiele ohne Torerfolg durchlaufen. In den letzten fünf Monaten ist ihm das nun zweimal passiert. Wenn er am Sonntag gegen den FC Villarreal nicht trifft, wird er die längste Flaute seit 2016 und die längste torlose Liga-Serie seit 2010 erleben - als er noch sporadisch für Jürgen Klopps Borussia Dortmund auflief.

Für die meisten Stürmer besteht die Lösung darin, sich aus dieser Situation herauszuschießen. In der vergangenen Saison funktionierte das bei ihm, als eine starke Woche Anfang Mai die enttäuschende Phase beendete. In dieser Zeit bekam Lewandowski schlicht mehr Bälle aufgelegt. Seine instinktive Fähigkeit hat ihn offenbar nicht einfach so verlassen.

Sein Trainer hat ihn aufgefordert, sich in bessere Positionen zu bringen: "Er hat den Ball im Zentrum und auf den Flügeln bekommen. Das Spiel erforderte ein gutes Stellungsspiel. Er hat ein Tor benötigt, genau wie alle anderen Stürmer."

Vielleicht ist es nicht ganz so einfach, denn Barcelona wird oft mit tiefstehenden Abwehrreihen konfrontiert. Sie können in der Regel nicht einfach überspielt werden und bieten wenig Räume, in die Lewandowski eindringen kann. Vielleicht ist also eine Systemumstellung notwendig.

Xavi hat die Blaugrana so eingestellt, dass sie defensiv sehr eng steht und mit vier Box-to-Box-Mittelfeldspielern agiert. In der aktuellen Barça-Mannschaft gibt es jedoch nur einen Flügelspieler. Würde man einen zweiten aufbieten, bekäme der Pole wahrscheinlich mehr Chancen. Aber bei Systemen geht es um Ausgewogenheit. Wenn ein zusätzlicher Offensivspieler hinzukommt, könnte die für Barça typische defensive Stabilität in Mitleidenschaft gezogen werden. Lewandowski muss sich also vielleicht einfach damit abfinden, dass er weniger Torchancen aufgelegt bekommt und stattdessen mehr von den wenigen nutzen, die er bekommt.

Vitor Roque
© GOAL

Das bietet Vitor Roque

Eines der wichtigsten, vielleicht unausgesprochenen Probleme ist Lewandowskis Mangel an Auszeiten. Der Stürmer wurde noch nie wirklich auf die Bank gesetzt. Die Winterpause in der Bundesliga war eigentlich perfekt, denn sie ermöglichte eine Pause in der Mitte der Saison, während andere Ligen ihre Spieler bis zur Erschöpfung auslasteten.

In LaLiga gibt es theoretisch eine ähnliche Pause. Doch die Copa del Rey bietet nur wenig Zeit zur Erholung. Hinzu kommt Barças eklatanter Mangel an Tiefe im Sturmzentrum: Ferran Torres ist nicht die Art von Stürmer, die die Katalanen brauchen - und Lewandowski wird überlastet.

Da trifft es sich gut, dass bald Verstärkungen kommen werden. Vitor Roque ist das neueste brasilianische Talent, das nach Europa wechselt. Roque, der als der nächste Ronaldo Nazario bezeichnet wird, verfügt über dasselbe Tempo und dieselbe Kraft, die "R9" in jungen Jahren so beeindruckend gemacht haben. Es gibt hier aber auch einige Vorbehalte: insbesondere, dass Ronaldo mit Sicherheit einer der besten Stürmer ist, der jemals Fußball gespielt hat - Roque kann da nicht mithalten.

Aber Roque wird in der Lage sein, Lewandowski zu ersetzen, wenn der eine Pause bracht. Der 18-Jährige hat in der Saison 2023 18 Tore für Athletico Paranaense erzielt und steht kurz davor, sich in die brasilianische Nationalmannschaft zu spielen.

Sich auf Teenager zu verlassen, ist eine riskante Angelegenheit, vor allem wenn sie noch nie in Europa gespielt haben. Doch Xavi hatte noch nie ein Problem damit, die Jugend auf den Platz zu schicken. Wenn Roque im Januar 2024 für 40 Millionen Euro kommt, wird die Blaugrana sicherlich mehr Optionen haben.

lewandowski-1200
© getty

Wie lange kann Robert Lewandowski noch auf Top-Level spielen?

Barça könnte den Wechsel von Roque auch perfekt getimt haben. Lewandowski steht noch bis zum Ende der Saison 2024/2025 unter Vertrag, mit einer Option auf ein weiteres Jahr - wenn auch zu einem geringeren Gehalt. Sollte er sich für einen Verbleib entscheiden, wird Lewandowski zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt sein und seine besten Zeiten hinter sich haben. Roque hingegen steht dann hoffentlich kurz davor, sein Potenzial auf der europäischen Bühne auszuschöpfen.

Vielleicht ist Lewandowskis Torflaute also auch hinnehmbar. In den letzten Jahren wurde viel über Barças finanzielles Missmanagement und eine Reihe von rätselhaften Transfers berichtet, die damit einhergingen. Die Blaugrana hat nicht viel Geld und kann die mühselig zusammengekratzten Münzen nicht clever ausgeben.

Sollte dies tatsächlich das Ende Lewandowskis - oder der Anfang davon - sein, ist Barça überraschend gut aufgestellt, um ihn zu ersetzen. Roque wird nicht sofort Stammspieler sein und er verfügt auch nicht über die gleichen Fähigkeiten wie Lewandowski. Er ist ein Spieler, der sich auf Tempo und Kraft verlässt; Innenverteidiger einzuschüchtern ist nicht seine Stärke. Dennoch hat er ein immenses Potenzial und sollte dem Polen zumindest zu einer Pause auf der Bank verhelfen. Vielleicht ist es das, was sein alternder Körper mehr als alles andere braucht.

Lewandowski ist noch nicht am Ende - noch nicht. Aber die letzten acht Monate haben Barça gezeigt, wie es ohne den Polen aussehen könnte. Roques frische Beine können nicht früh genug kommen.