Vitor Roque: Warum der FC Barcelona wohl bald 35 Millionen Euro für den "neuen Ronaldo" hinblättert

Von Thomas Hindle / Patrik Eisenacher
Vitor Roque
© GOAL

Der 18-jährige Vitor Roque steht unmittelbar vor einem Wechsel aus Brasilien zum FC Barcelona. Das macht den Stürmer so außergewöhnlich.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Jedes Jahr wandern viele Talente im Teenageralter aus Brasilien nach Europa ab. In der Regel sind sie äußerst hungrig auf Erfolg, schnell unterwegs, haben großes Talent - und werden früh mit einer der zahlreichen brasilianischen Legenden verglichen. Viele dieser Vergleiche stellen sich später als völlig falsch heraus. Denn natürlich können nur wenige mit den Neymars und Ronaldo Nazarios dieser Welt am Ende mithalten.

Auch Vitor Roque besitzt eine große fußballerische Ähnlichkeit zu Ronaldo. Der 18-Jährige hat außerdem eine ähnliche Geschichte wie die Legende hinter sich.

Wie Ronaldo wurde auch Vitor als Jugendlicher bei Cruzeiro entdeckt und erzielte sein erstes Tor mit nur 16 Jahren. Roque spielt mit wenigen Kontakten, beherrscht aber auch Tricks, kann Steilpässe und scharfe Zuspiele liefern - und hat gleichzeitig die nötige Physis, um den Ball abzuschirmen.

Wer also ist Vitor Roque und warum ist der FC Barcelona angeblich bereit, 35 Millionen Euro für ihn hinzublättern?

roque-jung
© getty

Vitor Roque: Wo einst alles begann

Vitor Roque wuchs in Timoteo, einer Stadt im Südosten Brasiliens auf. Sein Vater, ein ehemaliger defensiver Mittelfeldspieler im Amateurfußball, war sein größter Förderer.

Der Stürmer galt schon in jungen Jahren als hochbegabt. Er ging in die bekannte Jugend-Akademie von Cruzeiro, wechselte aber mit zehn Jahren in eine noch bessere und renommiertere Nachwuchsabteilung: in die von America Mineiro.

Dort wurde er zunächst als defensiver Mittelfeldspieler eingesetzt - also auf der Position, auf der auch sein Vater erfolgreich gewesen war. Erst später wurde er nach vorne gestellt - weiß er durch diese Erfahrung besser, wie er gegnerische Defensivspieler bearbeiten kann?

Doch schon bald kam es bei America Mineiro zum Streit. Vitor Roque wurde im Alter von 14 Jahren als großes Talent gehandelt, entschied aber, dass Mineiro nicht der perfekte Klub für ihn sei. Stattdessen wechselte er zurück zu Cruzeiro und unterschrieb im März 2019 dort einen Jugendvertrag.

Dieser Wechsel verärgerte Mineiro sehr. Denn der Klub ahnte schon, welches Niveau der Stürmer einmal erreichen könnte - und wollte deshalb einen Anteil an seinen Transferrechten behalten. Letztlich wurde America Mineiro vor Gericht 35 Prozent an den künftigen Transfers zugesprochen. Allein das zeigt, wie außergewöhnlich Vitor Roque bereits damals war.

Cruzeiro machte ihn in der Folge nur noch besser - im Mai 2021 unterzeichnete er seinen ersten Profivertrag. Bis April 2022 hatte er in 16 Einsätzen bereits sechs Tore erzielt.

Vitor Roque
© getty

Vitor Roque: Der große Durchbruch bei Athletico Paranaense

Der vielleicht größte Entwicklungssprung in Vitor Roques bisheriger Karriere erfolgte jedoch nach einem Vereinswechsel. Im April 2022 schlug Athletico Paranaense für 4,4 Millionen Euro zu und holte ihn. Der Verein stand damals im nationalen Pokalfinale und ist nach wie vor Stammgast in der südamerikanischen Champions League, der Copa Libertadores.

Ein Schritt, der sich für den Verein wie auch für den Spieler gelohnt hat. Vitor Roque wurde zwar nicht sofort zum Stammspieler, überzeugte bei seinen Einsätzen von der Bank aus. In der Saison 2022 erzielte er sieben Tore und lieferte drei Vorlagen, darunter den Siegtreffer im Viertelfinale der Copa Libertadores gegen Estudiantes aus Argentinien.

Damals wurde er auch zum Stammspieler in Brasiliens U20-Nationalteam, an der Seite von Andrey Santos, der nun dem FC Chelsea gehört. Auch Ronaldo, Besitzer seines Ex-Klubs Cruzeiro, lobte Vitor Roque: "Er wird ein sehr hohes Niveau erreichen."

Vitor Roque
© getty

Vitor Roque: Bereits brasilianischer Nationalspieler

Schon bald kamen die ersten Gerüchte über Wechsel zu europäischen Top-Klubs auf, vor allem Vereine aus der Premier League und LaLiga wurden genannt. Aber mit dieser Last ist der junge Mann gut zurechtgekommen. Sicherlich hat es ihm geholfen, dass er vom ehemaligen brasilianischen Nationaltrainer Luis Felipe Scolari trainiert wird. Denn der vermied es, Roque mit zu viel Lob zu überschütten. "Er wird sich noch deutlich entwickeln. Brasilien wird viel Freude an ihm haben und wir werden sehen, wie gut er sich weiterentwickelt", sagte der Athletico-Trainer im Juli 2022.

In der laufenden Saison hat der Stürmer in acht Serie-A-Einsätzen sieben Tore erzielt und wurde im März in die brasilianische A-Nationalmannschaft berufen, in der er bei der 1:2-Niederlage gegen Marokko 26 Minuten spielte.

Jetzt soll er mit einem Wechsel über den Atlantik belohnt werden: Der FC Barcelona steht kurz vor einem 35-Millionen-Euro-Deal mit Athletico.

Vitor Roque
© getty

Vitor Roques große Stärken

Vitor Roque vereint zwei entscheidende Faktoren, um im modernen Fußball erfolgreich zu sein: Körperlichkeit und Geschicklichkeit. Der Stürmer ist in der Lage, den Ball unter Druck anzunehmen und an seinem Gegenspieler vorbeizustürmen, indem er den Ball rechts vorbei schiebt und die meisten Gegner dank seiner Schnelligkeit dann einfach überläuft.

Er verfügt zudem über einen hervorragenden Abschluss mit seinem rechten Fuß. Trotz seinen 1,72 Metern (nur zwei Zentimeter größer als Lionel Messi) ist er auch in der Luft nicht zu unterschätzen. Sein linker Fuß ist auch alles andere als unbrauchbar. Und klar, ein bisschen wird er noch wachsen.

Der Brasilianer ist zudem ein unterschätzter Passgeber. Obwohl seine Zukunft sicherlich auf der Position des Mittelstürmers liegt, kann Vitor auch auf dem Flügel spielen und ist ein guter Flankengeber. Aber es ist seine Schnelligkeit, die auf diesem Niveau hervorsticht.

Vitor Roque
© getty

Vitor Roque: Hier kann er sich noch verbessern

Manchmal ist der Brasilianer allerdings noch etwas zu hektisch und trifft dann keine guten Entscheidungen. In Europa muss er noch lernen, sich seine Kraft und Energie einzuteilen. Ähnlich wie Vinícius Jr. in früheren Jahren leistet er sich noch zu viele Fehler.

Auch Vitor Roques Ballbehandlung ist nicht unbedingt herausragend. Einer seiner Tricks: sich denn Ball relativ weit vorlegen, um dann den Gegner zu überrennen. Nicht schlecht - aber mit Barcelona wird er eher auf tief stehende Abwehrreihen treffen, bei denen dieser 'Trick' unbrauchbar ist.

Mit dem Ball am Fuß fühlt er sich nicht unbedingt wohl, sondern ist ein Abschlussspieler - ein schneller Robert Lewandowski sozusagen. Dass dieser Spielstil auch bei Barça aufgehen kann, zeigt der Pole unter der Taktik von Trainer Xavi, die nicht gerade nach dem einstigen Tiki Taka aussieht, sondern eher nach einem Mourinho-Bus.

Doch gerade unter Xavi wird sich Vitor Roque sicherlich schnell weiterentwickeln.

Sergio Aguero
© getty

Vitor Roque, der nächste ... Sergio Agüero?

Die Ronaldo-Vergleiche sind zu einfach, nicht zuletzt wegen Vitor Roques persönlicher Geschichte. Aber realistisch betrachtet ähnelt er eher Sergio Agüero, dem einstigen argentinischen Stürmer von Atlético Madrid, Manchester City und auch vom FC Barcelona.

Beide sind nur knapp über 1,70 Meter groß und verfügen über eine ähnliche Mischung aus direktem Passspiel und Körperlichkeit. Vitors clevere Bewegungen im Strafraum erinnern an den argentinischen Star. Auch die Tendenz, es im Zweifelsfall einfach mal mit einem Torschuss zu versuchen, ist ähnlich.

Agüero ist zwar keine Legende vom Kaliber eines R9, hat aber dennoch fast 200 Premier-League-Tore erzielt und war einer der besten Stürmer seiner Generation. Sollte Roque ein ähnliches Level erreichen, wäre er sicher überglücklich.

Vitor Roque
© getty

Vitor Roque: Das nächste Abenteuer beim FC Barcelona

Roque wird wohl in den kommenden Wochen zu Barça wechseln, obwohl der spanische Meister noch einige finanzielle Hürden überwinden muss.

Mit seinen 18 Jahren könnte der Stürmer sofort nach Europa gehen. Doch Berichten zufolge möchte Athletico seinen Spieler noch bis zum Ende der Saison 2023 ausleihen, um den Einzug ins Finale der Copa Libertadores aus der letzten Saison zu wiederholen. Der Brasilianer könnte dann im Januar 2024 nach Katalonien kommen.

Unabhängig davon, wann Vitor Roque schließlich im Camp Nou eintreffen wird, soll er unter Robert Lewandowski lernen und ihn früher oder später aus der Stammelf verdrängen. Wenn er einmal an Ronaldos, Agüeros oder Lewandowskis Leistungen und Erfolge anknüpfen sollte, weil er sich viel von ihnen abgeschaut hat, sichert sich der FC Barcelona mit ihm bald ein Juwel, das die geforderten 35 Millionen Euro mit Sicherheit wert ist.