"Mario weckt den Hunger nach Erfolg"

Von Interview: Jochen Tittmar
Marvin Compper wechselte vergangenen Winter von Hoffenheim in die schöne Toskana
© getty

Seit Januar spielt Marvin Compper in der Serie A beim AC Florenz. Im Interview mit SPOX spricht der 28-Jährige über den Hype um Mario Gomez, sein Image als angeblicher "Lustlos-Profi", die Zeit mit Rangnick und seine Nationalmannschaftskarriere.

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SPOX: Herr Compper, hat sich in Florenz der Hype um die Verpflichtung von Mario Gomez mittlerweile wieder etwas gelegt?

Marvin Compper: Da wir nach seiner Präsentation fast einen Monat lang im Trainingslager weilten, haben wir das nicht mehr so intensiv weiterverfolgen können. Im Trainingslager selbst waren sehr, sehr viele Menschen - weil Mario bei den Fans den Hunger nach Erfolgen geweckt hat.

SPOX: Wie haben Sie erfahren, dass er nach Florenz wechselt?

Compper: Ich hatte zu ihm kurz bevor es fix war erstmals Kontakt. Er hat sich aber nicht bei mir erkundigt, sondern die Entscheidung bereits getroffen. Er hat sich bislang sehr schnell integriert und spricht schon die ersten Brocken italienisch. Es wird nicht lange dauern, bis er mit allen kommunizieren kann.

SPOX: Vincenzo Montella wird Gomez' neuer Trainer sein. Er gehört zu den aufstrebenden jungen Coaches in Italien. Können Sie ihn bitte einmal näher beschreiben?

Compper: Er ist ein sehr ruhiger und besonnener Typ, der viel Eigeninitiative der Spieler verlangt. Gerade, wenn es um taktische Dinge geht: Wir sollen ihm beispielsweise bei Standards sagen, wie wir uns in diesen Situationen fühlen und was wir verändern würden. Man merkt, dass er einer von uns ist und vor kurzem selbst noch Spieler war. Zeitgleich hat er sich bereits die notwendige Distanz angeeignet, so dass man weiß: Er ist der Boss.

SPOX: Wie würden Sie seine Anschauung vom Fußball erklären?

Compper: Unsere Mannschaft lebt sehr vom Ballbesitz. Es gab in der vergangenen Saison eine Partie gegen den AC Milan, da bekamen wir nach 40 Minuten einen Platzverweis und hatten am Ende des Spiels dennoch 60 Prozent Ballbesitz. Wir halten den Ball lange, sind geduldig und versuchen, auf die entscheidende Situation zu warten. Da orientieren wir uns ganz klar am spanischen Fußball.

SPOX: Sie sind jetzt seit Januar in Florenz und gegen Ende der letzten Saison auch regelmäßig zum Einsatz gekommen. Wie schätzen Sie derzeit Ihre Perspektiven ein?

Compper: Ich bin zuversichtlich und zufrieden mit meiner Vorbereitung. Ich denke, ich habe die Leistung gebracht, die von mir erwartet wird. Ich rechne mir daher gute Chancen aus zu spielen - als linker Innenverteidiger in der Vierer- oder Dreierkette. Ich möchte hier den nächsten Schritt machen und zum Stammspieler werden.

SPOX: Die italienische Liga hängt seit ein paar Jahren der Konkurrenz sportlich etwas hinterher. Welche Eindrücke haben Sie bislang aus Ihrer neuen Wahlheimat aufgeschnappt?

Compper: Den Italienern ist schon bewusst, dass sie ins Hintertreffen geraten sind. Man ist nun aber bereit und offen genug zur Veränderung. Deutschland stellt in dieser Hinsicht das Vorbild dar, da alle extrem angetan davon waren, auf welche Art und Weise die beiden deutschen Teams ins Champions-League-Finale eingezogen sind.

SPOX: Da wird vor allem die Pleite für Juventus gegen die Bayern ordentlich Eindruck hinterlassen haben, oder?

Compper: Absolut. Italien war regelrecht baff, wie dominant die Bayern in beiden Partien gegen das Team auftraten, das hier über den grünen Klee gelobt wird. Es herrscht nun eine gewisse Aufbruchsstimmung bei den Vereinen. Das zeigt sich auch daran, welche hochkarätigen Spieler den Weg in die Serie A gewählt haben. Es ist allerdings schade, dass die Tickets hier so teuer und die Stadien meist nicht ausverkauft sind. Da besteht noch Nachholbedarf.

SPOX: Stichwort "baff": Das war man im letzten Winter auch in Deutschland, als es hieß, Sie seien in Hoffenheim suspendiert worden, weil Sie sich für den Kampf um den Klassenerhalt nicht mehr motivieren konnten. Kurz darauf haben Sie dann in Florenz unterschrieben.

Compper: Es wurde mir negativ ausgelegt, dass ich mich dazu dann nicht mehr geäußert habe. Ich wollte meinen eigenen Ruf nicht ohne Rücksicht auf Verluste, wie das vielleicht einige andere Spieler tun würden, aufpolieren. Meine Leistungen und ich selbst wurden und werden in Deutschland sowieso kritisch betrachtet. Ich habe mir gesagt, dass ich die Kritik und die falschen Meinungen über mich schlucken und akzeptieren kann. Ich wollte mit weiteren Aussagen keine Unruhe stiften, damit das Thema in Hoffenheim eben auch schneller beendet werden kann.

SPOX: Sie standen als Spieler, der keinen Bock mehr hat, am Pranger.

Compper: Wenn man meine Aussagen und mein Verhalten in den Jahren in der Bundesliga verfolgt hat, kann man sich ein Bild machen, welche Art Mensch und welcher Typ Spieler ich bin. Wenn dann ein einziges Zitat oder eine Formulierung all dies über den Haufen werfen kann, ist das schade und bestätigt mich darin, dass viele Menschen leider kein richtiges Bild von mir haben. Es werden eben schnell Urteile gefällt, ohne die Details aus dem Hintergrund zu kennen.

Seite 2: Compper über Hoffenheim, Rangnick und das DFB-Team