Lyon und das verflixte achte Jahr

Von Tobias Hock
Olypmique Lyon 2009: verzweifelte Blicke und hilflose Gesten
© Getty

In Frankreich bahnt sich eine Fußball-Revolution an: Erstmals seit sieben Jahren dürfte der Meister der Ligue 1 nicht Olympique Lyon heißen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Dass außer Karim Benzema kein Spieler das Tor trifft, reicht als Erklärung bei weitem nicht aus.

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Was ist aus dem Fußball geworden? Ehemals unveränderliche Tatsachen verlieren ihre Gültigkeit und eiserne Regeln geraten ins Schwanken. "Am Ende gewinnen immer die Deutschen" bewahrheitete sich letztmals bei der EM 1996. "Das nächste Spiel ist immer das schwerste" gilt nur vor einer Partie gegen Barca und zu allem Überfluss kommt der französische Meister 2009 wohl nicht aus Lyon.

Sieben lange Jahre zeigte sich beim Blick nach Frankreich das gewohnte Bild: Ganz oben steht Olympique Lyonnais, irgendwo dahinter die Traditionsvereine aus Marseille, Bordeaux und Paris. Die Ligue 1 war eine immer gleiche, fast beruhigende Erscheinung im hektischen Fußball-Alltag.

Nach dem enttäuschenden 0:0 gegen den direkten Konkurrenten PSG am vergangenen Wochenende liegt der Serienmeister fünf Spieltage vor Schluss nur auf Rang drei und hat bereits sieben Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Marseille.

Die Verfolger im Nacken

Girondins Bordeaux auf Platz zwei ist ebenfalls schon sieben Zähler enteilt. Der Wunsch des ehemaligen Marseille-Trainers Jose Anigo könnte sich demnach erfüllen: "Alle haben Lust, dass Lyon mal so richtig auf die Schnauze fällt."

Denn nicht nur die Titelverteidigung ist mittlerweile in weite Ferne gerückt, auch die Champions-League-Qualifikation und sogar der UEFA-Cup könnten verpasst werden, denn Paris und Toulouse sitzen OL im Nacken.

Ein Albtraum-Szenario für Lyon. Ist dies der Anfang vom Ende einer beispiellosen Dominanz? Wo liegen die Gründe für die Krise und wie geht es weiter?

Benzema als Alleinunterhalter

Aus rein sportlicher Sicht lässt sich die derzeitige Situation mit einer simplen Formel beschreiben: Lyon hat Ladehemmung. Während die Abwehr-Reihe um Cris und Boumsong im Verbund mit Mittelfeldabräumer Toulalan durchaus im Soll liegt, ist die ehemalige Torfabrik der Liga ein Schatten früherer Tage.

Von den ersten sechs der Tabelle hat lediglich der FC Toulouse weniger Treffer erzielt als der Titelverteidiger. Der einzige Offensiv-Spieler der höchsten nationalen und europäischen Ansprüchen genügt ist mit 14 Toren Karim Benzema.

Juninho und das Alter

Unterstützung für das talentierte Eigengewächs bieten auch die absoluten Identifikationsfiguren des Klubs derzeit nicht. Juninho und Sidney Govou, die bei allen sieben Meisterschaften von OL dabei waren, können den Topstürmer nicht wie gewohnt entlasten.   

Der Brasilianer Juninho schießt zwar immer noch die vielleicht besten Freistöße der Welt und machte immerhin fünf Tore, erreicht mit seinen bald 35 Jahren aber nicht mehr das alte Leistungs-Niveau.

Gouvou und die Verletzungen

Gouvou wird dagegen immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen und fällt schon seit Mitte Januar mit einem Achillessehnen-Riss aus.

Der französische Nationalspieler stand diese Saison erst elf Mal auf dem Platz und erzielte noch kein Tor. Außer dem Brasilianer Ederson (5 Treffer) und 14-Millionen-Einkauf Makoun (4Treffer) entwickelt kein einziger Spieler Gefahr. Olympique Lyon ist in der Offensive abhängig von seinem 21-jährigen Alleinunterhalter.

Personal-Politik mit Fragezeichen

Zweifelhaft erscheinen in diesem Zusammenhang die Transferaktivitäten des Klubs. Vor der Runde wurde mit Hatem Ben Arfa ein Stammspieler aus dem eigenen Nachwuchs an Olympique de Marseille verkauft. Das Ergebnis dieses Wechsels: Der Konkurrent ist Tabellenführer und der 22-jährige Nationalspieler machte bereits sechs Tore für seinen neuen Verein.

Darüber hinaus wurde in der Winterpause der Brasilianer Fred in seine Heimat geschickt - ein Spieler, der seit Jahren etwa zehn Treffer pro Saison beisteuert. Die Sturm-Probleme beim amtierenden Meister sind hausgemacht.