Internet-Lachnummer statt "Bedrohung"! Wie Antony bei Manchester United auf den Spuren von Harry Maguire wandelt

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Trainer Erik ten Hag sah in ihm "eine Bedrohung für die Premier League", doch in seiner zweiten Saison bei Manchester United steht Antony noch immer ohne Tor und Vorlage da. Stattdessen ist der 95-Millionen-Euro-Einkauf wie sein Teamkollege Harry Maguire zur Internet-Lachnummer verkommen.

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Es begann mit kurzen Videosequenzen, die die Realität abbildeten. Sie zeigen Anthony, wie er in Eins-gegen-eins-Duellen scheitert, teilweise auf kuriose Art und Weise. Mit der Zeit wurden es immer mehr. Die einschlägigen Internetportale, auf denen solche sogenannten Memes verbreitet werden, sind mittlerweile voll davon.

Zuletzt kamen Postings hinzu, die den Flügelspieler von Manchester United zur Internet-Lachnummer verkommen lassen. Da wird beispielsweise eine Flugroute von Manchester nach Dublin nachgezeichnet, auf der das Flugzeug kurz vor dem Ziel eine Dauerschleife dreht. Überschrieben ist der - in diesem Fall - Tweet mit: "Wenn Antony ein Pilot wäre."Auch eine Variante mit Antony als Auto kursierte.

Seinen Ursprung hat dieser Witz im Oktober 2022, als die Red Devils in der Europa League vor heimischem Publikum gegen Sheriff Tiraspol antraten. Antony erhielt in der 37. Minute den Ball auf der rechten Seite, dann drehte er im Stand mit Kugel am Fuß zwei Pirouetten, ehe er einen zu steilen Steilpass spielte.

Das Publikum in Old Trafford johlte. Antony hat diese Drehungen seit Kindesbeinen im Repertoire, als er aufgewachsen in einer Favela in São Paulo mit dem Futsal begann. Sein Aufstieg ins höchste europäische Regal ist zweifelsohne bewundernswert und das war zu jener Zeit auch die Startphase bei United, wohin er im Sommer für unglaubliche 95 Millionen Euro Ablöse von Ajax Amsterdam gewechselt war.

Antony, Manchester United
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Antony bei Manchester United: "Er wird eine Bedrohung für die Premier League sein"

Antony schrieb in Manchester auf Anhieb Geschichte. Nie zuvor war es einem United-Neuzugang gelungen, in den ersten drei Premier-League-Spielen zu treffen. Der Brasilianer verzückte mit denselben Stärken, die ihn bei Ajax - auch dort unter Trainer Erik ten Hag - zu einem Unterschiedsspieler machten: das Dribbling, die Pässe und Hereingaben, die Kaltschnäuzigkeit vor dem Kasten, seine gesamte Effektivität in den Aktionen.

Ten Hag sah sich bestätigt, das "fehlende Puzzlestück" für seine Mannschaft bekommen zu haben. Der Niederländer lehnte sich für seine Verhältnisse zugleich weit aus dem Fenster: "Man sieht schon sein Potenzial. Er wird eine Bedrohung für die Premier League sein."

Zwar verspottete ihn Manchester-Legende Paul Scholes schon nach der 720-Grad-Wendung als einen "Clown", doch da war noch nicht abzusehen, in welchem Maße der Brasilianer bei und mit United abstürzen wird. In diesen Tagen, gut eineinhalb Jahren nach seiner Ankunft in England, wandelt Antony auf den Spuren von Harry Maguire, der über Jahre zur Zielscheibe von Hohn und Spott im Netz geworden war.

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Manchester United ließ sich von Ajax Amsterdam bei Antony abzocken

Nach 1234 Einsatzminuten, verteilt über 22 Pflichtspiele (15 davon in der Startelf), steht der bald 24-Jährige noch ohne einen Treffer und eine Vorlage da. Das ist ein schauderhaftes Zeugnis für einen Offensivspieler, der den Verein so viel Geld kostete.

Doch in diesem Punkt muss man Antony zugute halten: Auch er kann freilich nichts für den hohen Preis. Vielmehr leidet der 15-fache Nationalspieler unter Uniteds Dummheit, man kann es kaum anders ausdrücken. Die Red Devils haben sich in ihrer damaligen Panik, kurz vor Transferschluss noch einen hochkarätigen Spieler verpflichten zu müssen, von Ajax schlicht abzocken lassen.

Jetzt hat Antony nicht nur die Last der exorbitanten Ablösesumme zu tragen, die allein schon ausreichen würde, um sich nach weniger überzeugenden Leistungen mit vielerlei kritischen Stimmen auseinandersetzen zu müssen. Erschwerend hinzu kommt: Die weniger überzeugenden Leistungen sind keine Ausnahme mehr, sondern längst zur Regel verkommen.

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Das Spiel von Antony bei Manchester United ist dechiffriert

Bei Antony ist keine Weiterentwicklung zu sehen, bestenfalls Stagnation. Damit steht er zugleich sinnbildlich für den gesamten Verein: Auch Manchester unternimmt viel, um wieder zu altem Glanz zurückzukehren, doch konstant gelingen will das (noch) nicht. In diese Saison ist United so schwach gestartet wie zuletzt 1962.

Dazu ist Antonys Spiel zu eindimensional, viele Verteidiger in der Premier League haben seine Bewegungen dechiffriert. Er ist oft vorhersehbar in seinen Aktionen, meist ist in Ballbesitz sein Ziel, nach innen zu ziehen. Sein rechter Fuß ist schwach und er lässt die nötige Geradlinigkeit vermissen, die er in einer solchen Liga zwingend an den Tag legen müsste.

Doch zu Antony gehören eben auch die Kunststückchen und Emotionen. Wenn es jedoch mit den Tricks nicht klappt - und das tut es derzeit ständig, siehe die zahlreichen Memes im Internet -, dann bricht in ihm oft auch der Hitzkopf durch. Dies geht einher mit einer schlechten Körpersprache, sein Fokus aufs Wesentliche geht verloren.

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Antony "hat nicht die Leistung gebracht, die man von ihm erwarten sollte"

"Ich denke, es ist ganz einfach", sagte ten Hag zuletzt über ihn. "Seine Probleme abseits des Platzes halten ihn davon ab, gut zu spielen." Was der Coach damit meint, sind vehemente Gewaltvorwürfe zweier Frauen, aufgrund derer polizeiliche Ermittlungen gegen Antony laufen - derzeit noch ergebnislos.

United zog ihn darauf im vergangenen Herbst vorläufig aus dem Verkehr. "Von dem Moment an, als er zurückkam, hat er nicht die Leistung gebracht, die man von ihm erwarten sollte. Es hatte definitiv einen Einfluss auf ihn. Er muss damit umgehen. Er hat die Probleme verursacht, er muss sie in den Griff bekommen, aber er muss auch auf dem Spielfeld besser werden", sagte ten Hag.

Bis 2027 ist Antony noch an den Klub gebunden. Die Chancen stehen aktuell gut, dass der 23-Jährige nicht nur als eines der größten Missverständnisse in die Vereinsannalen eingehen wird, sondern womöglich auch als größter Ladenhüter. So häuften sich die Medienberichte, nach denen ManUnited versucht, den Spieler andernorts anzubieten - unter anderem in Saudi-Arabien.

Acht Tore und drei Assists in 66 Pflichtspielen für United hat Antony momentan zustande gebracht. Mehr als 8,5 Millionen Euro ließ sich der Klub also jede Torbeteiligung bislang kosten. Noch sind Formalitäten zu klären, doch aller Voraussicht nach wird die INEOS-Gruppe um Milliardär Jim Ratcliffe bald das sportliche Sagen in Manchester haben. Verwandelt sich Antony nicht zügig wieder in den Spieler zurück, der er zu Beginn seiner Zeit in England war und liefert stattdessen weiteres Meme-Material, dürfte sich der Klub der vermeintlichen "Bedrohung" in Bälde entledigen.

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Antony: Die Statistiken seiner Karriere als Profi

VereinPflichtspieleToreVorlagen
FC Sao Paulo3846
Ajax Amsterdam822422
Manchester United6683