Scott Parker: Der Anti-Ronaldo

Von Matthias Kohlmaier
Unter Englands Fußballjournalisten ist er der Spieler des Jahres: Scott Parker
© Getty

Mit West Ham United konnte er den Abstieg nicht verhindern, trotzdem wurde Scott Parker von der englischen Football Writers' Association zum Spieler des Jahres gewählt. Nicht zuletzt, weil er mit Cristiano Ronaldo so gar nichts gemeinsam hat. Porträt eines Spielers, der für den Fußball lebt.

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"Ich dachte: 'Was passiert hier?' Ich bin Scott Parker, kämpfe mit West Ham gegen den Abstieg und gewinne diesen Preis." Selbst als er die Trophäe in Händen hielt, konnte Scott Parker immer noch nicht begreifen, warum Englands Fußballjournalisten ihn zum besten Spieler der Saison gekürt hatten. Keinen der Ballzauberer von einem der Top-Klubs, sondern ihn, den ehrlichen Arbeiter von West Ham United.

Scott Parker hat seine 13. Spielzeit im englischen Profifußball hinter sich und einer für die magischen Momente war er noch nie. Parker war immer derjenige gewesen, der rennt, grätscht und kämpft bis zum Umfallen. Die Engländer nennen einen wie ihn Box-to-Box-Player. Er beackert den gesamten Bereich zwischen dem eigenen und dem gegnerischen Sechzehner - und stellt sich dabei immer in den Dienst der Mannschaft.

Spieler, Kapitän und Coach

"Er gibt nie auf und geht immer mit gutem Beispiel voran. Diese Eigenschaften imponieren den Engländern", sagt auch SPOX' Premiere-League-Kolumnist Raphael Honigstein. Scott Parker ist ein echter Leader, das hat er besonders in der vergangenen Saison unter Beweis gestellt. In einer schwachen Truppe war er nicht nur der herausragende Akteur und Kapitän, sondern übernahm teilweise sogar die Aufgaben seines Coaches.

Als Parkers Hammers am 27. Spieltag bei West Bromwich Albion zur Halbzeit mit 0:3 in Rückstand lagen, war es nicht Trainer Avram Grant, der seine Spieler in der Kabine wachrüttelte. Parker hielt eine Ansprache, die von einigen Mannschaftskollegen später mit den Reden Winston Churchills verglichen wurde. "Wären Sie dabei gewesen, es hätte ihnen die Tränen in die Augen getrieben", erklärte Parkers Mitspieler Carlton Cole nach der Begegnung vor einigen Journalisten.

Parkers Rede zeigte Wirkung. Die Hammers kamen wie verwandelt aus der Kabine und holten am Ende ein 3:3, der mittlerweile zu Newcastle United abgewanderte Demba Ba erzielte einen Doppelpack. Wie es mit Parker nach dem Abstieg der Hammers weitergeht, ist indes noch ungewiss.

Wohin geht die Reise?

Arsenal, Tottenham Hotspur und Liverpool sollen angeblich an Parker dran sein. Wenn man allerdings Raphael Honigstein glauben mag, ist Parkers Abgang aus West Ham längst nicht beschlossene Sache: "Ich glaube nicht, dass der ganz große Deal zustande kommt. Liverpool hat gerade Henderson verpflichtet, bei den Spurs wäre wohl nur Platz für ihn, falls sie tatsächlich Modric abgeben."

Sollte es mit einem Wechsel in die Premier League nicht klappen, hat Parker allerdings ein Problem. "Ich liebe es, für England zu spielen", sagte er nach seinem letzten Länderspieleinsatz gegen die Schweiz. Parker will zur EURO 2012, als Spieler eines Zweitligisten ein ziemlich unrealistisches Ziel. Mit seinen 31 Jahren ist es vermutlich seine letzte Chance auf ein großes Turnier im Trikot der Three Lions.

Fenerbahce keine Alternative

Ein Wechsel ins Ausland scheint für Parker grundsätzlich nicht in Frage zu kommen. Ein Angebot von Fenerbahce lehnte er kürzlich umgehend ab. In West Ham hat er außerdem auch noch einen gültigen Vertrag bis 2014 - und nachdem ihn die Hammers 2007 für 9 Millionen Euro geholt haben, wird der Verein bei einem Transfer mit Sicherheit auch keine Verluste machen wollen.

Wie es aussiegt, könnte Parker also auch jetzt ein erfolgreiches Engagement bei einem Top-Klub in der Premier League verwehrt bleiben. 2003 hatte er bereits beim FC Chelsea angeheuert, konnte aber in zwei Spielzeiten nicht am Stammplatz von Claude Makelele rütteln. Über Newcastle United verschlug es ihn in der Folge nach West Ham.

Curbishley: "Der komplette Mittelfeldspieler"

Zu den Hammers geholt hat ihn Trainer Alan Curbishley, mit dem Parkers gesamte Karriere eng verbunden ist. Unter ihm reifte der damals 18-Jährige in Charlton zum Profi heran. Erst kürzlich sagte Curbishley über Parker: "Er ist für mich der komplette Mittelfeldspieler. Er kann verteidigen, rennt das ganze Spiel den Platz rauf und runter und hat außerdem einen guten Schuss."

Parkers Leistungen in der vergangenen Saison werden umso überragender, wenn man einen Blick auf seine private Situation wirft. Am 19. März 2011 verstarb Parkers Vater Mick nach langer Krankheit. Parker stand nur wenige Stunden nach dessen Tod auf dem Fußballplatz und war beim 0:0 gegen die Tottenham Hotspur einer der Besten seines Teams.

Parker: "Er hätte gewollt, dass ich spiele"

Wenige Tage später lief er auch für England im Freundschaftsspiel gegen Wales auf. "Ich bin sehr traurig, dass mich mein Vater heute nicht im Trikot der Nationalmannschaft sehen konnte. Er hätte gewollt, dass ich spiele. Heute war ich nur für ihn da draußen", sagte Parker nach dem 2:0-Sieg der Engländer.

Scott Parkers Geschichte ist die Geschichte von dem tapferen Helden, der sein Team trotz privater Trauer nicht im Stich lässt. Der auch im Erfolg immer der bescheidene Junge von nebenan bleibt, mit dem jeder Fan sofort ein Bier trinken gehen würde.

Auf seine berühmte Halbzeitansprache gegen West Brom angesprochen, lächelte er beim Gala Dinner der Football Writers' Association Awards nur verlegen und gab zu: "Ich habe schon öfter solche Reden vor der Mannschaft gehalten, das hat nicht jedes Mal so toll funktioniert."

Vorgänger: Rooney, Gerrard und Ronaldo

In den vergangenen drei Jahren ging der FWA-Award übrigens an Wayne Rooney, Steven Gerrard und Cristiano Ronaldo. Besonders im Jahr 2008 sorgte Ronaldo - damals noch in Diensten von Manchester United - für Empörung beim Gala Dinner.

Er trat mit einer ganzen Armada portugiesischer Halbstarker auf und nahm am Ehrentisch neben Englands Fußball-Ikone Sir Bobby Charlton Platz. Als Ronaldo seinen Preis bekommen hatte, verschwand er sofort samt seiner ganzen Entourage und ließ den völlig verdutzten Bobby Charlton alleine sitzen. Das haben ihm viele englische Fans bis heute nicht verziehen.

Auf einer Stufe mit Bobby Moore?

Bei Parker dagegen konnte jeder sehen, dass er ob seiner Auszeichnung wirklich sehr ergriffen war. "Als ich erfahren habe, dass Bobby Moore der letzte West-Ham-Spieler war, der diesen Preis gewonnen hat, hat mich das vollkommen überwältigt", ließ Parker seinen Emotionen nach der Verleihung freien Lauf. Moore absolvierte 544 Spiele für die Hammers und war Teil der englischen Weltmeistermannschaft von 1966.

Parker ist ein Musterprofi ohne Skandale, das mag mancher etwas langweilig finden. Aber er lebt für den Fußball, für sein Team. Und auch, wenn seine Zukunft noch nicht geklärt ist, scheint eine Sache klar: Egal, bei welchem Verein Scott Parker in der kommenden Saison spielt, er wird sich die Seele aus dem Leib rennen.

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