Namhafte Klubs in der Krise: Schalke, Union, Ajax und Co. im freien Fall

Von Matt O'Connor-Simpson und Falko Blöding
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Quer durch Europas Ligen schwächeln (ehemalige) Spitzenklubs: Vereine, die einen großen Namen haben oder vor nicht allzu langer Zeit noch um Titel kämpften oder im Europapokal an den Start gingen. Der Misserfolg eint sie, die Ursachen sind vielfältig.

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Schlechte Entscheidungen des Managements, miese Transfers, Verletzungsprobleme - oder sogar ein Cocktail daraus: Die unterschiedlichsten Faktoren sind dafür verantwortlich, warum es aktuell bei Union Berlin oder dem letztjährigen PSG-Jäger RC Lens nicht laufen will.

In Amsterdam, auf Schalke, in Lyon oder Basel sind die Gründe wohl tiefgreifender als bei den beiden Überraschungsteams der Vorsaison in der Bundesliga und der Ligue 1. SPOX hat sich die Situation bei verschiedenen Krisenklubs angesehen.

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Ajax (Eredivisie)

Ajax ist vermutlich der krasseste Fall. Die Turbulenzen in Amsterdam sind in letzter Zeit ausführlich dokumentiert worden, vor allem aufgrund die apokalyptischen Szenen inklusive Spielabbruchs, die sich bei der demütigenden Niederlage gegen Erzrivale Feyenoord im September abspielten.

Nachdem Gastgeber Ajax schon in der ersten Halbzeit das dritte Gegentor kassiert hatte, rasteten einige Fans aus und warfen Leuchtraketen sowie andere Gegenstände auf das Feld. Das Spiel wurde schließlich abgebrochen, aber einige Fans schlugen weiter über die Stränge, und eine kleine Gruppe brach sogar später das Haupttor des Stadions auf.

Seit diesem "rabenschwarzen Tag", wie der mittlerweile geschasste Cheftrainer Maurice Steijn es ausdrückte, hat sich die katastrophale Form von Ajax fortgesetzt. Die dramatische 3:4-Niederlage gegen Utrecht am Sonntag, bei der es erneut zu Ausschreitungen kam, bedeutete für die Mannschaft die schlechteste Leistung seit 1954. Nie legte Amsterdam einen schwächeren Saisonstart hin, nie war der stolze Spitzenklub in der Tabelle so schlecht positioniert.

Ex-Ajax-Star Rafael van der Vaart nannte Mannschaft und Spieler am Wochenende "scheiße". Die Qualität ist nach dem Verkauf weiterer Stars im Sommer nochmal gesunken, dazu kommt eine große Verunsicherung. Ob diese mit der Entlassung Steijns am Montag ausgetrieben wird, ist ungewiss. Der ehemalige Trainer Louis van Gaal hat aus gesundheitlichen Gründen jedenfalls schon abgewinkt und wird Ajax nicht als Coach retten.

Auch die vielen Probleme in der Führungsebene, angefangen bei der Overmars-Affäre über den Fehlgriff mit Sven Mislintat bis hin zur Burn-Out-Pause Klaas-Jan Huntelaars, haben ihren Teil dazu beigetragen, dass der finanzielle stärkste Klub der Eredivisie auf Tabellenplatz 17 abgerauscht ist.

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Olympique Lyon (Ligue 1)

Olympique Lyon war vor einigen Jahren noch der Dominator des französischen Fußballs. Angeführt vom langjährigen Präsidenten Jean-Michel Aulas reihte der Klub Meistertitel um Meistertitel in der Ligue 1 aneinander. Von PSG war damals noch überhaupt keine Rede. Lyon gab auch im Frauenfußball (europaweit) den Ton an.

Im Dezember des vergangenen Jahres verkaufte Aulas den Verein allerdings an die Eagle Football Holdings von John Textor. Der US-Amerikaner ist seitdem dabei, die Finanzen des Vereins umzustrukturieren. So gab er unter anderem eine Mehrheit der Anteile an der Frauenabteilung an die Investorin Michele Kang ab. Insgesamt 300 Millionen US-Dollar will er mit solchen Verkäufen an "physischen Vermögenswerte" erlösen und das Geld dann in das Kerngeschäft, die Fußballprofis, investieren.

Das ist bisher noch nicht gelungen. Nachdem im Transferfenster eine Reihe wichtiger Spieler (Castello Lukeba nach Leipzig, Bradley Barcola zu PSG) verkauft wurde, erlebte Trainer Laurent Blanc einen katastrophalen Start und wurde im September entlassen. Nach der 1:4-Niederlage gegen PSG in seinem vorletzten Spiel wurde die Mannschaft von den Ultras des Vereins von der Tribüne aus gnadenlos niedergemacht.

Auch unter Blancs Nachfolger Fabio Grosso ist es nicht besser geworden. Die Gones sind immer noch sieglos und stehen mit sechs Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz am Tabellenende der Ligue 1, obwohl sie Spieler wie den früheren Bayern-Profi Corentin Tolisso, Dejan Lovren, Alexandre Lacazette und Toptalent Rayan Cherki in ihren Reihen haben.

Die Fans machen ihrem Frust weiter Luft und enthüllten kürzlich Spruchbänder, auf denen Textor aufgefordert wurde, sich "auf den Fußball zu konzentrieren". Da haben sie auch recht. Denn falls Lyon in die Ligue 2 absteigt, wird der Verein wirtschaftlich nicht mehr zu gebrauchen sein.

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Istanbul Basaksehir (Süper Lig)

Während Fenerbahce und Galatasaray ungeschlagen in die Süper Lig gestartet sind, kämpft der Verein, der noch vor wenigen Jahren das traditionelle Kräfteverhältnis in der Türkei zu stören drohte, am Tabellenende ums sportliche Überleben.

Das Projekt Istanbul Basaksehir hatte in den letzten Jahren immer mehr an Fahrt verloren - in der vergangenen Spielzeit belegte man den fünften Platz -, aber den drohenden Abstieg in dieser Saison hätte wohl kaum jemand vorhergesehen.

Mit Krzysztof Piatek und Emmanuel Dennis kamen im Sommer zwei Stürmer, die ihre Treffsicherheit früher schon bewiesen haben. Trotzdem hat Basaksehir nur zwei der ersten neun Spiele gewonnen. Es setzte dabei unter anderem eine 0:4-Klatsche gegen Fenerbahce.

2020 besiegte der von Präsident Recep Tayyip Erdogan protegierte Klub Manchester United in der Champions League und gewann die türkische Meisterschaft. Davon ist Istanbul BB mittlerweile meilenweit entfernt.

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RC Lens (Ligue 1)

In der Ligue 1 sind die Schwankungen einiger Vereine traditionell groß. Aber selbst nach diesen Maßstäben war der schlechte Start von Vizemeister Lens ein Schock. Zwar verlor man im Sommer Mittelfeldspieler Seko Fofana und Top-Torjäger Loïs Openda, aber man investierte das eigenommene Geld vermeintlich sinnvoll: Unter anderem kam Supertalent Elye Wahi für 30 Millionen Euro Ablöse aus Montpellier. Der Rest des Kaders, der im Vorjahr nur knapp hinter Titelträger PSG gelandet war, wurde beisammengehalten.

Die Doppelbelastung durch die Champions League hat zweifelsohne eine Rolle bei der schlechten Form gespielt - zuletzt gab es dort in der Königsklasse einen beeindruckenden Sieg gegen Arsenal. Der Schalter zum Liga-Alltag lässt sich aber nicht so einfach umlegen und neun Punkte aus neun Spielen in der Ligue 1 sind eine schwache Ausbeute.

Mit Tabellenplatz 15 und nur einem Zähler Vorsprung auf die Abstiegszone müssen die Schützlinge von Trainer Franck Haise schnell zu ihrer Form finden.

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Union Berlin (Bundesliga)

Union Berlin ist nicht der klassische mehrfache Meister, der überraschend sportliche Probleme hat. Vielmehr sind die Köpenicker nach ihrer sagenhaften Erfolgsgeschichte in den vergangenen Jahren aktuell auf dem harten Boden der Realität gelandet und haben nun die vergangenen neun Pflichtspiele allesamt verloren.

Nach der sensationellen Qualifikation für die Champions League steckt Union nach einer Pleitenserie im Abstiegskampf der Bundesliga. Eine Mischung aus Doppelbelastung, Pech und Neuzugängen, die nicht eingeschlagen haben, entpuppen sich als Hauptfaktoren für die aktuelle Erfolgslosigkeit Unions.

Trainer Urs Fischer war ein Meister darin, aus seiner Mannschaft das Maximum herauszukitzeln. Genau in diesem Punkt aber tut er sich schwer. Namhafte Einkäufe wie Kevin Volland, Brenden Aaronson und Leonardo Bonucci enttäuschen bisher die Erwartungen. Dazu taucht die Frage auf, ob die Neuzugänge tatsächlich gut zum robusten, schnörkellosen Stil der letzten Spielzeiten passen.

Das Gute für Fischer und Union: Die Fallhöhe ist nicht so hoch. Ziel des Klubs ist und bleibt der Klassenerhalt und für den sollte es am Ende schon noch reichen.

Bundesliga: Die Situation im Tabellenkeller

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
14.Werder Bremen812:18-66
15.Union Berlin811:17-66
16.Köln87:15-84
17.Bochum86:21-154
18.Mainz 0587:22-152
FC Basel
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FC Basel (Swiss Super League)

Basel ist eines der Aushängeschilder des Schweizer Fußballs. 20 Meisterschaften sammelte der Traditionsverein, allein zwischen 2001 und 2017 stand Basel zwölfmal am Ende der Saison auf dem Platz an der Sonne.

Seitdem ging es allmählich bergab, zeitgleich mit dem Aufstieg der Young Boys zur neuen Hegemonialmacht in der Schweiz. Damit einher ging in Basel ein Kampf um die Eigentümerschaft mit Fanprotesten hinter den Kulissen.

Nach der unpopulären Entlassung von Klub-Ikone Alexander Frei übernahm Sportdirektor Heiko Vogel Mitte der vergangenen Saison das Traineramt. Basel landete unter dem Ex-Bayern-Coach am Ende auf dem fünften Platz und schaffte es in das Halbfinale der UEFA Conference League.

Im Sommer kam Ex-St.-Pauli-Trainer Timo Schultz als neuer Übungsleiter. Er hatte einen schweren Stand, denn der Verein verlor vor dem Saisonbeginn eine Reihe von Schlüsselspielern und bemühte sich erst (zu) spät während der Transferperiode um Ersatz. Die Ergebnisse waren entsprechend schlecht, und Schultz bezahlte Ende September mit seinem Job.

Nun sitzt Vogel wieder auf dem Trainerstuhl, unter ihm hat Basel jedoch seitdem kein Spiel mehr gewonnen und viele Fans fordern auch seine Entlassung. Mit fünf Punkten aus zehn Spielen ist Basel aktuell mit deutlichem Rückstand Tabellenschlusslicht.

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FC Schalke (2. Bundesliga)

Die beinahe sprichwörtliche Leidensfähigkeit der Schalker Fans wird im Moment auf eine neue, harte Probe gestellt. 2017 stand der Verein im Viertelfinale der Champions League, jetzt droht nach zwei Abstiegen aus der Bundesliga 2021 und 2023 sogar der Absturz in die 3. Liga.

Ex-Trainer Thomas Reis konnte bereits den Abstieg aus dem Oberhaus nicht verhindern, nun musste er nach dem missratenen Auftakt in die laufende Spielzeit gehen. Karel Geraerts kam als neuer Hoffnungsträger aus Belgien - und erlebte am Wochenende beim 0:3 gegen den KSC gleich mal, welch enorme Aufgabe auf ihn zukommt.

Geraerts sagte hinterher: "Ich war sehr enttäuscht. Ich schreie nicht oft, aber heute habe ich es in der Halbzeit getan. Wir haben das ABC des Fußballs nicht respektiert. Wir haben keine Duelle gewonnen, nicht auf die Intensität reagiert."

Worte, die auf keine schnelle Besserung bei den Königsblauen hoffen lassen. Die Ultras stellten in Karlsruhe früh ihre Unterstützung ein. Schalke droht also im Abstiegskampf der 2. Bundesliga auch sein großes Faustpfand, die Fans, zu verlieren.

2. Liga: Die Situation im Tabellenkeller

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
15.Hansa Rostock1011:16-512
16.Schalke 041014:23-97
17.Osnabrück1011:23-126
18.Eintracht Braunschweig106:18-125
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FC Santos (Brasileirão)

Nicht nur in Europa straucheln (ehemalige) Spitzenvereine. Der FC Santos absolviert in Brasilien eine katastrophale Saison und könnte zum ersten Mal in der Geschichte aus der Brasileirão absteigen.

Einst die Heimat von Pelé und Neymar, wird die Sturmreihe nun von Alfredo Morelos, einem ehemaligen Spieler der Rangers, angeführt. Der Mangel an Stars hat dazu geführt, dass Santos auf der ganzen Linie unterdurchschnittlich abschneidet: Die Peixe scheiterten in der Gruppenphase der Copa Sudamericana und des Campeonato Paulista und schieden in der Copa do Brasil im Achtelfinale aus.

Am besorgniserregendsten ist jedoch die Form in der Liga. Bei noch zehn ausstehenden Spielen befindet sich Santos in der Abstiegszone, wobei die Begegnungen gegen die Lokalrivalen São Paulo und Corinthians über das Schicksal der Mannschaft entscheiden werden.

Die jüngste 1:7-Klatsche gegen Internacional, bei der Enner Valencia zwei Treffer erzielte, macht jedenfalls wenig Hoffnung auf ein erfolgreiches Abschneiden in den kommenden wichtigen Partien.

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