Hiddink verordnet "Spaß-Fußball"

SID
EM 2008, Fussball, Russland, Hiddink
© DPA

Wien - Die Erwartungen in der Heimat sind immens, doch selbst die Aussicht auf den größten Erfolg des russischen Fußballs seit 20 Jahren kann Guus Hiddink nicht aus der Ruhe bringen.

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Der 61 Jahre alte Trainer-Fuchs setzt auch vor dem Halbfinale gegen Spanien in Wien (Do, 20.30 Uhr im SPOX-TICKER) auf sein bewährtes Erfolgsrezept mit den Zutaten Spaß, Lockerheit, Ablenkung und Konzentration. Für den großen Auftritt vor aller Welt im Ernst-Happel-Stadion gibt Hiddink seiner Elf eigentlich nur einen Ratschlag: Rausgehen und Spaß haben.

"Egal was passiert, meine Jungs werden davon profitieren. Ein EM-Halbfinale ist ein seltener Moment im Sport. Den sollte man genießen", sagte der Niederländer in russischen Diensten.

Kein Rummel um das Team

Seit der Viertelfinal-Gala gegen die Niederlande (3:1 n.V.) ist Hiddink extrem bemüht, den Rummel von seiner Mannschaft fernzuhalten. So sagte er die nach dem Training geplante Mixed Zone, in der die Weltpresse Kontakt mit den Spielern haben, kurzfristig ab - zum Ärger der rund 250 Medienvertreter, zum Schutz seiner Spieler.

Hiddink fürchtet wohl, dass weitere Lobpreisungen den Profis zu Kopf steigen könnten. "Ich setze meine Jungs überhaupt nicht unter Druck. Das Einzige, das ich von ihnen verlange, ist, guten Fußball zu spielen. Wenn man ein Spiel genießt, spielt man oft auch gut."

Vorrunden-Niederlage als Lehrstunde

Die 1:4-Klatsche zum EM-Auftakt vor 16 Tagen gegen den selben Gegner, als David Villa gleich dreimal traf, ist abgehakt. Gleichwohl dient Hiddink die Lehrstunde als Mahnung und Motivation. Ein wenig Furcht vor dem Deja-vu ist auch zu spüren.

"Wenn wir uns wieder so dumm wie eine Schülermannschaft anstellen, brauchen wir gar nicht erst aufzulaufen", betonte Hiddink, der aber überzeugt ist, dass sein Team die richtigen Lehren gezogen hat.

Schließlich folgten der 1:0- Sieg gegen Griechenland, das 2:0 gegen Schweden und die beachtliche Darbietung gegen Holland. "Wir haben gezeigt, dass wir auf höchstem Niveau Fußball spielen können", meinte Hiddink. "Neues Spiel, neues Team - aber Spanien ist wieder Favorit und wir sind nur Außenseiter."

Russen wollen Revanche

Bei den physisch, psychisch und konditionell topfitten Spielern sind Selbstvertrauen und Vorfreude enorm. "Ich brenne auf Revanche", tönte Konstantin Syrjanow. Auch Linksverteidiger Juri Schirkow ist überzeugt: "Wenn wir einen Gegner wie Holland schlagen, können wir auch Spanien besiegen", meinte der Linksverteidiger vor dem Duell mit dem Angstgegner. Denn bisher hat die Sbornaja die Spanier nur einmal bezwungen - vor mehr als 37 Jahren, also noch zu Sowjet- Zeiten, am 30. Mai 1971 mit 2:1 in Moskau.

Moral stimmt

Sergej Semak, mit 32 Jahren Senior im Team, sieht die Partie etwas gelassener. "Ich will keine Revanche, ich will einfach nur gewinnen", sagte der Kapitän. Er warnt die jüngeren Kollegen eindringlich vor Übermut: "Unsere Moral ist gut. Aber wir dürfen nicht mehr so stümperhafte Fehler machen wie im ersten Spiel."

Entscheidend wird sein, wie Hiddink den Ausfall der Gelb-gesperrten Denis Kolodin und Dimitri Torbinski kompensieren kann. Der Einsatz von Ivan Saenko ist fraglich. Der einzige Bundesliga-Legionär im Team konnte wegen Wadenproblemen seit Tagen nicht richtig trainieren.

Pawljutschenko zu Barca?

Die größten Hoffnungen ruhen zweifellos auf den Turbo-Stürmern Roman Pawljutschenko (3 Treffer) und Andrej Arschawin (2 Tore in 2 Spielen). In Bestform könnte das Duo der bisher besten EM-Abwehr um Carles Puyol und Carlos Marchena (3 Gegentore) Rätsel aufgeben.

Beim 1:4 im ersten Duell war Arschawin gesperrt. Umso größer ist seine Motivation, zumal er mit einem Wechsel zum FC Barcelona liebäugelt.

Und seine bescheiden gemeinten Äußerungen müssen für spanische Ohren wie eine Drohung klingen: "Ich habe schon oft viel bessere Spiele als das gegen Holland abgeliefert. Ich mache ja nichts Außergewöhnliches. Nur wenn dir das in einem so großen Turnier wie der WM oder EM gelingt, dann erhältst du aufgrund des riesigen öffentlichen Interesses viel mehr Aufmerksamkeit."

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