"Mit Caroline spreche ich polnisch"

Von Interview: Florian Regelmann
Angelique Kerber besiegte im Kopenhagen-Finale Caroline Wozniacki
© Imago

Angelique Kerber ist seit ihrem sensationellen Halbfinal-Einzug bei den US Open nicht mehr zu stoppen. Die 24-Jährige hat sich durch zwei Turniersiege, den letzten am vergangenen Wochenende in Kopenhagen, bereits auf Platz 14 der Weltrangliste gespielt und hat 2012 eine der besten Bilanzen (24-6) im gesamten Damen-Tennis vorzuweisen. Bei SPOX spricht Kerber über ihre zweite Heimat Polen, ihre Freundin Caroline Wozniacki und ihre unglaublichen Comeback-Fähigkeiten.

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SPOX: Angelique, erst einmal noch Glückwunsch zum Titel in Kopenhagen. Auf dem Weg zum Turniersieg haben Sie, wie schon so oft in diesem Jahr, wieder mal ein Match gedreht, das Sie eigentlich schon verloren hatten. Sie sind die absolute Comeback-Queen. Einfache Frage: Wie machen Sie das?

Angelique Kerber: Ganz einfache Antwort: Ich weiß es nicht. Ich habe ehrlich keine Ahnung. Ich versuche einfach nur, bis zum letzten Punkt zu fighten, aber wie ich die Matches dann immer wieder drehe, weiß ich nicht. Es hat ja in Australien angefangen mit den Comebacks - und dass ich jetzt einige Matches noch umgebogen habe, ist natürlich gut für den Kopf. Wenn ich jetzt Matchball gegen mich habe, weiß ich, dass ich es noch drehen kann, weil ich es schon mehrfach bewiesen habe. Aber ich liege nicht immer mit Absicht schon aussichtslos zurück. (lacht)

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SPOX: Ihr Höhenflug hat im vergangenen Jahr bei den US Open so richtig angefangen. Sie sind als Nummer 92 nach New York gekommen und standen dann aus dem Nichts plötzlich im Halbfinale. Wie überrascht waren Sie selbst von sich?

Kerber: Ich war schon überrascht. Ich habe vor den US Open drei Wochen intensiv an meiner Fitness gearbeitet und hätte nicht erwartet, dass es sich so schnell auszahlt und ich in einem Grand-Slam-Halbfinale stehe. Mittlerweile hat es sich gelegt - ich weiß jetzt, dass ich gegen die Topspielerinnen gewinnen kann. Direkt nach New York war ich noch erstaunt, weil sehr viel auf mich eingestürzt ist, mit mir hatte ja niemand gerechnet. Mir war es danach wichtig, dass ich zeige, dass ich da bin. Dass ich keine Eintagsfliege bin, die sofort wieder weg ist. Dass das nicht so ist, habe ich seitdem bewiesen.

SPOX: Das kann man wohl sagen. Sie stehen aktuell schon auf Rang 14 der Weltrangliste, im Race to the WTA Championships belegen Sie sogar Platz fünf. Heißt: Bei den French Open wird man Angelique Kerber auf dem Zettel haben. Wie ändert das auch Ihren eigenen Anspruch? Stichwort: möglicher Grand-Slam-Sieg.

Kerber: Ich glaube natürlich jetzt daran, dass ich ein Grand-Slam-Turnier gewinnen kann, aber das ist ein weiter Weg. Jedes Turnier fängt bei null an und die Spielerinnen, die gerade oben stehen, sind verdammt stark. Ich werde versuchen, mir den Druck zu nehmen und mir nicht sagen, dass ich jetzt wieder bei einem Grand Slam in einem Halbfinale stehen muss. Ich werde raus gehen und mein Bestes geben, dann schauen wir mal.

SPOX: Bei den Australian Open sind Sie in Runde drei glatt gegen Maria Scharapowa raus geflogen, auf dem Weg zum Turniersieg in Paris haben Sie die Russin aber dann geschlagen.

Kerber: Das Match gegen Scharapowa in Paris (6:4, 6:4, Anm. d. Red.) würde ich auch als mein bestes in meiner bisherigen Karriere bezeichnen.

SPOX: Sie haben vorhin schon einmal die Fitness angesprochen. Ist das der wichtigste Schlüssel für Ihren Erfolg im Moment?

Kerber: Auf jeden Fall. Viele können Tennis spielen, aber du musst eben auch die Fitness haben, um in einem Turnier fünf Matches zu gewinnen oder nach drei Stunden noch voll da zu sein. In diesem Bereich habe ich mich sicher weiterentwickelt. Es geht bestimmt noch mehr, aber es ist besser als früher. Ich arbeite jetzt konstanter und regelmäßiger an der Fitness. Vor ein paar Jahren habe ich noch zwei Wochen eine Einheit gemacht und es dann zwei Monate wieder laufen lassen. Das gibt es jetzt nicht mehr und das macht den Unterschied. Vor ein paar Jahren habe ich zwei Sätze gut gespielt, hatte aber dann keine Kraft und Energie mehr für den dritten. Jetzt weiß ich, dass ich Matches drehen kann, weil meine Fitness nicht versagt.

SPOX: Das Selbstvertrauen muss auch unglaublich gestiegen sein durch die ganzen Erfolge. Sie waren ja nie jemand, der vor Selbstbewusstsein nur so gestrotzt hat.

Kerber: Das stimmt. Ich habe früher nicht wirklich an mich geglaubt. Seit New York habe ich angefangen, an mich zu glauben, das ist auch ein Schlüssel für meine guten Resultate. Ich habe jetzt wirklich viel mehr Selbstbewusstsein. Ich habe auch mit einem Mentalcoach gearbeitet, dabei geht es aber gar nicht mal nur ums Tennis, sondern um das Leben insgesamt. Darum, sich als Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

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SPOX: Was muss denn jetzt noch besser werden, um noch einen Schritt nach vorne zu machen?

Kerber: Fitness bleibt ein Thema, daran muss ich weiter ganz hart arbeiten. Ansonsten ist der Aufschlag sicher ein Punkt, der müsste noch ein bisschen besser werden. Insgesamt muss ich weiter am ganzen Paket arbeiten.

SPOX: Gibt es ein konkretes Ziel, das Sie bis Ende der Saison erreichen wollen?

Kerber: Es gibt keine konkrete Weltranglistenposition, das ist für mich nur eine Zahl neben meinem Namen. Ich will in jedem Turnier mein Bestes geben und ich will weiter Turniere gewinnen. Zu sagen, dass ich bis Ende des Jahres die Nummer eins werden will, wäre Schwachsinn.

SPOX: In der letzten Woche waren Sie in Kopenhagen. Nach Australien, Dubai, Indian Wells oder Miami ging es 2012 auch schon. Was war denn der schönste Fleck, den Sie bislang gesehen haben?

Kerber: Definitiv Australien. Die Menschen, das Wetter, die Atmosphäre - da passt einfach alles. Schon als ich das erste Mal nach Australien geflogen und dort angekommen bin, hatte ich sofort ein gutes Gefühl. Das Reisen als Tennisprofi ist oft sehr anstrengend, gerade die ganze Warterei an den Flughäfen, aber Australien ist mein absolutes Lieblingsland.

SPOX: Sie haben ja bekanntermaßen auch einen polnischen Hintergrund, in diesem Jahr ist noch die Fußball-EM in der Ukraine und in Polen. Wann haben Sie denn das letzte Mal polnisch gesprochen?

Kerber: Heute. Zuhause ist das bei uns halb und halb, ich spreche auch mit Caroline Wozniacki, die ich seit frühester Jugend kenne und die eine meiner besten Freundinnen auf der Tour ist, polnisch. Sollte es bei der EM zum Duell zwischen Deutschland und Polen kommen, werde ich mich zurücknehmen, aber ich bin dann schon eher für Deutschland. Mir geht's so ähnlich wie Lukas Podolski oder Miroslav Klose, die ja auch nicht richtig jubeln, wenn sie gegen Polen treffen.

SPOX: Mit Caroline Wozniacki und den Radwanska-Schwestern haben Sie auch schon zusammen Urlaub gemacht. Wie sieht denn so ein Mädels-Trip aus?

Kerber: (lacht) Es wird bestimmt nicht über Tennis gesprochen. Wir machen eigentlich hauptsächlich all jene Sachen, die wir sonst bei den Turnieren nicht machen können.

SPOX: Wie eng ist Ihre Verbindung insgesamt zu Polen?

Kerber: Ich bin noch oft da, um meine Großeltern in der Nähe von Posen zu besuchen. Es ist ein Teil von mir, die Hälfte meiner Familie lebt in Polen - auch wenn ich natürlich in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen bin.

SPOX: Wie würden Sie denn die Faszination Polens beschreiben?

Kerber: Gutes Essen. Sehr gutes Essen. Es ist wirklich eine völlig andere Kultur als in Deutschland. Einige mögen es, einige wiederum nicht. Es ist alles ein bisschen chaotischer als in Deutschland.

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