"Eine Woche nicht rausgetraut"

Von Interview: Philipp Böhl
Benjamin Kirsten ist schon seit sieben Jahren für Dynamo aktiv
© getty

Vor ihm liegen die riesigen Fußstapfen des legendären Papas - doch Benjamin Kirsten lebt bei Dynamo seinen eigenen Traum. Dresdens Keeper über die unglaublichen Leiden des Abstiegs, Pokalnächte gegen Borussia Dortmund und den eigenen Weg zur Dynamo-Legende.

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SPOX: Herr Kirsten, Anfang März treffen Sie mit Dynamo Dresden im DFB-Pokal auf den BVB. Das letzte Spiel zwischen ihnen beiden hatte durch Fankrawalle einen faden Beigeschmack. Wie haben Sie die Dinge damals miterlebt?

Kirsten: Ich war damals verletzt und in der Reha, konnte deshalb nicht einmal vor Ort sein. Letztendlich sind wir verdient rausgeflogen und haben unsere Strafe bekommen. Das sollte man nicht mehr in der Vergangenheit kramen. Unsere Fans haben eindrucksvoll gezeigt, dass wir dieses Jahr wieder zu Recht dabei sind. Es waren Partien mit unglaublicher Stimmung.

SPOX: Freut man sich als Außenseiter auf so ein Spiel oder hofft man im Vorfeld, dass der Gegner ein leichterer wird?

Kirsten: Ehrlich gesagt ist der Pokal in den Hintergrund gerückt. Wir richten unser Augenmerk voll auf die Liga, dort haben wir eine viel wichtigere Aufgabe. Pokal-Partien sind Zusatzspiele, die man genießen muss. Ich glaube auch, dass unsere Mannschaft den Stellenwert des BVB-Spiels ganz gut einschätzen kann. Erst wenn das letzte Ligaspiel vor dem Pokal gegen Dortmund beendet ist, wird der Fokus darauf gelegt. Klar, wir sind Drittligist und Außenseiter, aber das macht doch die Attraktivität des Pokals aus, dass immer alles möglich ist.

SPOX: Wir haben die Dynamo-Fans bereits kurz angesprochen. Haben Sie denn noch Kontakt zur Fanszene? Schließlich gelten Sie als eine der Identifikationsfiguren des Vereins.

Kirsten: Schon bevor ich zu Dynamo gegangen bin, war ich sehr viel in der Fanszene aktiv. Dynamo war in unserer Familie immer ein großes Thema. Außerdem bin ich ja schon lange hier und glaube, dass auch dadurch eine tiefe Verbundenheit entstanden ist.

SPOX: Geht es dann nach der aktiven Karriere zurück in den Block?

Kirsten: Das ist ja noch weiter weg als das Dortmund-Spiel! (lacht) Aber man weiß nie. Ich habe immer klar signalisiert, wie ich zum Verein stehe. Die Zukunft ist immer eine Überraschungskette. Wenn ich sehe, was Spieler, mit denen ich zusammengespielt habe, nach dem Karriereende für einen Weg eingeschlagen haben, zeigt das eigentlich, dass es immer anders kommt, als man denkt.

SPOX: Führt die Überraschungskette auch einmal in die Bundesliga?

Kirsten: Wir haben ja schon Bundesliga gespielt. Drei Jahre in der zweiten Liga - das ist für mich Bundesliga-Fußball. Da war jede Partie ein Highlight, man hat immer gespürt, dass die Zuschauer da waren - in jedem Spiel weit über 20.000 - egal welcher Gegner kam. Wir hatten damals echt wahnsinnige Spiele, auch die Relegation hatte ihren eigenen Charakter. Bei uns ist eigentlich jedes Spiel ein Highlight, egal in welcher Liga. Wer sich das schon mal bei uns im Stadion angeguckt hat, der weiß, wovon ich rede.

SPOX: Wären Sie denn bereit, den Verein zu wechseln, um sportlich in eine höhere Liga zu kommen?

Kirsten: Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass ich dieses Projekt hier in Dresden unbedingt mitmachen möchte. Ich habe jetzt noch ein Jahr Vertrag, was danach kommt, damit beschäftige ich mich noch nicht. Ich bin jetzt schon sieben Jahre hier, das ist eine lange Zeit. Ich bin gespannt, was die nächsten Monate passiert und wie sich das Ganze entwickelt.

SPOX: Kommen wir zu Ihrem Vater Ulf. Welchen Anteil hatte er daran, dass Sie überhaupt zum Fußball gekommen sind?

Kirsten: Es prägt natürlich, wenn man 24 Stunden am Tag mit Fußball konfrontiert wird. Auch wenn meine Eltern mir die offene Wahl gelassen haben, welchen Sport ich ausübe. Ich wollte allerdings immer Fußball spielen, das war meine Erfüllung. Ich habe mit vier Jahren bei Leverkusen angefangen und die Jugendmannschaften durchlaufen. Dort durfte ich eine überragende Fußballschule durchleben.

SPOX: Hatte Ihr Vater denn irgendeinen Einfluss auf Ihre Karriere? Beispielsweise darauf, dass Sie, wie sie bereits sagten, so früh in die Leverkusener Jugend gingen?

Kirsten: Ich hätte mich schon selbst entscheiden können, war zu dem Zeitpunkt aber absoluter Bayer-Fan. Es ist ein Privileg, dort spielen zu dürfen, das sollte sich auch jeder Jugendspieler vor Augen führen. Ich wollte immer bei Leverkusen und später auch bei Dynamo spielen. Beide Träume habe ich mir erfüllt.

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