Toni Kroos im Interview: "Wenn dieses Gefühl falsch ist, dann tut es mir leid"

Von SPOX
Toni Kroos zeigte sich nach seinem "Wundertor" selbstkritisch, teilte aber auch tüchtig aus.
© getty

Nach dem 2:1 der DFB-Elf über die Schweden stellte sich Siegtorschütze Toni Kroos in der Mixed Zone den Fragen der Journalisten. Dabei sprach er über den möglichen Elfmeter für Schweden, seine Reaktion nach dem Gegentor, Mittelfeldpartner Sebastian Rudy - und die Absprache vor seinem Freistoß zum 2:1.

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Frage: Toni Kroos, mit welchem Gefühl fliegen Sie zurück nach Moskau?

Toni Kroos: Mit einem guten, weil wir uns für ein mehr als ordentliches Spiel belohnt und gewonnen haben. Wir haben sehr gut angefangen und vor allem in der zweiten Halbzeit guten Fußball gespielt, Druck gemacht, uns über außen nach vorn kombiniert und flache Bälle in die Mitte gespielt. Das tat den Schweden weh.

Frage: Was kann ein so emotionaler Sieg auslösen?

Kroos: Das werden wir sehen. Wir sind erst einmal froh, weil der Sieg sehr wichtig war. Es war ein hartes Spiel, wir haben gelitten. Heute nicht zu gewinnen, hätte es für uns sehr schwierig gemacht. Ich hoffe, dass wir das gute Gefühl ins nächste Spiel mitnehmen und das Weiterkommen klar machen.

Frage: Täuscht der Eindruck, dass sie nach dem Fehler zum Gegentor besonders Gas gegeben haben?

Kroos: Nein, er täuscht nicht. Natürlich ging das 0:1 auf meine Kappe. Es war ein relativ einfacher Fehlpass, der mir normalerweise so nicht passiert. Wenn du im Spiel 400 Pässe spielst, dann kommen auch mal zwei nicht an - und einer davon hat zum Tor geführt. Es gibt dann zwei Richtungen: Entweder macht ein solcher Fehler dein Spiel kaputt, oder du versuchst alles reinzuhauen. Das hat in der zweiten Halbzeit als Team dann auch gut geklappt.

Frage: War beim Freistoß sofort klar, dass Sie aufs Tor schießen?

Kroos: Wir wussten, dass nicht mehr viel Zeit bleibt. Es war im Spielverlauf so, dass hohe Flanken von den Schweden zumeist ohne große Mühe herausgeköpft wurden. Marco wollte erst direkt schießen, davon war ich nicht so sehr überzeugt. Dann haben wir uns für diese Variante entschieden, um einen besseren Winkel für den Schuss zu bekommen.

Frage: Was ging Ihnen nach dem Tor durch den Kopf?

Kroos: Natürlich große Freude, aber fünf Sekunden später habe ich mich gefragt, wie lange noch zu spielen ist, weil bestimmt noch ein paar lange Bälle von den Schweden kommen würden. Wir waren in Unterzahl und hatten viele relativ kleine Spieler im Gegensatz zu den Schweden. Ich habe gehofft, dass schon viel von der Nachspielzeit heruntergelaufen ist. Ein langer Ball kam noch, den haben wir gut verteidigt.

Frage: Wie lief die Partnerschaft mit Sebastian Rudy?

Kroos: Sebastian hat das wirklich gut und abgeklärt gemacht in der ersten halben Stunde, aber die Konstellation im Mittelfeld ist für mich nicht entscheidend. Wir haben als Mannschaft fußballerisch gut begonnen, aber es erneut verpasst, in Führung zu gehen. Vor dem Tor hatten aber auch die Schweden schon die eine oder andere Möglichkeit, auch mit der Eins-gegen-eins-Situation, als sie Elfmeter reklamierten. Das hätten wir wieder besser verteidigen können.

Frage: Hätte es Elfmeter geben müssen?

Kroos: Wir haben ja mittlerweile Überprüfungsmöglichkeiten en masse. Wenn dann niemand auf Elfmeter entscheidet, wird es wohl keiner gewesen sein. Aus meiner Sicht war ein Schubser da. Wenn Berg fällt und nicht zum Abschluss kommt, ist die Gefahr wohl größer, dass gepfiffen wird. Ich glaube, so muss man keinen Elfmeter geben.

Frage: Ist die offensive Ausrichtung des Teams zu gefährlich?

Kroos: Nein, wir sind allgemein eine offensiv spielende Mannschaft. Es geht um die Aufgabenverteilung in der Defensive bei Kontern. Das hat heute mit ein, zwei Ausnahmen auch besser funktioniert, auch wenn Schweden nicht so viel Wert auf Offensive gelegt hat. Es war besser - aber es geht auch noch besser.

Frage: Wie kommt es zu Ihrem Eindruck, dass die Leute in der Heimat nicht wollen, dass Sie weiterkommen?

Kroos: Das ist eine sehr gute Frage. Ich gewöhne es mir immer mehr ab, mir nach Spielen alles anzuschauen und durchzulesen. Wer sich da heutzutage alles zu Wort meldet und was da geschrieben wird ... Die Experten, aber auch die schreibenden Journalisten, dürfen sich angesprochen fühlen. Ich habe das Gefühl, dass es viel mehr Spaß macht, schlecht über uns zu reden, zu schreiben oder zu analysieren als anders herum. Wenn dieses Gefühl falsch ist, dann tut es mir leid, aber das war in den letzten vier, fünf Tagen ganz klar mein Eindruck. Es wird uns niemand zum Titel schreiben. Wir wissen, dass wir viele Fans in Deutschland hinter uns haben. Aber mehr Hilfe kriegen wir nicht.

Frage: Kommt die Sicherheit im deutschen Spiel durch den Sieg zurück?

Kroos: Ich glaube, dass wir heute über weite Teile sehr dominant waren und vernünftig gespielt haben. Schweden hat sich von der ersten Minute an aufs Verteidigen konzentriert und auf Zeit gespielt, aber natürlich kann ein so später Sieg noch einen Push geben für den Rest des Turniers. Wir waren sehr, sehr nah am Ausscheiden dran. Ich hoffe, dass wir daraus so viel wie möglich Positives mitnehmen, auch emotional.

Frage: Kann der Sieg eine Initialzündung sein, ähnlich wie das Achtelfinale 2014 gegen Algerien?

Kroos: Ich hoffe es. Er ist eine gute Vorlage, um die gute Stimmung in die nächsten Spiele zu transportieren. Am Mittwoch haben wir schon wieder ein K.o.-Spiel. Dann müssen wir wieder da sein.

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