Ein Test wie ein Placebo

Von Stefan Rommel
Joachim Löw konnte mit dem Auftritt seiner Mannschaft gegen Paraguay nicht zufrieden sein
© getty

Ernsthafte Erkenntnisse erhoffte sich Joachim Löw vom Testlauf gegen Paraguay. Serviert bekam der Bundestrainer Altbekanntes. Der Start ins WM-Jahr geriet ordentlich daneben, die dringlichsten Fragen stehen weiter im Raum.

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Die deutsche Nationalmannschaft stagniert. Zwar auf recht unterhaltsame und manchmal auch abenteuerliche Weise, was dem geneigten Zuschauer wenigstens ein paar prickelnde Momente beschert.

Aber sie steht still, entwickelt sich nicht weiter. Sie bleibt ihren Fehlern und Lastern eisern treu. Da können die Beteiligten im Vorfeld noch so viel erzählen.

33 Gegentore in 20 Spielen

Das 3:3 (2:3) gegen Paraguay war das sechste Länderspiel seit Februar 2012, in dem sich die Mannschaft in der Defensive unwirsch präsentierte und mehr als zwei Gegentore kassierte. Die Zahlen kulminieren auf mittlerweile 33 in 20 Spielen, im Jahr 2013 sind es in sechs Spielen schon elf Gegentreffer. Deutschland bleibt damit von den Spitzenmannschaften im internationalen Vergleich die mit Abstand anfälligste.

Man hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass diese Mannschaft nicht souverän und stabil agieren kann. Dafür sind zu viele Spiele gekippt, weggeschenkt, vertändelt worden. Es steckt System dahinter. Das einer offenbar sehr schwer zu findenden Ausgeglichenheit.

Selbst gegen die zweitklassigen Paraguayer, in ihrer WM-Qualifikationsgruppe längst chancenlos Letzter, schaffte es die Mannschaft von Joachim Löw nicht, ein in sich stimmiges Gesamtbild abzuliefern.

Löw und Hummels mahnten

Löw war einer derjenigen, die in den Tagen vor dem Spiel auf das besondere Augenmerk einer verbesserten Defensivbewegung der gesamten Mannschaft hingewiesen hatte. "Wir haben absolut zu viele Gegentore zugelassen. Unser Ziel besteht darin, defensiv gut zu stehen, ohne Catenaccio zu spielen, und vorne noch zwei, drei Tore zu schießen."

Die junge Gäste-Mannschaft hatte zuletzt drei Treffer in einem Spiel gegen Guatemala und El Salvador erzielt. Und jetzt eben gegen Deutschland, das sich einmal mehr als großmütiger Spielpartner outete.

Auch Mats Hummels hatte vor dem Spiel gemahnt. "Wichtig ist, dass die komplette Mannschaft im Defensivverhalten eine Grundidee hat", hatte der Dortmunder gefordert. "Im Abwehrverhalten können wir deutlich besser werden." Wer dem Dortmunder Böses unterstellen wollte, konnte die erste Aussage auch als kleinen Angriff auf den Bundestrainer werten.

Einzel- und Mannschaftskritik

Jedenfalls sprach Löw angesprochen auf die beiden Gegentore mit Hummels' direkter oder indirekter Beteiligung für seine Verhältnisse offen. "Wir haben in den Situationen keinen Druck auf den Ballführenden ausgeübt, so wie wir das besprochen hatten. Wenn ich das sehe, weiche ich zurück. Das erkenne ich als Abwehrspieler, dann kann der Ball nicht in den Rücken gespielt werden."

Per Mertesacker dachte offenbar so und wich kurz zurück. Hummels dachte anders und wähnte Mertesacker auf seiner Linie. Ein klassisches Missverständnis einer nicht eingespielten Innenverteidigung. Aber auch Ausdruck dafür, dass Elementarteilchen weiterhin fehlen.

Löw zürnte aber auch die komplette Mannschaft für ihre vielen Vergehen. "Wir haben in der ersten Halbzeit elementare, krasse Fehler gemacht. Da waren taktische Fehler und Konzentrationsfehler. In der gesamten Defensivarbeit waren wir zu fahrig, der Gegner hatte zu viel Platz."

Bekannte Analysen

Wie in einigen anderen Spielen der jüngeren Vergangenheit fiel seine Mannschaft wieder in eine Spielweise, die zu sehr auf Reaktion und zu wenig auf Aktion ausgelegt war. Und wenn dann selbst etwas gestartet wurde, passte Löw die Wahl der Mittel nicht.

"Wenn eine Mannschaft uns früh angreift, dürfen wir nicht von unserem Spiel abweichen. Also wenn der Gegner herausweicht aus der Abwehr und wir nicht bei unserem Spiel bleiben und nur noch hoch spielen. Das ist ein bisschen mein Lieblingsthema. Manchmal sind wir im Aufbau noch zu passiv", sagte Löw. Und so mancher Zuhörer wunderte sich darüber, solche Analysen nun schon mehrfach gehört zu haben. Nicht nur nach dem Schweden-Spiel.

Philipp Lahm wollte weder dem Ergebnis noch dem Spiel an sich zu viel Bedeutung beimessen und verwies stattdessen lieber auf die Tatsache, dass die Mannschaft nur zweimal gemeinsam trainieren konnte und man sich auf Grund der in den Vereinen unterschiedlichen Spielphilosophien immer erst finden müsse. Und: Er mache sich überhaupt keine Sorgen.

Stattdessen rügte er das launische Pfälzer Publikum, das nicht nur bei den sinnlosen Pfiffen bei Mario Gomez' Einwechslung ebenfalls kaum Länderspielformat zeigte.

Mannschaft genervt von sich selbst?

Immerhin verteidigte die deutsche Mannschaft in der zweiten Hälfte gegen müder werdende Gäste konzentrierter. "Es war ein deutlicher Unterschied zwischen erster und zweiter Halbzeit zu sehen, wenn der Gegner mehr unter Druck gesetzt wird. So wird das eher schwieriger", sagte Hummels.

Was aber von seiner Aussage bezüglich der Fehler vor den Gegentoren zum 0:1 und 2:3 zu halten ist, bleibt sein Geheimnis. "Ich denke mir bei beiden Szenen, dass der Gegner im Abseits steht. Das ist entweder mein Fehler oder der Fehler von irgendeinem anderen. Das ist mir ziemlich wurscht." Der Verdacht liegt nahe, dass die Mannschaft auf gewisse Art genervt von sich selbst ist.

Dass daran aber ein gespanntes Verhältnis zwischen den Bayern- und der Dortmunder Akteuren Schuld sei, verneinte Löw vehement. "Zwischen den Bayern- und den BVB-Spielern funktioniert's. Davon kann man ausgehen. Sie gehen respektvoll miteinander um und wollen den Erfolg. Natürlich gibt es einen Konkurrenzkampf, ganz klar. Aber innerhalb der Nationalmannschaft habe ich so etwas nicht festgestellt. Deshalb gab es heute kein 3:3."

Endlich daraus lernen

Die bekannten Fehler wurden von Paraguay zum Start ins WM-Jahr also nochmals unterstrichen. Bleibt die Frage, wann die konkrete Lösung der Probleme angegangen werden soll. Sich nur auf die Wochen vor dem Turnier zu verlassen, wäre fahrlässig. Zumal die Qualifikation trotz bester Ausgangslage auch noch nicht sicher ist.

"Wir waren nicht auf der Höhe und haben das Spiel vielleicht auf die leichte Schulter genommen. Vielleicht war es eine Leistung zur richtigen Zeit, denn so können wir gegen Österreich nicht spielen. Das war ein Warnschuss", sagte Manuel Neuer und endete mit der Feststellung: "Jetzt müssen wir das analysieren und daraus lernen." Es wäre an der Zeit, nach 18 Monaten.

Deutschland - Paraguay: Daten zum Spiel