Es gibt keine Kleinen mehr

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Borussia Deutschland? Bender, Großkreutz, Götze, Schmelzer und Hummels (v.l.) spielen beim DFB
© Imago

Angesichts verheißungsvoller Talente wie Mats Hummels, Sven Bender und Andre Schürrle muss Joachim Löw um die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft nicht Bange sein. Doch welcher DFB-Youngster hat jetzt schon das Zeug zum EM-Hoffnungsträger?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Joachim Löw kann sich glücklich schätzen. Die deutsche Nationalmannschaft hat bei der WM 2010 mit dem drittjüngsten Team aller Teilnehmer den dritten Platz erreicht, die Perspektiven für die kommenden Jahre sind sehr aussichtsreich.

Die Generation der 24- bis 26-Jährigen ist längst etabliert, bekommt jetzt aber schon gehörig Druck von den jungen Aufsteigern der letzten Bundesliga-Saison.

Es gab Zeiten beim DFB, da wurde jeder einzelne halbwegs talentierte Spieler zur großen Hoffnung der Nation ausgerufen - nur, um dann ein paar Jahre später hart aufzuschlagen.

"Anspruch werden nicht alle erfüllen"

Doch "einfach nur gut sein" reicht im DFB-Team längst nicht mehr. Löw erwartet nicht weniger als internationales Top-Niveau von seinen Spielern. Und ganz besonders von den Nachrückern, die sich ihre Meriten und ihre Lobby erst noch erarbeiten müssen.

"Ich weiß jetzt, wie gut man sein muss. Diesen Anspruch werden nicht alle jungen Spieler erfüllen", erhöht Löw den Druck.

Immerhin ist die Kandidatenliste üppig und die Wahrscheinlichkeit, dass es der eine oder andere bis in die Stammelf schafft, damit umso höher. Zumal bis zur Europameisterschaft in fast genau einem Jahr noch ein bisschen Zeit bleibt.

Aber wer ist derzeit schon wie weit? Wer greift die Stammspieler an, von wem muss noch mehr kommen? Eine Bestandsaufnahme.

 

Mats Hummels (22) - Borussia Dortmund

Status quo: Schon die Nummer drei in der Innenverteidigung. Das WM-Duo Mertesacker/Friedrich hat ein schwieriges Jahr hinter sich und bietet damit Angriffsfläche. Hummels ist dynamischer als Mertesacker und hat auch die bessere Spieleröffnung (77 Prozent Passquote in der Liga), dafür aber noch nicht die Antizipationsfähigkeit des Bremers. Friedrich definiert sich über seine Zweikampfhärte, auch hier muss Hummels zulegen. Dafür ist Hummels mit elf Toren in 88 Bundesliga-Spielen der Torgefährlichste.

Perspektive: Nur eine Frage der Zeit, bis Hummels einen der beiden Platzhirsche ablöst. Allerdings muss er dafür die in Dortmund gezeigten Leistungen auf hohem Niveau bestätigen. Großer Pluspunkt: Hummels wird in der Champions League rasch dazulernen - und dann wohl auch bei der EM zu Einsätzen kommen. "Die Dortmunder Jungs müssen sich weiter entwickeln, denn der Maßstab sind immer die Turniere", sagt Löw.

 

Benedikt Höwedes (23) - FC Schalke 04

Status quo: Fühlt sich in der Innenverteidigung am besten aufgehoben. Die rechte Außenbahn soll nur eine Option sein, kein Dauerzustand. Immerhin hat es Höwedes nach 93 Bundesliga-Einsätzen zum längst überfälligen Debüt in der A-Nationalmannschaft geschafft. Metzelder schlug ihn jüngst als neuen Schalke-Kapitän vor. "Ich habe an Erfahrung dazu gewonnen und ich bin in eine Führungsrolle hineingewachsen", sagt Höwedes selbst. Sein Spiel erinnert am ehesten an das von Friedrich - kompromisslos, aber trotzdem clever im Zweikampf. Momentan ist die Konkurrenz aber noch zu groß.

Perspektive: In der Innenverteidigung wird es für Höwedes bis zur EM verdammt eng mit einem Stammplatz, fast schon aussichtslos. Neben Mertesacker, Friedrich und Hummels ist da ja auch noch der derzeit verletzte Boateng. Bleibt eigentlich nur der Posten als Rechtsverteidiger. Dort hängt alles davon ab, wo Löw Lahm sieht: rechts oder links?

 

Marcel Schmelzer (23) - Borussia Dortmund

Status quo: Hat in dieser Saison mit 34 Startelfeinsätzen beim Meister den Durchbruch geschafft. Eigentlich steht Schmelzer die Welt offen - Linksverteidiger sind in ganz Europa gefragt, kaum einer erreicht dort derzeit Weltklasseniveau. Zumindest auf nationaler Ebene ist der Dortmunder derzeit der Beste, hat aber defensiv wie offensiv deutlich Luft nach oben.

Perspektive: Wie bei Hummels und den restlichen Dortmundern wird die Königsklasse zum Gradmesser, aber auch zur Schule. Bis zur EM wird es aber sehr eng. Sollte Lahm wieder nach links wechseln, sind die Chancen auf einen Stammplatz gleich Null.

 

Sven Bender (22) - Borussia Dortmund

Status quo: Im defensiven Mittelfeld geht es am engsten zu. Schweinsteiger und Khedira sind derzeit unumstritten, dahinter lauern Kroos, Rolfes und zumindest offiziell noch Ballack. Bender zeigte im Australien-Spiel (1:2) gute Ansätze, hatte nun aber mit seiner Verletzung Pech. Sein extrem laufintensives Spiel und seine fantastische Antizipation machen ihn zu einem klassischen Abräumer, auf der defensiven Position kann es Bender mit jedem der Konkurrenten aufnehmen. Sein offensiver Beitrag (nur zwei Assists in der abgelaufenen Saison) könnte noch größer sein.

Perspektive: Für die EM scheint es nahezu unmöglich, in die Startelf zu rücken. Zumal die Doppel-Sechs zusammen mit dem Innenverteidigerpaar die Position ist, die am empfindlichsten auf kurzfristige personelle Veränderungen reagiert. Seine Chance liegt eigentlich nur im Verletzungspech der anderen.

Mario Götze (18) - Borussia Dortmund

Status quo: Sein Aufstieg war in dieser Saison mit sechs Toren und elf Torvorlagen bei 29 Startelfeinsätzen famos. In der Bundesliga gibt es schon jetzt nur noch eine Handvoll Spieler, die technisch besser ausgebildet sind. Was er im Teenie-Alter an Spielverständnis und Abgebrühtheit mitbringt, ist schlicht überragend. Götze hat nur ein Problem: Seine Einsatzgebiete sind im DFB-Team von Weltklassespielern besetzt. Özil ist in der Zentrale sakrosankt, Müller auf der rechten Außenbahn unumstritten. Deswegen bislang nur mit Kurzeinsätzen unter Löw.

Perspektive: Götze hat auf dem Papier das härteste "Schicksal", weil seine Konkurrenz eigentlich überhaupt nicht zur Disposition steht. Ein komplettes Turnier als Stammspieler käme aber ohnehin noch zu früh. "Man kann nicht erwarten, dass junge Spieler gleich eine prägende Rolle übernehmen", sagt Löw. Özil sei dabei eine Ausnahme gewesen.

 

Kevin Großkreutz (22) - Borussia Dortmund

Status quo: Spielt eher unspektakulär und wird bei den Entdeckungen der Saison trotz 34 Einsätzen oft zuletzt genannt. Für das Spiel der Borussia ist Großkreutz aber ein ganz entscheidender Faktor: 15 Torbeteiligungen (7 Treffer, 8 Assists) waren ein äußerst anständiger Wert, daneben besticht er vor allem durch seine hervorragende Defensivarbeit. Manko: Großkreutz ist kein klassischer Flügelspieler und schlägt kaum Flanken. Die Konkurrenz ist mit Podolski, Kroos und Schürrle zudem enorm groß.

Perspektive: Für Großkreutz wird es nahezu unmöglich, bis zur EM bis in die Stammelf durchzustoßen. Andere sind stärker - was die aktuelle Nominierung beweist.

 

Andre Schürrle (20) - FSV Mainz 05 / Bayer Leverkusen

Status quo: Ist in dieser Saison mit 15 Toren förmlich explodiert, bereits im September sicherte sich Leverkusen seine Dienste für die Zukunft. Schürrle kommt am liebsten mit Tempo über den linken Flügel, so kommt sein starker Abschluss mit dem rechten Fuß am besten zum Tragen. Der Konkurrent ist demnach Podolski. Der Kölner hat noch Vorsprung, Schürrle ist aber auf der Jagd. Stark: schon ein Tor und ein Assists in drei Länderspielen.

Perspektive: Bis zur EM könnte es auf der linken Seite zu einem vitalen Konkurrenzkampf kommen. Podolski sollte sich nicht allzu sicher fühlen.

 

Marco Reus (22) - Borussia Mönchengladbach

Status quo: Reus ist eine Spezialwaffe, wie einst Odonkor oder später Marin. Löw will das Element der Tempodribblings noch mehr in sein Spiel einstreuen, Reus ist dafür neben Schürrle nahezu perfekt veranlagt. Dazu kommt ein gefährlicher Torabschluss aus fast allen Lagen (10 Saisontore). Löw ist jedenfalls angetan: "Marco hat eine interessante Entwicklung gemacht und gute Perspektiven."

Perspektive: Der Gladbacher hat ein großes Problem: Er wird allenfalls in Testspielen seine Tauglichkeit auf internationalem Parkett beweisen können. Ein Platz in der Startelf des DFB-Teams dürfte für Löw ein zu großes Risiko sein.

 

Julian Draxler (17) - FC Schalke 04

Status quo: Derzeit denkt noch niemand so recht an Draxler. Der Schalker ist im Klub eher Joker und erscheint auf den ersten Blick viel zu weit weg für einen Platz im DFB-Team. Löw hatte jedoch erst jüngst betont, dass Draxler längst in seinem Notizbuch steht. Seine Technik ist ähnlich wie bei Götze für einen Teenager sensationell, schon in sehr jungen Jahren war Draxler für die ganz besonderen Momente verantwortlich. Löw sagt jedenfalls: "Er ist ein großes Talent und hat gute Möglichkeiten."

Perspektive: Im Moment stehen die Chancen bei Null. Aber wer weiß, was S04-Trainer Ralf Rangnick in einem Jahr alles aus Draxler herausholen kann...

 

Von Adler bis Westermann: Löws erweiterter DFB-Kader

Artikel und Videos zum Thema