"Bierhoffs Verhalten war amateurhaft"

Von Aufgezeichnet von Haruka Gruber
Ob diese drei Herren die deutsche Nationalmannschaft auch noch nach der WM 2010 betreuen?
© Getty

Die geplatzte Vertragsverlängerung des DFB mit Teammanger Oliver Bierhoff und dem Coachingteam um Bundestrainer Jogi Löw zeigte deutlich auf, welch tiefe Gräben sich aufgetan haben. Und dass der DFB vor einem Richtungsstreit steht. Einige Medien spekulieren sogar, dass Bierhoff-Gegner Matthias Sammer vom Sportdirektor- auf den Trainerposten wechseln könnte. Am Freitag konterte Löw und dementierte den angeblichen Handschlag-Vertrag mit Präsident Theo Zwanziger. Wie geht es weiter? SPOX fragte fünf Ex-Nationalspieler - und bekam kontroverse Meinungen.

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"Einige beim DFB wollen nicht ihren Einfluss einbüßen"

von Fredi Bobic (37 Länderspiele, Europameister 1996 mit Bierhoff und Sammer)

Die Entwicklung ist unverständlich, immerhin gab es zwischen Jogi und dem DFB bereits eine Einigung per Handschlag. Zumindest wurde es so dargestellt. Ich werde von den jüngsten Entwicklungen nicht schlau - zumal solche Randerscheinungen immer auch Unruhe in die sportlichen Planungen bringen. Die größte Stärke des DFB ist es, als verschworene Einheit zu einem Turnier zu fahren. Wenn es keine Probleme im Umfeld gab, lief es immer gut. Diesmal wird es eben nicht so, man muss sehen, wie mürbe die Auseinandersetzungen machen.

Dass Löw und Bierhoff immer neue Wege gehen wollen, ist bekannt. Sie wollen vieles ändern - und das stößt den einen oder anderen beim DFB sauer auf, weil sie nichts vom Einfluss einbüßen wollen oder weil es einfach zu schnell geht. Trotzdem hat jeder die Pflicht, den Konsens zu suchen. Dieser Wille ist zurzeit nicht erkennbar.

Zuletzt wurde darüber spekuliert, ob Matthias Sammer Löw ersetzen könnte. Ich habe Matthias noch als Trainer erlebt und ich weiß, dass er vom Wesenszug her mehr wie ein Trainer denkt - und nicht wie ein Sport-Funktionär. Aber ich will damit nicht unterstellen, dass Matthias auf das Amt des Bundestrainers spekuliert.

 

"Das hat nichts mit Fairness zu tun"

von Thomas Berthold (62 Länderspiele, WM-Teilnahme 1994 mit Sammer)

Wenn es stimmt, dass Bierhoff tatsächlich bei der außerordentlichen Präsidiumssitzung eine Signing Fee für sich und dem Trainerteam gefordert hat, kann ich nur darüber lachen. Signing Fees sind meinetwegen bei Transfers von Spitzenspielern Usus, aber dass jetzt schon ein Angestellter eines Verbands anfängt, kurz vor Toreschluss so etwas zu fordern, finde ich höchst interessant. Das hat nichts mit Fairness zu tun.

Ich finde es generell sehr ungewöhnlich, dass mit Bierhoff eine Person gleich das Interesse von vier Personen vertritt. Das ist fast schon wie ein Kartell, von wegen: friss oder stirb. Ich bin gespannt, ob vor allem für Löw die Taktik aufgeht. Statt sich einen eigenen Berater zu nehmen, hat er Bierhoff mit den Verhandlungen beauftragt. Er pokert hoch - dabei müsste er wissen, dass nur Trainer vom Schlage eines Fabio Capello die freie Auswahl haben. Ein so guter Arbeitgeber wie der DFB, bei dem man langfristig und konstruktiv arbeiten kann, ist die absolute Ausnahme - und das weiß der Verband auch. Jobs beim DFB sind heiß begehrt, dementsprechend hat er auch andere Optionen, davon gehe ich aus.

Ob ich aber Sammer das Löw-Erbe zutrauen kann, bin ich mir nicht sicher. Um eine deutsche Nationalmannschaft zu trainieren, muss man eigentlich zehn Jahre erfolgreich als Coach gearbeitet haben. In Dortmund war er mit einem sehr guten Team erfolgreich, in Stuttgart hatte er Probleme.

Bleibt die Personalie Bierhoff: Ich glaube, dass er mit der Forderung nach dem Signing Fee einen großen strategischen Fehler begangen hat. Bei den Herren des DFB ist sie sehr unglücklich aufgenommen worden. Und sein Wunsch, dass die Nationalmannschaft vom Verband quasi abgelöst wird, mag aus kommerziellen Gesichtspunkten verständlich sein. Aber dafür ist eine Statutenänderung nötig. Um so etwas durchzusetzen, müsste man aber besser vorbereitet sein und Mehrheiten beschaffen. Das hat er verpasst. Man kann sagen, dass sich Bierhoff amateurhaft verhalten hat. Die Nationalmannschaft gab es schon vor Bierhoff und sie wird es auch nach Bierhoff geben. Das weiß der DFB - und das sollte keiner unterschätzen.

 

"Löw-Verlängerung sollte außer Frage stehen"

von Sepp Maier (95 Länderspiele)

Ich verstehe überhaupt nicht, dass die ganze Diskussion jetzt aufkommt. Jogi Löw hat bisher einen ausgezeichneten Job gemacht, daher dürfte es außer Frage stehen, dass er einen neuen Vertrag bekommt. Dass Löw daher auch finanziell etwas erwartet, ist sein gutes Recht.

Nicht verständlich ist aber, dass er und Oliver Bierhoff auch Mitspracherecht bei der U 21 fordern. Jeder sollte sich um seinen eigenen Kram kümmern, die beiden für die A-Nationalmannschaft, Matthias Sammer für den Nachwuchs. Alles andere bringt nur Verwirrung.

Den Konflikt zwischen Bierhoff und Sammer sehe ich aber nicht so dramatisch wie die Medien. Manchmal ist es gut, wenn unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen. Denn ohne Reibung plätschert alles vor sich hin. Nur irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man sich einigen muss.

 

"Der DFB muss Löw marktgerecht bezahlen"

von Olaf Thon (52 Länderspiele, WM-Teilnahme 1998 mit Bierhoff)

Man hätte es nie so weit kommen lassen dürfen. Nach der WM 2006 lieferten alle Beteiligten einen guten Job ab, umso unerklärlicher ist es, dass es so weit kommen musste. Jetzt wird alles in der Öffentlichkeit ausgetragen und die Dinge müssen bis Südafrika ausgesessen werden.

Der große Verlierer der letzten Tage ist das Trainerteam um Löw. Völlig unnötig hat es sich unter Druck gesetzt - wobei ich auch sagen muss: Löw hat bisher gezeigt, dass er exzellent mit Druck umgehen kann. Und kein Spieler wird versuchen, die ungeklärte Situation als Ausrede zu nutzen, weil jeder weiß, dass Löw seine Linie immer durchzieht. Das haben Frings und Kuranyi schon erfahren.

Vielleicht liegt der Grund der Unstimmigkeiten auch darin, dass der DFB sich daran gewöhnen muss, seine besten Leute auch marktgerecht zu bezahlen. Dass ausgerechnet die finanziellen Details an die Presse gelangt sind, hat einen faden Beigeschmack. Ob wegen Löws Gehaltsvorstellungen womöglich Sammer als Nachfolger in Frage kommt, weiß ich nicht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass er erst eine Bundesliga-Mannschaft trainiert, sollte er mal nicht mehr DFB-Sportdirektor sein. Für den Verband ist es aber auf jeden Fall nicht verkehrt, einen fähigen Mann in der Hinterhand zu wissen.

 

"Die Parteien werden sich einigen"

von Uwe Seeler (72 Länderspiele)

Warum die Gespräche zwischen dem DFB und Bierhoff beziehungsweise dem Trainerteam nicht erfolgreich verlaufen sind, kann ich nur schwer kommentieren, weil ich die finanziellen Details nicht kenne. Aber ich gehe davon aus, dass sich beide Parteien über kurz oder lang einigen werden.

Denn ich kenne alle Beteiligten sehr gut und weiß aus erster Hand, dass es allen große Freude macht, für den DFB zu arbeiten. Daher glaube ich auch nicht, dass die gescheiterten Verhandlungen Auswirkungen auf die Mannschaft haben werden. Im Gegenteil: Die Spieler sind allesamt professionell genug, um sich auf die WM, den größten Höhepunkt ihrer Karriere, zu konzentrieren.

Ein fauler Kompromiss: Die SPOX-Meinung zum DFB-Konflikt