Und plötzlich Europas Nummer eins

Von Daniel Börlein
Die deutsche U 21 wurde beim Turnier in Schweden Europameister
© Getty

Amtierender Europameister der U 17, U 19 und U 21, das schaffte bislang noch keine Nation. Dem DFB ist dieser Coup durch den jüngsten Titelgewinn in Schweden - dem einzigen seit 1982 - nun gelungen. Dabei war man jahrelang nicht mal mit dabei, wenn die besten Nachwuchsteams um Europas Krone kämpften.

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Alles Zufall? Mitnichten: Für die aktuellen Erfolge des Nachwuchses hat man beim DFB vor allem nach der verkorksten EM 2000 der A-Nationalmannschaft vieles getan. SPOX zeigt Maßnahmen und Gründe des Aufschwungs auf.

Einführung von DFB-Stützpunkten: In den 90er Jahren lief nur etwa die Hälfte der debütierenden A-Nationalspieler schon im Alter von 15 oder 16 Jahren in einem U-Nationalteam auf. Die andere Hälfte gehörte zwar zu den regionalen Spitzentalenten, entwickelte sich aber erst später zu absoluten Top-Spielern - und verpasste dadurch oftmals eine zielgerichtete und qualifizierte Grundausbildung. Noch schlimmer: Viele Talente wurden gar nicht erst entdeckt.

Dem wollte man seitens des DFB entgegenwirken und führte mit Beginn der Saison 2002/2003 insgesamt 387 so genannte Stützpunkte ein, mit dem Ziel, möglichst viele talentierte und leistungsbereite Nachwuchsspieler zu erfassen und zu fördern. Die Chance, dass dem DFB ein Talent durch die Lappen geht, wurde dadurch deutlich minimiert.

Insgesamt trainieren derzeit rund 16.000 Jugendliche als Ergänzung zum Vereinstraining an DFB-Stützpunkten und werden dort von etwa 1200 Honorartrainern, die jährlich über 500.000 Arbeitsstunden leisten, geschult. Zudem beschäftigt der DFB 29 hauptamtliche Stützpunktkoordinatoren. Gesamtkosten des ganzen Projekts: 10 Millionen Euro pro Jahr.

Das Ergebnis: Mehrere Akteure, wie die U-17-Titelträger Lennart Thy und Yunus Malli oder U-19-Champion Deniz Naki, schafften über die Ausbildung an den Stützpunkten den Sprung zum Europameister.

Einführung von Leistungszentren: Mit der Einführung der Stützpunkte setzte der DFB an der Basis an, gleichzeitig trieb man allerdings auch die Nachwuchsförderung bei den Profi-Vereinen voran. Seit 2002 müssen Klubs der ersten und zweiten Liga im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens ein Leistungszentrum für Junioren nachweisen, dessen Ausbildungsqualität regelmäßig vom DFB zertifiziert wird. Kaum ein Zweitligist hatte vorher eine vergleichbare Einrichtung und auch Klubs wie der VfL Wolfsburg, Hannover 96 oder der 1. FC Nürnberg zogen dann erst nach.

Rund 15.000 Euro gibt ein Klub für einen Spieler aus, der im vereinseigenen Internat wohnt - ohne Unterkunft und Verpflegung. Insgesamt wendeten die Bundes- und Zweitligisten in der Saison 2008/2009 rund 70 Millionen Euro für ihre Leistungszentren auf.

Zusätzlich zu den Leistungszentren startete der DFB in Zusammenarbeit mit den Vereinen Ende 2006 das Projekt "Eliteschulen des Fußballs". Dort genießen Spitzentalente, die nicht in Leistungszentren untergebracht sind, neben der schulischen auch eine gezielte, fußballspezifische Zusatzausbildung. Schalkes Manuel Neuer besuchte beispielsweise eine dieser Eliteschulen.

Verbesserte Trainerausbildung: Einen Teamchef a la Franz Beckenbauer wird es nicht mehr geben, auch auf einen Schnellkurs für verdiente Ex-Profis verzichtet man mittlerweile beim DFB. Wer Trainer werden will, muss die entsprechende Ausbildung durchlaufen und verschiedene Lizenzen erwerben.

Als Stützpunkttrainer oder Coach in einem Leistungszentrum muss man Inhaber des B-Scheins sein, als Oberliga-Trainer braucht man die A-Lizenz und für ein Engagement im Profi-Bereich muss man an der Sporthochschule in Köln in einem zehnmonatigen Lehrgang seinen Fußball-Lehrer-Schein erwerben.

"Wir haben sicher nicht weniger Talente als Spanien, Holland oder Italien. Deshalb muss es das Ziel sein, das vorhandene Niveau durch qualifizierte Trainer fortzuführen und zu verbessern", sagt U-17-Europameistercoach Marco Pezzaiuoli gegenüber SPOX. Dazu wurden mit Frank Wormuth (Fußball-Lehrer) und Bernd Stöber (A- und B-Lizenz) zwei Ausbilder installiert, die den Kurs und die Philosophie von Sportdirektor Matthias Sammer und Bundestrainer Joachim Löw verinnerlicht haben und umsetzen.

Professionalisierung beim DFB: Seit April 2006 ist Sammer der erste Sportdirektor in der Geschichte des DFB. Und seit der ehemalige Nationalspieler im Amt ist, hat sich einiges getan. Vor allem bei den Elitespielern in Deutschland, für deren Förderung Sammer ein Zehn-Punkte-Programm (siehe Faktenbox links) ausarbeitete. Für diejenigen also, die nun U-17-, U-19- und U-21-Europameister sind.

Mittlerweile finden in den U-Mannschaften fast bei allen Lehrgängen sportmedizinische Untersuchungen und Leistungstests statt. Die Ergebnisse werden, genauso wie die Erkenntnisse aus Spiel- und Spielerbeobachtungen, detailliert in Datenbanken eingepflegt. "Die Spieler sind dadurch mehr oder weniger gläsern für die Trainer", sagt Sammer. Die Folge: Mit den jungen Leuten kann weitaus gezielter gearbeitet werden.

Deshalb wurden auch die Trainerstäbe beim DFB deutlich erweitert. Mittlerweile hat jeder Jahrgang - angefangen bei der U 15 - drei Physiotherapeuten, einen Arzt, einen Psychologen, einen Fitnesstrainer, einen Torwarttrainer und sogar einen Videoanalysten bei jedem Lehrgang mit dabei. "Das sind sehr professionelle Strukturen, fast so wie bei einem Klub in der Bundesliga", sagt Pezzaiuoli und macht damit deutlich, welche Bedeutung man dem Nachwuchs beim DFB inzwischen beimisst.

Auf Seite 2: Persönlichkeitsentwicklung und Individualförderung