Champions-League-Taktikkolumne von Fabian Hürzeler: Alaba und die innere Linie

Von Fabian Hürzeler
David Alaba und der FCB kamen gegen Ajax nicht über ein Remis hinaus.
© getty

Fabian Hürzeler ist eines der größten Trainertalente im deutschen Fußball. Vor Kurzem hat SPOX den 25-Jährigen im Interview vorgestellt. Hürzeler wird in dieser Saison ausgewählte Highlight-Spiele der Champions League (heute u.a. Lok Moskau vs. Schalke und Neapel vs. Liverpool live auf DAZN) für SPOX unter die Lupe nehmen. In der zweiten Folge der Taktikkolumne geht es um die Nachbereitung von Bayerns Remis gegen Ajax.

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Bayerns Drangphase

Bayern legte sehr gut los im 4-3-3 System, in dem Müller versuchte, aus dem Halbraum zu agieren und Thiago eher beim Spielaufbau beteiligt war und sich immer wieder fallen ließ, um den Innenverteidigern eine weitere Passoption zu bieten.

In den ersten Minuten bekam Ajax keinen Zugriff auf den halblinken Halbraum, aus dem immer wieder Müller und auch Robben agierten und dadurch Druck auf die gegnerische Kette entwickelt werden konnte.

Zudem hatten sie häufig einen Positionswechsel in ihr Spiel integriert, indem sich Müller nach außen bewegte und Robben sich mehr ins Zentrum positionierte. So hatten die Bayern gleich zu Beginn gute Möglichkeiten und erzielten auch absolut verdient die Führung.

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Gutes Anlaufverhalten von Ajax

Ajax wirkte jedoch keineswegs verunsichert und wurde von Minute zu Minute selbstbewusster. Ihren Mut holten sie sich auch aufgrund einer sehr guten Defensivarbeit. Sie agierten im 4-2-3-1-System und versuchten, die drei Mittelfeldspieler von Bayern sehr mannorientiert zuzustellen.

Stürmer Tadic versuchte, einen Innenverteidiger abzukappen und diesen unter Druck zu setzen, sodass dann meist nur ein langer Ball als Notlösung blieb. Eine mögliche Lösung wäre hier gewesen, über ein Dreiecksspiel mit Martinez den anderen Innenverteidiger in eine offene Stellung zu bringen oder die ballentfernte Seite zu bespielen, wenn der gegnerische Außenstürmer auf den anderen Innenverteidiger spekulierte.

Zudem hätte sich Kimmich deutlich höher positionieren und Robben mit Läufen von außen nach innen in den Rücken der Abwehr für Raum sorgen können, welchen Boateng mit einem mutigem Andribbeln genutzt hätte. Ajax versuchte, im Pressing eine Seite zu verdichten und bekam die Halbräume immer besser zu.

Bayern verpasste es wie in den letzten Spielen, wenn der Gegner sie presste, auch mal auf den zweiten Ball zu gehen. Indem sie einen Chipball auf Lewandoswki spielen und sich beide Außenstürmer Ribery und Robben eng um Lewandowski positionieren, sowie beide 8er schnell nachrücken, um auch mal das Pressing des Gegners zu überspielen und sich in der gegnerischen Hälfte bei Ballgewinn festzusetzen.

Zudem sah man, über welch überragenden Offensivspieler Ajax verfügt, speziell Ziyech (22) hatte stets in engen Situationen eine spielerische Lösung parat und zog mit seinem linken Fuß immer wieder nach innen.

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Tadic als falsche 9

Tadic (10) ließ sich immer wieder nach außen fallen bzw. positionierte sich gut zwischen dem Innen- und dem Außenverteidiger, sodass sich meist keiner von den Bayern-Verteidigern für ihn verantwortlich fühlte. Er konnte sich stets in eine offene Stellung bringen und das Spiel vertikal fortsetzen.

Ajax entwickelte dann sehr große Torgefahr, wenn das Team aus dem Mittelfeld heraus mit Läufen in die Tiefe immer wieder in den Rücken der Bayern-Abwehr kam. Speziell van de Beek (6) und Ziyech machten diese Wege und wurden dann meist von Tadic mit einem Schnittstellenpass bedient. So fiel auch der Ausgleich: Tadic ließ sich als Anspielstation ins Mittelfeld fallen und bediente den Außenverteidiger Mazraoui. Alaba hatte in dieser Situation wie zuletzt auch schon Probleme, die innere Linie zum Tor für sich zu behaupten. Verliert man einmal in einem direkten Duell die innere Linie, so ist es sehr schwer, diese wiederzugewinnen. Das Gegentor war hierfür ein perfektes Beispiel.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit war sehr auffällig, dass sich Tadic meist auf die Seite von Kimmich und Boateng positionierte. Er kreierte dadurch auch immer wieder eine Überzahl, die Bayern in dieser Phase nicht unter Kontrolle bekam. Die beiden Außenstürmer von Ajax wechselten zudem ständig ihre Positionen, sodass sich keiner der Außenverteidiger von Bayern auf einen konstanten Gegenspieler einstellen konnte.

Zudem schaffte es Bayern nicht, den Halbraum zu schließen. Speziell bei Ribery fehlte die Bindung zu den zentralen Mittelfeldspielern. So bewegte sich Ziyech von außen nach innen in den Halbraum und konnte sich in eine offene Stellung bringen, was Ajax ermöglichte, relativ simpel in das letzte Drittel von Bayern zu gelangen.

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Positionierung von Alaba - fehlende Dynamik

Im Spielaufbau versuchte Ajax weiterhin, eine Seite extrem zu verdichten. Alaba hätte sich in diesen Situationen öfters im Zentrum (hinter dem gegnerischen Außenstürmer) positionieren sollen, speziell wenn Kimmich oder Boateng den Ball hatten. Dadurch wäre es möglich gewesen, den Ball im Zwischenraum zu halten und dann Druck auf die gegnerische Kette ausüben zu können. Aufgrund der Positionierung wäre auch eine bessere Spielfortsetzung möglich gewesen, da er aus dem Zentrum deutlich mehr Optionen gehabt hätte im Vergleich zu einer Positionierung an der Außenlinie.

Im Laufe der zweiten Halbzeit ließ sich Ajax immer weiter nach hinten reindrücken. Die Holländer standen dann meist in einem 4-5-1-Abwehrpressing. Bei den Bayern wirkte aber alles sehr statisch und die Offensivspieler agierten meist auf einer Linie, sodass es aufgrund fehlender Tiefenstaffelung bzw. fehlender Tiefenläufe nicht gelang, in den Rücken der Abwehr zu kommen und sich so Torchancen zu erspielen. So wurden sie meist nur über individuelle Aktionen von Ribery und dem hinterlaufenden Alaba gefährlich. Hier gilt es auch der jungen Ajax-Viererkette um Kapitän de Ligt ein Kompliment auszusprechen.

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Einwechslung von James und Gnabry

Nach der Einwechslung von James veränderte sich das Spiel ein wenig in seiner Statik. Es wurde wesentlich linkslastiger, da James sich immer wieder auf die linke Seite positionierte und die Bayern dadurch versuchten, eine Überzahl herzustellen. Die rechte Seite war dann meist nur einfach mit Kimmich besetzt - Müller sowie Lewandowski agierten im Zentrum.

Die Bayern versuchten, nun deutlich mehr Flanken zu schlagen, die jedoch meist vom guten Torwart Onana abgefangen wurden. Ajax sorgte stets für Entlastung und konterte das ein oder andere Mal gefährlich. Zudem leisteten sich die Bayern teilweise kapitale Fehler im Spielaufbau, die Ajax zu Ballbesitzphasen verhalfen.

Gnabry brachte mit seiner Einwechslung dann wieder das Element ins Spiel, was schmerzlich gefehlt hatte. Er machte immer wieder sehr gute Läufe in den Rücken der Abwehr und kreierte eine gewisse Dynamik im Spiel nach vorne. Dadurch entstand auch die beste Möglichkeit des Spiels durch James.

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Fazit

Bayern war auf Wiedergutmachung aus. Das zeigte das Kovac-Team auch zu Beginn sehr eindrucksvoll. Die frühe Führung brachte jedoch kein Selbstvertrauen und auch das Selbstverständnis im Bayern-Spiel kam nicht zurück. Ajax wurde mit seiner jungen Mannschaft von Minute zu Minute mutiger und zeigte teilweise beeindruckende Passkombination.

Bayern fand im gesamten Spiel kein Mittel gegen den sehr beweglichen Tadic, der seine Mitspieler immer wieder gut in Szene setzte. Zudem wirkten die Spieler von Ajax wesentlich befreiter und agiler. Letztendlich muss Bayern mit dem Punkt zufrieden sein, da Ajax die größere Anzahl an guten Tormöglichkeiten hatte. Eine Wiedergutmachung war das Spiel jedenfalls nicht.

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