"Neapel liebt Fußball heiß und innig"

Von Interview: Michael Stricz
Gökhan Inler kam 2011 von Udinese Calcio zum SSC Neapel
© getty

Gökhan Inler spielt beim SSC Neapel im Mittelfeld eine zentrale Rolle. Vor dem Duell mit Borussia Dortmund (Mi., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) spricht er über besondere Momente im Stadion San Paolo, die Liebe der Fans, sein Interesse am BVB, den neuen Trainer Rafael Benitez und die Schweizer Nationalmannschaft.

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SPOX: Herr Inler, wo haben Sie die CL-Auslosung verfolgt?

Gökhan Inler: Ich saß zu Hause auf der Couch vor dem Fernseher. Als Dortmund in unsere Gruppe gezogen wurde, freute ich mich sehr. Es ist doch das Größte, sich mit den Besten zu messen.

SPOX: Es gibt sicherlich leichtere Gegner als Dortmund, Marseille und Arsenal.

Inler: Es ist eine schwierige Gruppe, aber auch attraktiv. Jedes Spiel wird intensiv werden, jeder kann jeden schlagen. Und vor zwei Jahre hatten wir ja auch eine sehr schwere Gruppe...

SPOX: Mit Villarreal, Manchester City und dem FC Bayern...

Inler: Genau. In der Champions League sind aber alle Gruppen schwer. Für uns ist das Ziel weiterzukommen.

SPOX: Zum Auftakt geht es gleich gegen den BVB. Sehen Sie Schwachstellen, die Napoli ausnutzen kann?

Inler: Es ist schwierig, etwas zu einer Schwäche zu sagen, nachher kommt vielleicht alles ganz anders. Ich beobachte den BVB schon seit Jahren, habe mit Udinese auch schon gegen sie gespielt. Sie haben sich in den letzten Jahren mit Jürgen Klopp enorm weiterentwickelt. Er macht einen super Job, vor allem auch mit den jungen Spielern. Dortmund ist spielerisch sehr stark, jung und hungrig, das gefällt mir.

SPOX: Die Napoli-Fans gelten als heißblütig, beinahe fanatisch. Macht Ihnen diese Liebe im Alltag manchmal zu schaffen?

Inler: Es ist schon interessant und ganz anders als in Udinese oder in der Schweiz. Man ist in Neapel ein Idol, ein Star für die Leute. Sie kennen jede deiner Bewegungen. Da ist es egal ob man mit Kappe oder mit Brille rausgeht.

SPOX: Sie können also nicht in Ruhe einkaufen?

Inler: Shoppen geht schon, wenn man es gut organisiert (lacht). Aber ich war seit zwei Jahren nicht mehr Lebensmittel einkaufen...

SPOX: Seit zwei Jahren?

Inler: Ich lebe lieber etwas zurückgezogen. Andere machen das vielleicht anders. Ich habe meine Freundin, die das zum Glück für mich macht.

SPOX: Was macht für Sie das Besondere am Leben in Neapel aus?

Inler: Seit ich klein bin, liebe ich Fußball. Ich bin hier in eine Stadt gekommen, die den Fußball heiß und innig liebt. Die Menschen machen die Stadt zu etwas Besonderem, sie leben für den Fußball. Fans wie in Neapel gibt es auf der Welt selten. Das werden die Leute aus Dortmund erleben. Schauen Sie einmal, wenn die Hymne der Champions League erklingt, auf die Napoli-Fans. Das ist einmalig. So etwas habe ich noch bei keinem anderen Verein gehört. Als Spieler gibt einem das einen riesigen Schub.

SPOX: In Neapel hat sich sportlich einiges getan. Der Wechsel von Edinson Cavani, Rafael Benitez als neuer Trainer, die Abkehr von der Dreierkette... Fällt einem die Umstellung als Spieler schwer?

Inler: Nein, überhaupt nicht. In der Schweizer Nationalmannschaft spielen wir ja auch im 4-2-3-1, deswegen war das für mich taktisch kein Problem. Aber es dauert natürlich eine Weile, bis alle integriert sind und die Automatismen funktionieren.

SPOX: Trotzdem stehen sie nach drei Spieltagen mit neunPunkten an der Spitze der Serie A. Was macht denn Benitez gravierend anders als Walter Mazzarri?

Inler: Wir wollen das Spiel mehr kontrollieren und mehr in Ballbesitz sein, das ist wohl der größte Unterschied.

SPOX: Unter Mazzarri hat Napoli sehr offensiv gespielt, Benitez legt mehr Wert auf eine geordnete Defensive, der Umstellungsprozess wird noch einige Zeit dauern. Kommt Dortmund vielleicht etwas zu früh, der BVB ist ja sehr stark im Umschaltspiel?

Inler: Wir auch (lacht). Aber das stimmt schon, Benitez legt sehr viel Wert auf Ordnung. Dortmund ist da ganz ähnlich. Ich denke, wenn die Systeme ähnlich sind, werden die Zweikämpfe entscheiden. Die Zuschauer können sich auf ein intensives Spiel freuen.

SPOX: Mit vielen Toren?

Inler: Es muss natürlich trotzdem alles geordnet sein. Wenn du drei Tore bekommst und vier machst, ist das schon okay. Aber du hast eben trotzdem drei bekommen.

SPOX: Für Benitez sicher ein Graus?

Inler: Absolut! Man muss die Balance zwischen Offensive und Defensive finden.

SPOX: Benitez hat bereits mit mehreren Teams Titel gewonnen, die nicht unbedingt zum engeren Favoritenkreis gehörten, ich erinnere da besonders an Liverpool in der Champions League 2005. Ist er vielleicht genau der richtige Trainer für Neapel?

Inler: Er macht das sehr gut. Benitez kommuniziert sehr viel mit den Spielern. Alle sind beteiligt, er zeigt jedem, dass er wichtig ist. Aber auch den Leuten um das Team herum wie Physios oder Assistenten... Er ist ein guter Organisator. Ich finde das sehr positiv.

SPOX: Was erwartet Benitez von Ihnen?

Inler: Ich bin in der Mannschaft eine zentrale Figur, muss der Mannschaft Stabilität geben. Wir sprechen über kleine Details im technischen und taktischen Bereich, das imponiert mir.

SPOX: Steven Gerrard sagte einst über Benitez, er habe noch nie einen Trainer gehabt, der so viel über Taktik weiß wie Benitez.

Inler: Das stimmt, das kann ich nur bestätigen und er kann es auch vermitteln. Er erklärt die Dinge fußballerisch sehr einfach.

SPOX: Er spricht die Sprache der Spieler?

Inler: Genau. Er hat auch einen genauen Plan, wie sich jeder Spieler weiterentwickeln soll. Die Resultate sprechen für sich.

Seite 2: Inler über den Scudetto, Shaqiri und die Schweizer Nationalmannschaft