8000 Punkte, Graham!

Von Für SPOX im Signal Iduna Park: Jochen Tittmar
Jürgen Klopp: "Bei Country Roads muss man eh nur schreien"
© getty

Einen Tag nach dem FC Bayern München lud auch Borussia Dortmund zum "Media Day". Das fast dreistündige Frage-und-Antwort-Spiel förderte einige skurrile Geschichten zu Tage. Mit dabei: Currywurst, Karaoke, Hans-Joachim Watzkes Romantik und ein Trainingsgast von einem Verein mit verrücktem Namen.

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Am Mittwochmorgen platzte der Presseraum in der Nordtribüne des Signal Iduna Park aus allen Nähten. Die Stadionbediensteten mussten sogar die Trennwand zum Nebenraum beiseiteschieben, um dem Ansturm gerecht zu werden. Der BVB richtete den von der UEFA vorgeschriebenen "Media Day" aus - und die Journaille rannte dem Klub die Bude ein.

160 Journalisten, darunter 32 Kamerateams, drängten sich in den Raum. So viele Menschen dieser Berufssparte kamen in Dortmund noch nie zusammen. Zehn Tage vor dem Champions-League-Finale gegen den FC Bayern München platzierte die Borussia sieben Angestellte aufs Podest, die sich aufgeteilt in vier Runden jeweils ausgiebig befragen ließen.

Man könnte Karten für Jürgen Klopps Pressekonferenzen verkaufen, mutmaßte ein Kollege aus England kurz vor Beginn des PK-Marathons am Schnittchenbüffet und lud sich quasi zum Frühstück eine gesalzene Portion Currywurst auf die Schale. "Der Laden wäre trotzdem immer voll."

Die Kappe schützt vor Regen

Um kurz nach 10 Uhr startete Dortmunds Coach auch den Reigen. Der Typ Klopp scheint im Ausland dermaßen gut anzukommen, dass er sich - wohlgemerkt auf einer Pressekonferenz zum Endspiel des prestigeträchtigsten Klub-Wettbewerbs im Fußballsport - auch allerhand dämliche Fragen gefallen lassen muss. Offenbar ganz nach dem Motto: Sir Alex Ferguson würde uns in Manchester zeitlebens vom Vereinsgelände verbannen, aber Klopp reagiert immer so gelassen, dann können wir ihm auch jede noch so skurrile Frage stellen.

Und so musste der Trainer auf Nachfrage eines französischen Journalisten auch mit der Erklärung eröffnen, weshalb er sich als Pöhler definiere. Er trage ja schließlich immer diese Kappe mit entsprechendem Schriftzug. Und Klopp spielte wie so oft gekonnt und sofort mit, erklärte die Bedeutung des Begriffes ausführlich und rechtfertigte: "Die Kappe sitzt auch gut und schützt dazu vor Regen."

Alternativplan Rockstar

Als er davon die englische Übersetzung zu hören bekam, kam wohl auch der currywurstgestärkte Kollege von der Insel nicht mehr umher und schoss los: Was hätte denn Klopp mit sich angefangen, wenn er nicht Fußballtrainer geworden wäre - es war dies die erste Frage in englischer Sprache. Rockstar vielleicht? Und welcher ist eigentlich Klopps liebster Karaoke-Song?

8000 Punkte hätte er schon einmal auf der Playstation erzielt, als er "Country Roads" gesungen habe. Da müsse man ja nur laut schreien, erwiderte Klopp und hielt danach den Übersetzer an, auch den Part mit den "eight thousand points" zu erwähnen.

Nein, er konnte nicht anders, gab der Engländer während der erste Pause beim kurzen Plausch immerhin zu und griff beherzt in die Obstschale, als sich alle anderen die Currywurst zu Gemüte führten. Nicht nur die Arbeit, die Klopp abliefert, auch sein charmantes Auftreten in der Öffentlichkeit seien die Gründe, weshalb er in Großbritannien so beliebt ist, schwärmte der Kollege, dessen Name bei aller Unterhaltung irgendwie unter den Tisch fiel.

Die "th"-Blöße

In der Folge, als die Herren Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc vom Podium sprachen, wurden gesittete Fragen gestellt. Mit gönnerhaftem Gestus antwortete Watzke auf eine davon im typischen Englisch eines Deutschen, Zorc wollte sich die "th"-Blöße wohl lieber nicht geben.

Doch sein Nebensitzer geriet ins Plaudern und breitete vor den andächtig lauschenden ausländischen Journalisten noch einmal den kometenhaften Aufstieg vom Vorraum der Pathologie bis hin ins Champions-League-Finale aus, den die deutschen Pressevertreter mittlerweile auswendig vorbeten können, die Kollegen außerhalb der Landesgrenzen aber weiterhin als Fußballmärchen mit offenen Mündern goutieren.

Fußball-Romantik mit Watzke

Erst recht, als Watzke eine romantische Anekdote kundtat, wonach er zu Zeiten der Fast-Insolvenz mit Patrick Lynch von der Investmentbank "Morgan Stanley", mit der der BVB zu jener Zeit einen Kreditvertrag abschloss, in einem Pub in London saß und trotz der hehren Aussichten für die Gegenwart verkündete: "Patrick, irgendwann sitzen wir beide zusammen beim Champions-League-Finale." Hach.

Nächste Pause. Der Engländer, wir nennen ihn jetzt einfach mal Graham, steht draußen beim Rauchen. Abwechselnd zieht er an der Kippe und beißt in ein kleines Kuchenstück. Grahams Blick schweift genüsslich durch das leere Stadion, direkt unter und in der Ferne vor ihm erstrecken sich die Stehplatzbereiche.

Keine 20 Euro Eintritt, ein Bier trinken und stehen zu dürfen - als "fantastic" preist Graham die Vorzüge in deutschen Arenen an und bekommt von einem etwas abseits stehenden Kollegen, der sich dann als Australier (!) zu erkennen gibt, ein bestätigendes Nicken.

Auch Kehl singt

Die beiden letzten Runden gehen mit den Kapitänen Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller, sowie später Mats Hummels und Ilkay Gündogan über die Bühne. Kehl verrät dabei, dass die Mannschaft am Geburtstag eines Teamkollegen immer ein Ständchen in dessen Landessprache trällert.

Arabisch, englisch, türkisch, vieles war schon dabei - nur bei Shinji Kagawa musste man aufs Englische zurückgreifen. Wie es aufgrund der drei Polen beim BVB um sein Polnisch bestellt ist, mochte einer daraufhin wissen. Kehl gab das Versprechen ab, dass er bei einem Gewinn des Henkelpotts in der Mixed Zone in London ein komplettes polnisches Geburtstaglied singen werde, das wenig später um eine Version der Champions-League-Hymne erweitert wurde - "die Hymne singen wir dann sogar in verschiedenen Sprachen", lachte Kehl.

Alternativplan für Götze-Ausfall

Der stand dann gut drei Stunden später auf dem Trainingsplatz an der Adi-Preißler-Allee und fuhr Saleh Gomaa in die Parade. Kein grobes Foul, Interimsschiedsrichter Klopp hätte da aber ruhig einen Freistoß geben können. Die Medien sahen dabei über die komplette Trainingsdauer zu, auch das war am "Media Day" möglich.

Dortmund übte das Positionsspiel und die Einhaltung der Grundordnung erst mit wenig, dann mit viel Tempo. Gündogan spielte dabei auf der Zehn, Nuri Sahin auf der Sechs. Ein Fingerzeig für Wembley, sollte Mario Götze auch dort ausfallen? Es scheint so.

Das Interessanteste als Kiebitz war jedoch, auch da plötzlich der Regen einsetzte und die nicht mehr ganz so üppig vertretene Journalistenschar im Pressecontainer Unterschlupf suchte, der Kollege Gomaa. Der Mittelfeldspieler ist ein 19-jähriger Ägypter vom Tabellenzweiten der dortigen Premier League, der in Dortmund derzeit ein Probetraining absolviert und - jetzt kommt's - bei einem Verein kickt, der den Namen ENPPI Club trägt. Das steht für "Engineering for the Petroleum and Process Industries". Schade, dass Graham nicht mehr zu sehen war. Es wäre wohl die nächste Episode geworden, die ihn ins Staunen versetzt hätte.

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