Gefangen im falschen System

Von Florian Bogner
Dimitar Berbatow hat in dieser Saison in 28 Premier-League-Spielen für ManUtd 12 Tore erzielt
© Getty

Dimitar Berbatow erfüllt bei Manchester United auch nach anderthalb Jahren die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Gegen den FC Bayern München (Mi., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER, auf SAT.1 und  SKY) soll er nun erneut den Rooney-Ersatz geben. Dabei ist Berbatow alles andere als ein Rooney-Klon.

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Als Dimitar Berbatow im vorletzten Sommer nach Manchester kam, hatte er seinen Marktwert innerhalb von nur zwei Jahren mal eben so verdreifacht. "Er ist ein Spieler, der den Unterschied ausmacht. Er gibt dem Team ganz neue Möglichkeiten", jubelte Trainer Sir Alex Ferguson damals über seine neueste Errungenschaft.

Der Stürmer war 2006 für 10,9 Millionen britische Pfund von Bayer Leverkusen zu Tottenham Hotspur gewechselt, 2008 ging er für 30,75 Millionen Pfund nach Manchester. Der teuerste Vereinstransfer der Red Devils aller Zeiten. Mit Berbatow sollte Manchesters Angriffsspiel um noch eine Facette reicher, einen Tick gefährlicher werden, so Fergusons Plan.

Der Plan ging nicht auf. Das ist das Fazit, dass die englische Fachwelt 19 Monate nach Berbatows Wechsel dieser Tage zieht.

Ganz England schaut seit vergangenem Dienstag abwechselnd auf Wayne Rooneys lädierten Knöchel und dann auf den phlegmatischen Berbatow. Wieder zurück auf Rooneys Fuß. Und wieder auf Berbatow. Und packt sich an den Kopf.

Genie oder fauler Bengel?

"Dimitar Berbatow - Genie oder Idiot?", heißen Forums-Einträge im Internet, die sich um das Thema ranken. Manche tragen auch den Titel: "Ist Berbatow schlecht oder einfach nur faul?" Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass der Stürmer in den folgenden Erörterungen der Fans nicht gut wegkommt.

Im Spiel gegen den FC Chelsea (1:2) am Wochenende haben die Berbatow-Kritiker nun wieder neue Nahrung erhalten. Der Bulgare sollte Rooney als Keilstürmer ersetzen und erwischte mal wieder einen schwachen Tag.

Kaum Zuspiele, kein Zug zum Tor, kein Durchkommen. Seinen einzigen ernstzunehmenden Torschuss drosch er in der Nachspielzeit in die Wolken.

Chelsea-Coach Carlo Ancelotti stellte nachher genüsslich fest, dass Berbatow eben nicht Rooney sei. "Manchester ist ohne Rooney nicht dasselbe", meinte der Italiener. "Rooney ist ein fantastischer Spieler, der sich nicht so einfach ersetzen lässt. Berbatow ist gut, aber Rooney spielt total anders."

Er ist kein Keilstürmer

Und ungefähr da liegt auch der Hund begraben. Der omnipräsente Rooney lässt sich durch einen Spielertyp wie Berbatow nicht Eins-zu-eins ersetzen.

Das von Ferguson gegen Chelsea praktizierte 4-2-3-1-System fordert einen agilen Stürmer, der mit gut getimten Antritten Lücken in die gegnerische Viererkette reißt, gleichzeitig aber stets anspielbar ist und die Bälle geschickt nach außen verteilt. Nebenbei soll er bei Ballverlusten erster Pressing-Spieler sein und den Gegner unter Druck setzen.

Kurzum: Es geht um einen Stürmer, der ständig in Bewegung ist. Und eben nicht um Berbatow. Dessen Kritiker legen seinen Spielstil oft als "lauffaul" aus. Seine Eigenart, bei der Ballannahme das Tempo raus zu nehmen und das Spielgerät elegant vor dem Tor hin und her zu tragen statt mit Gebrüll auf die Verteidigung los zu gehen, wird im Old Trafford verpönt.

Dabei ist Berbatow eben eher von der Sorte "stürmender Spielmacher". Der Bulgare lässt sich viel lieber ins Mittelfeld fallen, um dort dann fast beiläufig Anspiele aufzunehmen und blitzartig umzuschalten. Oder er bekommt den Ball im Antritt in den Fuß. Oder er verlässt sich einfach auf sein Genie.

Berbatow und die Spielintelligenz

"So ist eben mein Stil. Ich kann verstehen, dass ihn manche nicht mögen, aber das ist deren Problem. Ich habe mein ganzes Leben schon so gespielt und ich werde das nicht ändern, nur damit mein Leben einfacher wird", entgegnete Berbatow seinen Kritikern bereits vergangenen Oktober in einem "Times"-Interview.

"Ich versuche, der spielintelligenteste Spieler auf dem Platz zu sein", sagte er damals. "Viele Stürmer denken nur eindimensional, immer in den Strafraum rein." Er versuche hingegen, schon vor der Ballannahme eine Entscheidung zu treffen.

"Manche sagen, mein Spielstil ist sehr simpel, aber das ist er nicht. Vielleicht schaffe ich es, alles sehr einfach aussehen zu lassen, gut, aber trotzdem steckt viel Einsatz und Arbeit dahinter. Toll, dass es für manche mühelos aussieht. Für mich ist es das nicht", sagte er.

"Er steht sich manchmal selbst im Weg"

Einer, der weiß, was Berbatow auf dem Kasten hat, ist Klaus Toppmöller. Er holte den Bulgaren 2001 von ZSKA Sofia zu Bayer Leverkusen.

"Er war damals der Beste seiner Altersklasse, schon mit 20 Jahren unglaublich stark. In Leverkusen haben sie sich gewundert, als ich Dimitar statt Kirsten aufgestellt habe. Dimitar hat alle überzeugt, aber er hat bis heute sein Potenzial nicht ausgeschöpft", sagt der Trainer gegenüber SPOX. Toppmöllers Begründung dafür: "Er hat sein Phlegma nie in den Griff bekommen."

Klaus Toppmöller im Interview: "Bayern hat die geilere Mannschaft!"

In der Tat wirkt der Bulgare auf dem Platz manchmal zu zögerlich, in entscheidenden Momenten nicht konzentriert genug. "Hätte Dimitar den Biss von Ulf Kirsten, wäre er ein Stürmer geworden, der noch nie da war. Man wird wahnsinnig, wenn man sieht, wie leichtfertig er viele Chancen liegen lässt. Berbatow steht sich manchmal selbst im Weg."

Ferguson: 80 Prozent der Fans mögen ihn

So sehr, dass sie im Old Trafford auch nach 19 Monaten noch nicht recht warm geworden sind mit dem Bulgaren. "Wenn man einen Querschnitt durch die Fans macht, dann ist das Verhältnis vielleicht 80 zu 20", sagte Ferguson vor dem Chelsea-Spiel über die Sympathien der ManUtd-Fans zu Berbatow. 80 Prozent der Fans würden erkennen, welch Potenzial der Stürmer habe.

"Wir haben einen großen und teuren Spieler verpflichtet. Wenn der dann nicht 50 Tore pro Saison schießt, davon 16 per Fallrückzieher, wird es immer unzufriedene Gesichter geben", so Fergusons einfache Logik.

In dem angesprochenen Interview mit der "Times" machte Berbatow keinen Hehl daraus, dass ihm die Anerkennung der Fans extrem wichtig ist.

"Manchmal ist der Druck zu groß", sagte er. "Ich verstehe, dass die Fans angesichts der hohen Ablösesumme große Dinge von mir erwarten, aber wenn man so unter Druck steht, ist es nicht leicht, ruhig zu bleiben."

Er selbst bräuchte jedoch eine gewisse innere Ruhe, um auf dem Spielfeld effizient zu sein. "Ich brauche die Unterstützung der Mitspieler und der Fans", so Berbatow.

Berbatow braucht Unterstützung

Sollte der Bulgare auch gegen den FC Bayern auflaufen dürfen, wovon auszugehen ist, wird sehr viel auf die Unterstützung der Mitspieler ankommen.

Setzt Ferguson erneut auf ein 4-2-3-1 oder gar ein 4-3-2-1 wie im Hinspiel, braucht Berbatow einen Mittelfeldspieler, der auch mal für ihn in die Spitze geht - so wie das zuletzt beim 4:0-Auswärtssieg in Bolton vor zehn Tagen prima klappte.

Dort verschmolz Berbatow phasenweise mit der offensiven Phalanx aus Nani, Ryan Giggs und Luis Valencia hinter ihm, ManUtd spielte quasi ein 4-2-4, aus dem immer wieder ein anderer in die Spitze vorstach. Berbatow hingegen kam meist aus der Tiefe, verteilte die Bälle passsicher auf die Außen und lauerte dann im Strafraum aufs Zuspiel.

Berbatow beendete die Partie als zweifacher Torschütze.

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