Kuzmanovic: Stuttgarts einziger Lichtblick

Von Christian Bernhard / Stefan Rommel
Zdravko Kuzmanovic wechselte im Sommer vom AC Florenz zum VfB Stuttgart
© Imago

Vor der Partie bei den Glasgow Rangers (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) ruhen die Hoffnungen des VfB Stuttgart ganz besonders auf einem Mann: Zdravko Kuzmanovic. Der Serbe ist fast der einzige Lichtblick einer katastrophalen Hinrunde und mittlerweile der heimliche Chef beim VfB. Dabei landete Kuz quasi nur durch Zufall in Stuttgart - seinem familiären Umfeld sei Dank.

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Im Prinzip ist Cesare Prandelli an allem schuld, zumindest offiziell. Prandelli hatte in der Sommerpause einen fixen Plan: Er wollte mit dem AC Florenz den nächsten großen Schritt wagen und eindringen in die Phalanx der beiden Mailänder Klubs und Juventus Turins.

Endlich zu den ganz großen in der Serie A zählen, ganz oben angreifen, den Scudetto in Angriff nehmen - 40 Jahre nach dem letzten Meistertitel. Prandelli, Italiens Trainer des Jahres, hatte eine eingespielte Mannschaft, hoffnungsvolle junge Talente, einen starken Keeper.

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Systemumstellung als Wechselgrund?

Aber ihm fehlte ein Spielsystem, das noch mehr Druck nach vorne erzeugen konnte als sein verkapptes 4-3-3. Lediglich 53 Tore hatte die Fiorentina in 38 Spielen erzielt. Zu wenig, um den ganz großen Wurf zu landen.

Also überlegte Prandelli hin und her und kam kurz vor der Saison zu der Erkenntnis, dass ein 4-2-3-1 doch ein veritabler Weg zum Scudetto sein könnte. Als Zdravko Kuzmanovic von den Plänen seines Trainers hörte, begann es auch in seinem Kopf zu rattern.

Kuzmanovic war im alten System eine feste Größe auf der halbrechten Position im Mittelfeld, neben seinem Kumpel Riccardo Montolivo räumte der Serbe ab. Nur stand Juves Cristiano Zanetti schon als Zugang und zweiter gelernter Sechser fest. Im defensiven Mittelfeld wurde es eng für Kuz.

Fast in Hamburg gelandet

Der VfB Stuttgart zeigte sein Interesse, offenbar waren die Schwaben schon länger am 21-Jährigen dran. Und obwohl Kuzmanovic beim VfB in Thomas Hitzlsperger und Sami Khedira zwei deutsche Nationalspieler im zentralen defensiven Mittelfeld vor der Brust hatte, rang er sich zu einem Wechsel durch.

In Stuttgart sah Zdravko Kuzmanovic die größere sportliche Perspektive. So lautete die offizielle Begründung. Allerdings erinnerte Kuz' schneller Abgang auch ein wenig an seinen Wechsel vom FC Basel nach Florenz zwei Jahre zuvor.

Als Kuzmanovic noch für den FCB spielte, war er ein zwar talentiertes, aber international relativ unbekanntes Talent. Trotzdem rief ihn die Bundesliga. Hamburg war an ihm dran, der damalige Sportdirektor Didi Beiersdorfer lud ihn nach Hamburg ein. Alles schien perfekt.

Am Vorabend der Vertragsunterzeichnung funkte aber plötzlich Kuzmanovic' Mutter dazwischen. Der Sohn blieb in Basel und handelte dort einen deutlich besser dotierten Vertrag aus. Zwei Jahre später ereignete sich fast eine Blaupause.

Familie als letzte Instanz

Diesmal sollte US Palermo den Zuschlag bekommen. Mit den Italienern war schon alles klar, für vier Millionen Euro sollte der Deal über die Bühne gehen.

Sein damaliger Berater Marcel Schmid hatte Basel und seinem Mandanten das Geschäft eingefädelt, es fehlten im Prinzip nur noch die Unterschriften aller Beteiligten. Palermo-Boss Maurizio Zamparini flog im Privatjet nach Basel, Basel-Chefin Gigi Oeri stand bereit. Im Hilton-Hotel sollte der letzte Akt erfolgen.

Aber plötzlich, wie aus dem Nichts und wie zwei Jahre zuvor, legte die Familie ihr Veto ein. Vater Ljubomir forderte mehr Geld. Zamparini war erzürnt und reiste noch am selben Tag ab, Gigi Oeri war konsterniert. Kuzmanovic trennte sich noch am selben Tag von seinem Berater und überließ seinem Vater und Marko Naletilic die Geschicke. Ein paar Tage später unterschrieb der Filius beim AC Florenz.

Führungsspieler in Florenz

Bei der Fiorentina legte sich der anfängliche Wirbel schnell wieder, Kuzmanovic wurde ein fester Bestandteil der Mannschaft. Zum einzigen Superstar des Teams, Adrian Mutu, pflegte er einen innigen Kontakt, beide fuhren auch privat auf einer Schiene.

Kuzmanovic bezog eine Wohnung ganz in der Nähe der Viale Manfredo Fanti, wo das Stadio Artemio Franchi steht. Er kümmerte sich um das neue Talent Stevan Jovetic wie ein alter Hase. Dabei war er selbst erst Anfang zwanzig.

In dieser Zeit reifte auch der Gedanke, für das Land seiner Eltern zu spielen - und nicht für die Schweiz, die ihn ausgebildet hatte. Ähnlich wie bei Mladen Petric und Ivan Rakitic flutschte den Eidgenossen das nächste große Talent durch die Lappen. Wohl auch, so wird in der Schweiz gemunkelt, weil ein paar Euro geflossen sein sollen...

Tischtuch zerschnitten

Trotz seines jungen Alters war er einer der Anführer in der Fiorentina-Kabine. Ein sehr lustiger und sympathischer Bursche, auf den viele Spieler gehört haben.

Kuz war damals schon ein großer Arbeiter, einer der trainingsfleißigsten. Nach Verletzungen legte er Extraschichten ein, um so schnell wie möglich wieder zurückzukommen. Nicht selten lief er angeschlagen auf. Kuzmanovic identifizierte sich mit der Fiorentina, er war in Florenz zuhause.

Zwei Jahre hatte er Erfolg. Dann kam der Bruch. Es ging augenscheinlich um Prandellis neues System. In Wirklichkeit soll Vater Ljubomir bei den anstehenden Verhandlungen zur Vertragsverlängerung aber derart überzogen haben, dass Präsident Andrea Della Valle den Daumen senkte.

Soldo-Entdecker fädelt Deal ein

Die Basis für eine weitere Zusammenarbeit war zerstört. Vater Kuzmanovic musste aber nur kurz darben. Schließlich war Zdravkos Berater Naletilic in Stuttgart kein Unbekannter. Mitte der 90er Jahre vermittelte der den völlig unbekannten Zvonimir Soldo zum VfB. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

Naletilic und Sportvorstand Horst Heldt wurden sich schnell einig, niemand grätschte mehr dazwischen. Der Vertrag ist bis 2013 datiert, als Ablöse geisterten rund acht Millionen Euro durch die Medien. Der teuerste Transfer der Stuttgarter Vereinsgeschichte. Aber ganz offenbar eine lohnende Investition.

Absoluter Siegeswille

Nach einigen Wochen der Eingewöhnungszeit ist Kuz mittlerweile der unumstrittene Chef im Mittelfeld und heimlicher Kopf der Mannschaft. Während das Gros seiner Teamkollegen im kollektiven Wehklagen über die schwierige Lage versinkt, geht der 22-Jährige mit erhobenem Kopf durch den Sturm.

"Kuzmanovic lebt absoluten Siegeswillen vor", lobt Teamchef Markus Babbel seinen Hoffnungsträger. "Er ist auf dem Platz aggressiv, geht weite Wege und macht wenig Fehler im Spielaufbau." Und er lernt schnell, ist anpassungsfähig. Ein kompletter Profi - mit einem nicht einfachen Umfeld.

Während Kuzmanovic die deutlich komplexere Position im defensiven Mittelfeld mittlerweile im Griff hat, irrt etwa Pawel Pogrebnjak auch nach über drei Monaten mit der Mannschaft immer noch wie ein Fremdkörper umher. Natürlich kommt Zdravko Kuzmanovic dabei zugute, dass er keine Sprachbarriere zu überwinden hatte. Aber es ist eben auch eine Frage des Charakters.

Kapitän Hitzlsperger verdrängt

Die Systemumstellung Babbels auf ein 4-4-2 mit Raute hat ihm die Sechserposition zugespült, er hat Kapitän Hitzlsperger von dort verdrängt. "Ich kann zwar auch auf den Halbpositionen spielen, aber das ist schon so etwas wie meine Lieblingsposition. Von da aus kann ich am meisten Einfluss auf unser Spiel nehmen", sagt er im Gespräch mit SPOX.

Einfluss nehmen heißt dabei auch, entscheidende Tore zu erzielen. Wie zuletzt gegen die Hertha oder beim FC Sevilla. Treffer, die auch seinem Trainer den Job retteten und dem VfB in der Champions League trotz bisher schwacher Leistungen noch alle Optionen offen halten.

"Wir haben insofern eine gute Ausgangslage, da wir alles selbst in der Hand haben", sagt Kuz vor dem Spiel bei den Glasgow Rangers. Und dann, seinem Charakter entsprechend: "Da muss man selbstbewusst hinfahren, den Kopf freihalten und mit Freude spielen. Ich bin keiner, der Angst hat."

Zdravko Kuzmanovic im Steckbrief