Borussia Dortmund: VfB Stuttgart zeigt dem BVB, wie es geht - Niclas Füllkrug offenbart eine große Schwäche von Edin Terzic

Von Justin Kraft
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Borussia Dortmund verliert beim VfB Stuttgart und Niclas Füllkrug kritisiert den Ansatz des eigenen Teams. Damit trifft der Stürmer ein Kernproblem, das besteht, seitdem Edin Terzic Trainer des BVB ist.

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Niclas Füllkrug und Gregor Kobel, einer ganz vorne, der andere im Tor - zwei Spieler, die beim BVB aktuell in Top-Form sind. Zwei, die vorangehen und dafür sorgen, dass man in der Bundesliga bis zum Bayern-Spiel in der vergangenen Woche eine gute Punkteausbeute hatte.

Doch zwischen diesen beiden gibt es auf dem Platz bei Borussia Dortmund zahlreiche Fragezeichen. Weil Fußball ein Ergebnissport ist, ließen sich diese in der Saisonanfangsphase oft vom Tisch wischen.

Jetzt aber ist es unausweichlich, darüber zu sprechen. 3:3 in Frankfurt, 0:4 gegen die Bayern und 1:2 in Stuttgart - neun Gegentore in drei Partien. Und ein ratloser Füllkrug, der in einem ehrlichen Interview mit Sky vermutlich mehr preisgegeben hat, als er ursprünglich wollte.

Edin Terzic, BVB
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BVB: Niclas Füllkrug kritisiert den Ansatz

Den schon oft beim BVB diskutierten Themenkomplex rund um Mentalität, Einsatz und Einstellung wollte Füllkrug nicht kommentieren. Das war dem Nationalstürmer "zu einfach". Stattdessen deutete er eine Kritik am Matchplan an: "Da war der Ansatz nicht optimal, wie man das lösen möchte", erklärte der Sommerneuzugang in Bezug auf den aggressiven Gegner. "Leider müssen wir ehrlich sein und sagen, dass wir gegen viele gute Mannschaften unsere Grenzen aufgezeigt bekommen", so Füllkrug weiter.

Im Fokus dieser Aussagen: Edin Terzic. Der BVB-Trainer hat sich in diesem Jahr durchaus zurecht oft auf die Bilanz seines Teams berufen. Im 40. Pflichtspiel des Kalenderjahres war das 1:2 in Stuttgart erst die sechste Niederlage. Hinzu kommen acht Unentschieden und 26 Siege.

Füllkrug hat aber dennoch einen Punkt: Dortmund kommt zu schnell an Grenzen und zu schnell in Situationen, in denen das Team abhängig von den Geistesblitzen einzelner Spieler ist.

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BVB: VfB Stuttgart zeigt Borussia Dortmund, wie es geht

Terzics Bilanz steht im Kontrast zu den Leistungen, die das Team oft zeigt. Anders als es die Ergebnisse suggerieren, sind diese deutlich wechselhafter. Besonders auffällig war das am Samstag im direkten Vergleich zum VfB Stuttgart zu erkennen, der den BVB von Beginn an fußballerisch dominierte - und das in allen Belangen.

Sebastian Hoeneß hat dort eine proaktive taktische Ausrichtung etabliert - und die vielerorts vorherrschende Meinung widerlegt, dass ein solcher Fußball nur mit sehr starken Teams durchsetzbar ist. Dass Leverkusen und der VfB derzeit die Mannschaften der Stunde in der Bundesliga sind, ist kein Zufall. Beide wissen etwas mit dem Ball anzufangen. Auch dann, wenn der Gegner hoch presst. Gerade dann, wenn der Gegner hoch presst.

Denn genau das wollte der VfB von Dortmund. Man hat den BVB kommen lassen, die eher zaghaften höheren Pressingmomente dann gekonnt überspielt und so immer wieder den Raum bekommen, um die wacklige Defensive des Gegners zu stressen. Es erfordert nicht nur Mut für eine solche Spielweise, sondern auch Qualität. Das steht außer Frage. Doch der VfB Stuttgart stellt unter Beweis, dass es dafür keine gestandenen Weltklassespieler braucht. Die Organisation auf dem Platz, die aufeinander abgestimmten Bewegungsabläufe - dem BVB fiel nichts dagegen ein. Gar nichts.

Und das ist keine Ausnahme. Dortmund hat nur genug Qualität im Kader, um oft genug das eine oder andere Tor mehr zu erzielen, doch die Probleme wiederholen sich auf unterschiedlichen Niveaus. Terzic probierte einiges in Stuttgart aus, um dem entgegenzuwirken. Fünferkette, personelle Wechsel, aktives Coaching, Rücksprache mit seinen Assistenten - alles verpuffte.

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BVB: Edin Terzic kommt gegen Stuttgart an seine Grenzen

Der 41-Jährige kommt im taktischen Bereich schnell an seine Grenzen. Seine Stärken liegen woanders. Beispielsweise im zwischenmenschlichen Umgang mit den Spielern oder in seiner klaren Kommunikation nach innen und außen. Auch der Draht zu jungen Spielern ist etwas, das ihn auszeichnet. Terzic hat viele Qualitäten, die dem BVB gut zu Gesicht stehen. Deshalb führt Kritik am Trainer auch automatisch zu der Frage, wer es überhaupt besser machen soll.

Wer gewinnt, hat recht, heißt es im Fußball gerne. Die Bilanz gibt ihm definitiv recht. Taktisch aber hat der Trainer nicht zum ersten Mal keine Antwort auf die Aggressivität und Organisation des Gegners gefunden. Weder in der Vorbereitung auf das Spiel noch während der Partie. Der Unterschied zwischen dem gruppentaktischen Verhalten des VfB Stuttgart und jenem des BVB war eklatant. Es war ein Klassenunterschied, den man mit Blick auf die Möglichkeiten beider Klubs eher andersherum erwarten würde.

Auf der einen Seite ein Team mit klarer Struktur in Ballbesitz und viel Druck auf den ballführenden Spieler. Auf der anderen Borussia Dortmund. Ein Team, das mit und ohne Ball zu passiv agiert, um seine Stärken dauerhaft zeigen zu können. Terzic hat in den letzten Monaten viel aus dieser Mannschaft herausholen können. Doch an den letzten Prozenten scheitert er bisher.

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BVB: Kaderdiskussion bleibt ein Begleiter

Das liegt sicher auch am Kader. Vor allem im Mittelfeld funktioniert keine der bisher aufgebotenen Konstellationen optimal. Es fehlt ein Spieler wie Angelo Stiller, der beim VfB Stuttgart nicht nur gegen den Ball gute Arbeit leistet, sondern auch in Ballbesitz immer eine Idee hat. Gegen den BVB war er einer der besten Spieler auf dem Platz.

Doch glaubt man den Medienberichten im Sommer, ist Terzic selbst Schuld an dieser Situation. Er habe den Fokus auf vermeintliche Mentalitätsspieler und Zweikämpfer gelegt. Es passt zu den Aussagen von Füllkrug, der angesprochen hat, was Woche für Woche beim BVB zu beobachten ist. Mal mehr, mal weniger. Oft genug mit erfolgreichen Ergebnissen. Allerdings auch oft genug mit sehr schmeichelhaften Ergebnissen. In Dortmund muss man sich die Frage stellen, ob das ein nachhaltiger Weg ist. Oder ob der eigene Anspruch nicht doch ein anderer ist.

"Obwohl wir das Material dazu haben, besser zu sein", sagte Füllkrug am Ende seiner Kritik. Es ist vielleicht der entscheidende Teil seiner überraschend deutlichen Aussagen. Der BVB hat das Potenzial, besser zu sein. Doch er gibt sich mit dem zufrieden, was er hat.

Und so könnte es sein, dass in dieser Saison der eigentlich zementierte zweite Platz in der Liga wackelt, weil sich andere Klubs in der Bundesliga weiterentwickelt haben. Der VfB Stuttgart hat im direkten Duell auf vielen Ebenen gezeigt, was dem BVB fehlt und was ihm gut zu Gesicht stehen würde.

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