Harry Kanes Startelfdebüt beim FC Bayern: Mehr als ein Goalgetter

SV Werder Bremen, FC Bayern München
© Getty

Harry Kane hat beim erfolgreichen Bundesliga-Auftakt des FC Bayern München gegen Werder Bremen zwei Scorerpunkte gesammelt - und gezeigt, dass er das Münchner Spiel nicht nur als Goalgetter bereichert.

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Joshua Kimmich macht auf einem Fußballplatz bekanntlich am liebsten alles selbst - verteidigen, angreifen, Standards schießen und so weiter und so fort. Für den neuen Superstürmer Harry Kane verzichtet aber offensichtlich sogar Kimmich. Es läuft die 11. Spielminute des Bundesliga-Auftaktspiels gegen Werder Bremen, der FC Bayern bekommt links außerhalb des Strafraums einen Freistoß zugesprochen.

Kane und Kimmich positionieren sich - und tatsächlich: Kimmich stupst den Ball nur an, Kane darf schießen. Revolution! Der Freistoß wird zwar abgeblockt. Diese kleine Szene zeigt aber, welchen Stellenwert und welche Akzeptanz der 30-jährige Engländer innerhalb kürzester Zeit in der Mannschaft und bei Führungsspielern wie dem (viel kritisieren aber umso eifrigeren) Standardschützen Kimmich genießt.

Zur Erinnerung: Nach wochenlangem Trubel war Kane erst am Freitag vor einer Woche für 100 Millionen Euro von Tottenham Hotspur zum FC Bayern gewechselt. Eine erste Einwechslung tags darauf bei der bitteren 0:3-Niederlage im Supercup gegen RB Leipzig, ehe er beim 4:0-Sieg in Bremen sein Startelfdebüt feierte. Und ja, man kann von "feiern" sprechen.

Leroy Sanés 1:0 bereitete Kane mit seinem zweiten Ballkontakt vor und just als das Spiel Anfang der zweiten Halbzeit auf der Kippe stand, traf er zum vorentscheidenden 2:0. Kane war in einem Moment da, in dem den Münchnern in der torjägerlosen vergangenen Saison das Spiel womöglich entglitten wäre.

Harry Kane beim FC Bayern: Mehr als nur Vollstrecker

"So kann es weitergehen", sagte der zuletzt noch so missmutige Thomas Tuchel danach freudig. Der Trainer dürfte sich bestätigt fühlen, hatte er seinem neuen Stürmer im Vorfeld doch eine erstaunlich deutlich formulierte Einsatzgarantie gegeben und ihn seit der Verpflichtung wiederholt überschwänglich als Mensch und Fußballer gelobt.

Als es bei der Pressekonferenz vor dem Bremen-Spiel gerade um den Fußballer Kane ging, sagte Tuchel den ganz interessanten Satz: "Er ist nicht nur eine Nummer Neun, sondern auch auf den Halbpositionen zwischen der Zehn und der Neun stark." Genau diese Flexibilität Kanes bewies in Bremen ganz wunderbar. Er zeigte sich als Goalgetter und Goalcreator gleichermaßen.

Exemplarisch dafür steht sein früher Assist auf Sané: Kane ließ sich etwas fallen und leitete den Ball dann perfekt auf den durchstartenden Sané weiter. Verkehrte Rollen: Kane gab in dieser Situation den Regisseur, Sané den Vollstrecker. Es blieb nicht die einzige derartige Szene, die anderen waren jedoch nicht von Torerfolgen gekrönt.

In der realtaktischen Aufstellung befand sich Kanes durchschnittliche Position auf dem Feld sogar hinter Sanés und nur knapp vor der des anderen Flügelstürmers Kingsley Coman. Obwohl Kane vor allem im Laufe der ersten Halbzeit bisweilen an vorderster Front fehlte, kam er letztlich auf sechs eigene Abschlüsse.

Kimmich und Ulreich schwärmen von Harry Kane

"Er tut unserem Spiel sehr gut, weil er sowohl vollstrecken als auch mitspielen und andere in Szene setzen kann - wie wir es bei Leroy gesehen haben", analysierte Kimmich. "Er wird dem einen oder anderen etwas mehr Raum bieten, weil sich die Gegner aufgrund seiner sehr, sehr großen Qualität auf ihn fokussieren müssen. Ich glaube, dass unsere Offensivspieler sehr von ihm profitieren." Bei Kanes Ex-Klub Tottenham avancierte Heung-Min Son zu Kanes kongenialem Partner und Profiteur, wird es beim FC Bayern vielleicht Sané?

Mit seiner Körpergröße von 1,88 Metern verleiht Kane dem Spiel des FC Bayern auch eine neue physische Wucht, einmal klärte er eine gegnerische Hereingabe sogar per Kopf im eigenen Strafraum. Ersatzstammkeeper Sven Ulreich suchte Kane gelegentlich mit weiten Abschlägen. "Um Ruhe reinzubekommen, ist es sehr wichtig, ihn da vorne drinnen zu haben als Spieler, der die Bälle festmacht", sagte Ulreich. Auch Tuchel lobte Kanes "Stärken in der Ballbehauptung".

"Sehr glücklich" war Kane mit seinem Startelfdebüt jedenfalls. Ins Spiel gegangen ist er nach eigener Auskunft mit "nervöser Vorfreude und Schmetterlingen im Bauch". Raus dann in der 84. Minute mit Schmetterlingenn in den Beinen, man könnte auch sagen Krämpfen. Aber keine Sorge: Ein paar mehr Trainingseinheiten, dann schafft er "bestimmt auch 90 Minuten", frotzelte Ulreich. Solche Neckereien dürfen genau wie Kimmichs Standard-Überlassung als positive Integrationszeichen gewertet werden. "Ich glaube, er fühlt sich wohl in der Gruppe", sagte Ulreich.

Damit aber genug der Lobhudelei, zum Abschluss als erdende Mahnung noch ein Blick auf das letztjährige Bundesliga-Auftaktspiel. Damals gewann der FC Bayern souverän mit 6:1 bei Eintracht Frankfurt. Der neue Superstürmer aus der Premier League hatte direkt getroffen, nach Abpfiff ließ sich Sadio Mané am Zaun vor dem Auswärtsblock mit Megafon in der Hand feiern. Auf der Tribüne grinsten Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic, an der Seitenlinie jubelte Julian Nagelsmann. Lang ist's her.