BVB bleibt im Rennen um die Meisterschaft: Der Kampf gegen die Nähmaschine

Von Stefan Petri
Der BVB muss am 34. Spieltag bei Borussia Mönchengladbach gewinnen, um seine Meisterchance zu wahren.
© Getty

Der Jubel war groß: Borussia Dortmund kann nach dem 3:2-Sieg über Fortuna Düsseldorf weiterhin von der Meisterschaft träumen. Die Mannschaft gibt sich nach dem Erfolg betont optimistisch, Boss Hans-Joachim Watzke sieht den Druck im Titelrennen jetzt beim FC Bayern München.

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Allerdings offenbarte der BVB gegen zehn Fortunen gerade in der Hintermannschaft erneut gravierende Schwächen. Dieses Zittern könnte gegen Borussia Mönchengladbach am 34. Spieltag zum Verhängnis werden.

Wenn ein Biathlet am Schießstand das große Zittern bekommt, nennt man es umgangssprachlich auch "Nähmaschine". Der ganze Körper vibriert unkontrolliert, das Ausrichten der Waffe ist ein Abenteuer und das Abräumen der fünf Scheiben kaum noch möglich.

Wenn der BVB dieser Tage das große Zittern bekommt, nennt man es umgangssprachlich Schlussphase. Ein perfektes Beispiel lieferten die Schwarz-Gelben am Samstagnachmittag gegen Fortuna Düsseldorf. Bei einer 2:1- und dann sogar 3:1-Führung wurde die Kontrolle über das Spiel vollständig abgegeben, jeder Ball in den eigenen Strafraum war ein Abenteuer. Dabei hatte man nach der Roten Karte gegen Adam Bodzek nur noch zehn Fortunen abzuräumen.

Dortmunds Schlussphase gegen Düsseldorf: Drei Minuten, drei Großchancen

95. Minute: Kaan Ayhan löffelt den Ball in den Strafraum zu einem derart freien Dawid Kownacki, dass der zuerst wild gestikulierend um das Spielgerät betteln, die Flanke dann mit dem Oberschenkel hoch abtropfen und schließlich volley abschließen kann, bevor ein Verteidiger nur in seine Nähe kommt. Nur noch 3:2.

96. Minute: Lukasz Piszczek kann eine flache Flanke von links nicht verhindern, Julian Weigl will klären und tritt am Ball vorbei, Raphael Guerreiro kommt gegen Innenverteidiger Andre Hoffmann nicht hinterher - und dass der nicht trifft, liegt auch daran, dass Manuel Akanji kurz zuvor im Strafraum ausgerutscht ist und den Ball mit dem unteren Rücken abfälscht. Haarscharf am Handspiel vorbei übrigens.

97. Minute: Freistoß aus 20 Metern von der linken Seite. Endgültig die letzte Chance für Düsseldorf, Dortmund muss den Ball nur noch klären. Kevin Stöger bringt den Ball an den langen Pfosten, wo Kenan Karaman knapp über den Kasten zielt. Natürlich völlig frei - und hinter ihm hätten noch zwei ähnlich freie Teamkollegen gelauert.

Der Unterschied zum Biathlon: Die "Nähmaschine" bekommt man dort vor allem dann, wenn man mit zu niedrigem Puls an den Schießstand heranfährt. Beim BVB dürfte der Herzschlag in dieser Phase jedoch eher in Richtung 200 getaktet gewesen sein. Wie kopflose Hühner präsentierten sich selbst erfahrenste Profis in dieser Phase.

"Das war [am Ende] nochmal knapp", gab Torschütze Thomas Delaney nach dem Spiel sichtlich erleichtert zu. Aus dieser Situation könne man viel lernen: "Wir müssen das besser machen, aber am Ende war es genug."

"Wir müssen das besser beherrschen", forderte Trainer Lucien Favre seinerseits angesichts des Düsseldorfer Dauerdrucks in den letzten Minuten. "Nicht so wahnsinnig souverän", bewertete Sebastian Kehl die Vorstellung.

Schwache BVB-Defensive: Ist der Druck schuld?

Dass die Mannschaft sich mit diesem Druck so schwer tat, lag laut BVB-Boss Hans-Joachim Watzke aber nicht nur am befreit aufspielenden Gegner, sondern hauptsächlich am Druck der Tabellensituation. Dem Druck, der aus Leipzig hinüberschwappte, wo sich die Bayern mit einem Sieg vorzeitig die Meisterschale hätten sichern können. "Die Mannschaft hatte heute einen brutalen Druck", sagte Watzke, und es wirkte fast entschuldigend.

Und nicht gerade überzeugend. Schließlich hatte die "Nähmaschine" auch schon in den letzten Wochen vermehrt zugepackt. Ein 2:0 hatte das Team eine Woche zuvor in Bremen nicht über die Zeit bringen können. Im Derby gegen Schalke gab es ein 2:4, einen 2:1-Zittersieg gegen Mainz 05 ...

20 Gegentore hat sich der BVB in dieser Saison ab der 60. Minute bereits gefangen. Das sind mehr als bei Bayer Leverkusen, Bremen, Gladbach, Frankfurt, Bayern und Leipzig. Es hätten auch noch einige mehr sein können, und dass diese späten Gegentore nicht noch viel mehr Punkte gekostet haben, liegt daran, dass Dortmund selbst auch gerne in den Schlussminuten zuschlägt (allein zehn Tore ab der 90. Minute). Defensiv passt derzeit vieles nicht beim BVB. Zu viele individuelle Fehler machen die Stars, zudem ist man extrem schwach beim Verteidigen gegnerischer Standards.

BVB nach Sieg über Düsseldorf: "Wir glauben an die Meisterschaft"

Die Verantwortlichen wollten sich dieser Thematik nach Spielende verständlicherweise nur kurz widmen. Schließlich hatte man das "Minimalziel" erreicht, Düsseldorf geschlagen und die Meisterschaftsentscheidung noch einmal um eine Woche vertagt. "Jetzt haben wir das Finale, auf das wir uns riesig freuen", jubelte Kehl, man glaube "fest" an die Meisterschaft. "Wir glauben immer daran", betonte Christian Pulisic nach seinem letzten Heimspiel im Signal Iduna Park.

Lediglich Delaney, der die Schlussphase so deutlich kritisiert hatte, sprach lediglich von einer "kleinen Chance". Zunächst einmal den eigenen Job auswärts bei Borussia Mönchengladbach erledigen. Eine extrem schwere Aufgabe, zumal es für die Fohlen im Kampf um die Champions League noch um alles geht. Da ist es nicht hilfreich, wenn es in der Abwehr seit Wochen nicht mehr stimmt.

Watze redet BVB-Team stark: Druck im Titelrennen liegt bei Bayern

All das hatte Boss Watzke zweifellos im Blick, als er Mannschaft und Trainerteam auf der Pressekonferenz stark zu reden versuchte. "Wir haben aktuell 18 Punkte mehr als in der letzten Saison, da kann man dem Trainerteam nur gratulieren", betonte er. Der BVB habe Fußball-Deutschland endlich wieder ein Endspiel "beschert. Das tut der Liga gut und macht uns stolz."

Und der "brutale Druck"? Der liege jetzt beim FC Bayern München, stellte Watze fest: "Wir haben die Situation, dass die Bayern alles verlieren und wir alles gewinnen können." Der BVB habe abgeliefert, eventueller Druck zum Saisonabschluss sei eine 'Phantom-Diskussion': Ich glaube nicht, dass irgendeiner bei Borussia Dortmund jetzt auch nur ein bisschen Druck empfindet. Es gibt keinen Druck!"

Bundesliga: Der 34. Spieltag im Überblick

HeimAuswärts
Borussia MönchengladbachBorussia Dortmund
FC Bayern MünchenEintracht Frankfurt
Hertha BSCBayer Leverkusen
VfL WolfsburgFC Augsburg
1. FSV Mainz 051. FSV Mainz 05
Werder BremenRB Leipzig
FC Schalke 04VfB Stuttgart
SC Freiburg1. FC Nürnberg
Fortuna DüsseldorfHannover 96

34. Spieltag: Der BVB hat auch gegen Mönchengladbach Druck

Wirklich? Klar, die Bayern haben ihren ersten Matchball vergeben. Doch die Situation des Tabellenzweiten hat sich nur unwesentlich geändert. Wie schon an diesem Samstag muss Dortmund zuallererst selbst gewinnen - und erst dann ist der Blick nach München erlaubt. Auch gegen die Fortuna konnte man eigentlich "nur gewinnen", schließlich ist der zweite Platz längst abgesichert. Dennoch wäre das Team an diesem Druck vor eigenem Publikum gegen zehn Gäste beinahe zerbrochen.

Gegen Gladbach braucht die Borussia am 34. und finalen Spieltag der Saison 2018/19 nicht nur eine Elf auf dem Rasen, die befreit aufspielt und keinen Druck verspürt. Sie braucht auch einen Plan, um das große Zittern zu vermeiden. Denn sonst könnte man die neunte Meisterschaft der Vereinsgeschichte nicht nur gewinnen - sondern auch wieder verlieren.

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