Jugend forscht im falschen Biotop

Von SPOX
Hängende Köpfe gab's beim BVB nach der Niederlage in Darmstadt
© Getty

Beinahe die komplette Konkurrenz spielt für den BVB - doch Borussia Dortmund verliert gegen den Tabellenletzten. Die Art und Weise schockiert, Thomas Tuchel muss sich nicht nur Fragen nach der Aufstellung gefallen lassen.

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Thomas Tuchel schälte sich zum Spielende aus seinem Plastikstühlchen. Für die grimmige Miene, die der Coach der Borussia in den Innenraum des Stadions am Böllenfalltor trug, gab es am frühen Samstagabend nicht nur einen Grund.

Erst vergangene Woche, da lieferte der BVB ein sensationelles Spiel gegen den Zweiten aus Leipzig ab. Ein Kantersieg, getarnt als 1:0, frohlockte man in Schwarzgelb. Und unter der Woche dann noch dieser Pokalfight gegen die Hertha samt Comeback und Sieg im Elfmeterschießen.

Aber dann kam eben dieser Samstag. Es kam Darmstadt und es kam "eine Bestätigung dessen, was wir die gesamte Saison schon zeigen", wie der grimmige Tuchel nüchtern zu Protokoll gab: Das Fortbestehen dieser wilden Achterbahn-Saison der Westfalen. Und ein Spiel, das zwei Fragen aufwarf. Einmal nach der Konstanz, einmal nach dem Personal.

Vorgeführt vom Letzten

Das 1:2 gegen die schon als hoffnungslos abgeschriebenen Darmstädter hatte wenig mit Pech oder höheren Mächten zu tun. Darmstadt 98 war die klar bessere Mannschaft und hätte die Partie noch höher gewinnen müssen. Der BVB wurde teilweise vorgeführt, vom Letzten.

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Tuchels Experiment, der Ansammlung an routinierten Raubeinen aus Darmstadt ein derart junges Team entgegenzustellen, es scheiterte. Die Teenager Emre Mor und Dzenis Burnic standen in der Startelf, auch Christian Pulisic stand von Beginn an auf dem Rasen. Dass es, wie Tuchel drastisch mahnte, "niederträchtig" wäre, die Youngster "in irgendeiner Weise verantwortlich zu machen", stimmt. Was aber auch stimmt, ist der nächste Satz des Trainers: "Machen Sie am Ende mich verantwortlich."

Auch wenn Tuchel Kritik an seiner Aufstellung als "falsche Richtung" abkanzelte, war es doch offensichtlich, wie verunsichert die Startelf war, die deutlich weniger Bundesligaerfahrung hatte als die Ersatzbank der Dortmunder. Die giftige Atmosphäre am Bölle und ein Gegner, der nichts mehr zu verlieren hat - für Tuchels Jugend-forscht-Gruppe war Darmstadt das falsche Biotop.

So: Keine Leichtigkeit, kein Selbstverständnis - alles, was eine gelungene Generalprobe für das Achtelfinale der Champions League gegen Benfica (Di., 20.45 Uhr im LIVETICKER) werden sollte, misslang. Die Lilien überrannten den BVB mit den eigenen Waffen. Die Schwarzgelben: Unbeweglich, mangelhaft im Aufbau, grausig in der Offensive.

"Vielleicht ist das dieses Jahr so?"

"Wir haben weit unter unseren Möglichkeiten gespielt", attestierte Tuchel und schob nach einer Gratulation an den "verdienten" Sieger Darmstadt ernüchtert hinterher: "Allein das zeigt, wie wenig von dem, was uns ausmacht, wir auf dem Platz gesehen haben."

Und ausgerechnet die kleinen Teams erweisen sich in dieser Saison als die großen Hindernisse für den BVB. In Topspielen, in K.o.-Partien "sind wir hellwach und spielen am Limit", so Tuchel. Die Favoritenrolle scheut Schwarzgelb aber wie der BVB-Fan Gelsenkirchen-Schalke. "Wir sind einfach nicht in der Lage, an unser Leistungsoptimum zu gehen, wenn man es von uns erwartet."

Wobei Tuchel bei aller berechtigter Kritik auch zu einem generellen Umdenken aufforderte. "Vielleicht ist das dieses Jahr so?", so der Coach. Es müsse durchsickern, dass die Dortmunder einfach nicht die Übermannschaft sind, als die sie immer noch wahrgenommen werden. "Ich plädiere seit Monaten dafür, einzugestehen, dass wir das sind" - die Mannschaft, die auch die einfachen Spiele verlieren kann.

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Dass Keeper Roman Bürki die Partie "nicht überbewerten" wollte, macht einerseits Sinn. Eine junge Elf, die in einem widrigen Spiel Punkte liegen lässt - geschenkt. Wäre es in der Saison nicht schon so oft der Fall gewesen.

Und umso schmerzhafter ist es bei einem Blick auf die Konkurrenz. 0:3 verlor Eintracht Frankfurt, 0:3 auch RB Leipzig. An Ersteren hätte der BVB vorbeiziehen, auf die Sachsen zumindest Punkte gutmachen können. Platz drei hätte gewunken - im schlimmsten Fall droht jetzt am Sonntag der Sturz auf Platz sechs.

Darmstadt - Dortmund: Daten zum Spiel