Van Gaals Griff in die Traditionskiste

Von Andreas Lehner
Luca Toni in Aktion: Der Italiener war bei seinem Comeback schon fast wieder der Alte
© Getty

Die Verantwortlichen des FC Bayern München wollen Siege und eine Serie, Louis van Gaal will eine Mannschaft entwickeln. Das Spiel in Freiburg zeigte, dass van Gaal bereit ist, seinen Prozess etwas hinten anzustellen. Einen Fehler der Vergangenheit sollten die Münchner aber vermeiden.

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Beim FC Bayern findet zurzeit eine Machtverschiebung statt. Anfang der Woche hatte Sportdirektor Christian Nerlinger eine klare Forderung an Trainer und Mannschaft gerichtet. Man wolle gerne mit Louis van Gaal langfristig zusammen arbeiten, aber jetzt müssen endlich auch die richtigen Ergebnisse her. Eine Aufgabe, die in den letzten drei Jahrzehnten eigentlich immer Uli Hoeneß zufiel.

Doch egal, wer die Worte spricht, der Inhalt ist entscheidend. Und das bedeutete, dass sie in München mit van Gaals Arbeit zufrieden sind, aber der Niederländer nur bei kurzfristigen Erfolgen in Ruhe seine Arbeit an der Mannschaft fortsetzen kann und zeigen darf, dass er das sich selbst verliehene Prädikat "Prozesstrainer" verdient.

Bayern war mal wieder Bayern

In Freiburg wurde klar: van Gaal hatte verstanden. Durch die vielen Verletzungen (Ribery, Robben, Olic) musste er von 4-3-3 auf 4-4-2 umstellen. Doch nicht das System, sondern der Auftritt der Bayern war bezeichnend. Van Gaal griff zwar nicht in die Trick- dafür aber in die Traditionskiste und zeigte, dass er seine Entwicklung erstmal hinter das Ergebnis stellte.

Und wie man im richtigen Moment an die richtigen Ergebnisse kommt, weiß man in München so gut wie nirgendwo anders in diesem Land. Also waren die Bayern mal wieder Bayern. Schon in der Vorbereitung auf das Spiel forderte Kapitän Mark van Bommel die alte Bayern-Arroganz, Bastian Schweinsteiger gar einen dreckigen Sieg.

Anti-van-Gaal-Fußball

Und beide bekamen, was sie wollten. Mit nahezu zynischem Anti-van-Gaal-Fußball gingen die Bayern die erste Halbzeit an, immer wieder flogen die langen Bälle übers Mittelfeld hinweg auf die beiden Mittelstürmer Miroslav Klose und Luca Toni.

Der Italiener durfte endlich mal wieder für die erste Mannschaft ran und machte das, was man von ihm kennt. Bälle abschirmen, Fouls ziehen, mit den Mitspielern und der restlichen Welt hadern und den Ball irgendwie Richtung Tor drücken. So entstand schließlich das 1:0 von Thomas Müller.

Nur selten spielten die Bayern so, wie es sich van Gaal vorstellt und wie es teilweise auch in den letzten Wochen funktioniert hatte, mit schneller präziser Ballzirkulation. Auch der nach seiner Zehenverletzung sofort wieder in die Startelf beförderte van Bommel offenbarte ungekannte Ungenauigkeiten im Passspiel. Aber der Niederländer war sofort wieder Chef und Antreiber, er dirigierte, organisierte und stopfte Löcher. "Toni und van Bommel haben ihre Aufgaben erfüllt", sagte van Gaal.

Van Gaal war "sehr böse"

Nach hinten ließen die Bayern so überhaupt nichts anbrennen, außer in der letzten Minute beim Gegentor durch Stefan Reisinger, worüber van Gaal "sehr böse" war.

Die Bayern kontrollierten das Spiel gegen einen ängstlich wirkenden Aufsteiger. Doch trotz fast 70 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit, wurden kaum brauchbare Torchancen herausgespielt. Erst nach dem kuriosen Eigentor durch Du-Ri Cha war die Messe sprichwörtlich gelesen. "Wir waren sehr gut organisiert, haben aber nicht Chancen kreiert. Das hätten wir gegen eine Mannschaft wie Freiburg besser machen können. Wir hätten etwas schneller die Seiten wechseln müssen", sagte van Bommel.

Es ist eine erste Entwicklungsstufe des Systems van Gaal, dass die Bayern hinten nicht mehr so anfällig sind und nicht jedes Spiel zum Abenteuer wird. Unter Klinsmann fehlte die Balance, fast jedes Spiel hätte durch die überbordende Offensive auch verloren werden können. Dieses Gefühl hat man bei der Mannschaft von van Gaal nicht mehr, zu ausgewogen, stabil und organisiert präsentiert sich das Team in der Defensive.

Hoeneß erdet Müller

In der Offensive half das Altbewährte, das nötige Glück und Thomas Müller. Dem war von Joachim Löw unlängst eine Nominierung für die nächsten Länderspiele in Aussicht gestellt worden. Grund genug für Hoeneß zu zeigen, dass es mit der Machtverschiebung doch noch nicht so weit ist.

"Kaum schießt jemand drei Tore, wird schon nach der Nationalmannschaft gerufen. Früher musste man ein Jahr so spielen, um nominiert zu werden", sagte Hoeneß und legte nach: "Man sollte die Kirche doch mal im Dorf lassen. Die Nationalmannschaft ist gut genug, um ohne Thomas Müller eine WM zu bestreiten."

Spagat zwischen Ergebnissen und Entwicklung

Und weil Hoeneß einfach Hoeneß ist und sein Wort doch noch etwas mehr Gewicht hat, als das von Nerlinger, erneuerte er die Forderung des Sportdirektors: "Jetzt geht es bis Weihnachten richtig los. Wir müssen jetzt anfangen, eine Serie zu starten."

Fast dieselben Worte wählte der Manager auch vor einem Jahr, als die Bayern einen glücklichen Sieg in Karlsruhe holten. Die Klinsmann-Bayern verloren bis zur Winterpause kein Spiel mehr, die Entwicklung der Mannschaft blieb aber auf der Strecke.

Diesen Spagat muss van Gaal nun besser hinkriegen. Die baldige Rückkehr von Ribery und Robben darf ihn durchaus positiv stimmen.

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