Leverkusen zerlegt den VfB Stuttgart

Von Stefan Rommel
Stefan Kießling (r.) erzielte gegen den VfB Stuttgart drei, Eren Derdiyok (M.) einen Treffer
© Getty

Bayer Leverkusen hat am 14. Spieltag der Bundesliga die Tabellenführung von Werder Bremen dank eines überzeugenden 4:0 (2:0) gegen den VfB Stuttgart zurückerobert.

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Die Werkself siegte in der heimischen BayArena gegen den VfB Stuttgart locker und leicht mit 4:0 (2:0) und bleibt damit die einzige Mannschaft im deutschen Profi-Fußball ohne Niederlage. Die Tore für Bayer vor 32.000 Zuschauern erzielten Stefan Kießling mit einem Dreierpack (17., 59., 87.) und Eren Derdiyok (39.).

Nach den zahlreichen Punktverlusten der Konkurrenz ist Leverkusen damit der große Gewinner des Spieltags. Mit nunmehr 30 Punkten liegt Bayer jetzt drei Zähler vor dem schärfsten Verfolger aus Bremen und damit weiter voll auf Kurs Herbstmeisterschaft.

Babbel macht Druck auf Spieler

Der VfB dagegen ist seit sieben Bundesliga-Spielen ohne Sieg und belegt mit elf Punkten den vorletzten Tabellenplatz.

Sportvorstand Horst Heldt platzte schon in der Pause der Kragen. "Wir spielen hier Hacke, Spitze - das geht gar nicht! Das ist eine Voll-Katastrophe heute. Am besten wechselt Markus Babbel alle elf aus!"

Teamchef Markus Babbel zog bereits erste Konsequenzen und sagte seine Teilnahme am DFB Trainer-Lehrgang in der kommenden Woche ab: "Ich werde Köln absagen, damit wir ab Montag weiter arbeiten und hochkonzentriert in die Woche starten können."

Babbel nimmt allerdings auch die Spieler in die Pflicht: "Was ich nicht leiden kann, ist, wenn man ängstlich ist und die Ausreden beim Nebenmann sucht. Das kann ich nicht haben. Jetzt zeigt sich: Wer stellt sich der schwierigen Situation. Da werde ich jetzt genau hinschauen, wer dafür geeignet ist. Und dementsprechend werde ich am Samstag aufstellen."

So diskutierten die mySpox-User während des Spiels

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Bayer mit derselben Mannschaft wie in München.

Der VfB mit zwei Änderungen im Vergleich zum CL-Spiel in Glasgow: Für den gesperrten Kuzmanovic kommt Gebhart in die Mannschaft. Rudy rückt von rechts auf die Doppel-Sechs neben Träsch, Gebhart auf die rechte Mittelfeldseite. Kapitän Hitzlsperger nur auf der Bank. Und Tasci rückt für Niedermeier in die Innenverteidigung.

13.: Ecke Barnetta von rechts. Pogrebnjak springt unterm Ball durch. Hyypiä völlig frei, köpft aber aus zehn Metern knapp drüber.

19.: Kießling setzt sich rechts durch. Scharfe Hereingabe, Derdiyok verpasst noch, aber am langen Pfosten ist Kroos. Der nimmt den Ball mit links direkt, trifft aber aus elf Metern nur den linken Pfosten des fast leeren Tores.

22., 1:0, Kießling: Freistoß Kroos aus dem Halbfeld. Hyypiä setzt sich gegen Pogrebnjak durch und köpft zur Mitte. Kießling ist fünf Meter vor dem Tor ziemlich frei und drückt den Ball unter die Latte.

31.: Derdiyok findet Kroos, der am Sechzehner alle Zeit der Welt hat. Kurze Drehung, Flachschuss aus 18 Metern. Lehmann mit den Fingerspitzen noch dran - wieder klatscht der Ball an den linken Pfosten.

39., 2:0, Derdiyok: Kroos darf wieder einmal machen was er will. Diesmal sieht er Derdiyok in den Sechzehner einlaufen, Boka und Delpierre schlafen. Der Ball segelt an den Elfer. Derdiyok kommt im vollen Tempo und köpft den Ball perfekt in den rechten Giebel.

44.: Hleb spitzelt ein Zuspiel von Boka weiter auf Pogrebnjak. Der ist völlig frei vor Adler, bringt den Ball aus 14 Metern aber nicht am Leverkusener Keeper vorbei.

Halbzeit-Fazit: Völlig verdiente Bayer-Führung, die sogar noch höher hätte ausfallen müssen. Der VfB enttäuscht komplett bisher. "Das ist eine Voll-Katastrophe heute. Am besten wechselt er alle elf aus", fluchte VfB-Chef Horst Heldt in der Pause.

59., 3:0, Kießling: Ein Traum! Kroos im Mittelfeld durch vier Stuttgarter hindurch. Dann der Sahne-Pass auf Kießling. Der bleibt alleine vor Lehmann cool und drückt den Ball aus 14 Metern in die kurze Ecke.

79.: Marica geht mit Tempo auf Hyypiä drauf und an dem vorbei. Sein Schuss aus elf Metern geht aber am langen Pfosten vorbei.

86., Elfmeter für Leverkusen: Derdiyok ist schneller am Ball als Lehmann, der den Schweizer einfach über den Haufen rennt.

87., 4:0, Kießling: Der Nationalspieler schickt Lehmann nach rechts und schiebt selbst nach links ein.

Fazit: Vollkommen verdienter Leverkusener Sieg gegen einen VfB, der wie ein Abstiegskandidat aufgetreten ist und von Bayer fachgerecht zerlegt wurde.

Der Star des Spiels: Stefan Kießling erzielte zwar seine Saisontore Nummer zehn, elf und zwölf - neben dem Nationalspieler trumpfte aber ein anderer noch groß auf. Toni Kroos erwischte einen überragenden Arbeitstag, war an den ersten drei Toren mittel- oder unmittelbar beteiligt. Traumhaft sein Antritt vor dem 3:0, als er sich von drei langen Stuttgarter Abwehrbeinen nicht stoppen ließ und dann Kießling perfekt bediente. Der Krönung in Form eines eigenen Treffers stand zweimal nur der Pfosten im Weg. Dennoch: Kroos' Entwicklung bei Bayer ist beeindruckend.

Die Gurke des Spiels: Timo Gebhart bekam einige Wochen keine Bewährungschance mehr von Markus Babbel. Gegen Leverkusen aber schon. Nur war von Bewährung nichts zu sehen. Auf der rechten Mittelfeldseite brachte Gebhart nicht einen einzigen Ball an den Mitspieler, defensiv ließ er Osorio immer gegen Castro und Kroos alleine. Zudem folgte er Kroos nicht, wenn dieser in die Mitte einrückte. Eine glatte 6. Mini-Trost für Gebhart: Er war mit seiner unterirdischen Leistung nicht der einzige VfB-Spieler...

Die Pfeife des Spiels: Florian Meyer hatte mit der insgesamt fairen Partie kaum Probleme, lag mit seinem Gespann zusammen bei allen kniffligen Entscheidungen richtig und verteilte auch persönliche Sanktionen im richtigen Maß. Insgesamt übrigens sechs Gelbe Karten - allesamt gegen Stuttgarter Spieler.

Die Lehren des Spiels: Im Sommer lagen Welten zwischen dem VfB und Bayer. Stuttgart erreichte nach einer Bomben-Rückrunde noch die Champions League, Bayer spielte die schlimmste Halbserie seit Jahren und landete am Ende im trostlosen Mittelfeld.

Und jetzt? Liegen erneut Welten zwischen beiden Mannschaften - nur mit umgekehrten Vorzeichen. Selten hatte Bayer in dieser Saison einen schwächeren Gegner zu Gast. Und Leverkusen nahm die Einladungen dankend an.

Die Raumaufteilung und das vorzügliche Pressing nahmen dem VfB nach einer kurzen Anlaufphase jegliche Luft zum Atmen und aus den frühen Ballgewinnen machte Leverkusen über etwa 60 Minuten gewissermaßen Dauerdruck.

Leverkusen baut sein Spiel immer auf den elementaren Dingen auf und findet dann erst zu seinen spielerischen Elementen - die perfekte Mischung für nachhaltigen Erfolg.

Und was fast mit das schönste an dieser Leverkusener Mannschaft ist: Sie hört selbst bei einem klaren Vorsprung nicht auf, Fußball zu spielen. Die Spielfreude ist fast mit Händen greifbar. Erst gegen Ende schaltete Bayer auf Langsam-Modus um.

Die Stuttgarter "Mannschaft" dagegen lieferte über sehr große Teile der Partie die reinste Leistungsverweigerung ab. Anders kann man den Auftritt gut der Hälfte der Spieler nicht beschreiben.

Das Selbstvertrauen aus Glasgow - der angeblichen Wende zum Guten - reichte für genau acht Minuten. Dumm nur, dass ein Fußballspiel immer noch 90 Minuten plus X dauert. Dazu kommt ein relativ unerklärlicher Wechsel von Babbel, der den zumindest bemühten Cacau für Schieber vom Feld nahm und nicht den ziemlich indisponierten Pogrebnjak.

Champions-League-Teilnehmer, angebliche Spitzenmannschaft hin oder her: Der VfB Stuttgart steckt so tief im Abstiegskampf wie seit acht Jahren nicht mehr. Nur ist diese Erkenntnis innerhalb der Mannschaft noch nicht gereift. Im Gegenteil.

Und fast noch viel schlimmer: Mit so einem Auftreten hat das Team seinen Trainer schlicht im Stich gelassen. Die Diskussionen um den Trainer werden einen neuen - noch heftigeren - Anlauf nehmen...

Leverkusen - Stuttgart: Daten zum Spiel