Paco Alcacer wird wieder zum BVB-Matchwinner: Erlösungserscheinungen

Von Jonas Rütten
Wurde nach drei vergebenen Großchancen doch noch zum Matchwinner für den BVB gegen Stuttgart: Stürmer Paco Alcer.
© getty

"Pacogoal", "Das Wunder", "Doppel-Paco". Angesichts seiner überragenden Torquote bei Borussia Dortmund überschlugen sich die spanische und die deutsche Presse bei den Superlativen zu Paco Alcacer. Doch ähnlich wie der BVB rutschte auch der 25 Jahre alte Spanier nach der Winterpause in eine Schaffenskrise. Die Leichtigkeit, das Selbstverständnis, das Lächeln waren abhandengekommen. Doch beim 3:1-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart kehrte zumindest Letzteres am Ende in Ansätzen wieder zurück.

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Paco Alcacer blickt für einen Moment regungslos zu Ron-Robert Zieler, rauft sich anschließend die Haare, dreht kopfschüttelnd ab - und muss nur wenige Momente später mitansehen, wie ein bis dahin völlig unterlegener VfB Stuttgart in Dortmund zum Ausgleich kommt.

Die 69. und 71. Minute im Heimspiel des BVB gegen das Kellerkind aus dem Schwabenland, sie standen sinnbildlich für all das, was bei den Schwarz-Gelben und auch bei Alcacer selbst bis dato in der Rückrunde schiefgelaufen war.

Auf der einen Seite der 25-jährige "Wunderstürmer" mit Ladehemmung, der den Torhüter der Schwaben mit einem Lupfer düpieren wollte. So hatte er es schon in der Hinrunde beim 4:0-Sieg der Schwarz-Gelben in Stuttgart gegen Zieler gemacht. Damals, als jeder vom so erfrischend aufspielenden BVB schwärmte und alles zu Toren wurde, wogegen Alcacer mit dem Fuß trat.

Und auf der anderen Seite dieses Manko in der BVB-Defensive, gerade bei Standards des Gegners (bereits zehn Gegentore). Keinen einzigen Torschuss brachte die VfB-Offensive im zweiten Durchgang zustande. Doch als es in eben jener 71. Minute soweit war, klingelte es gleich. Der Ausgleich aus dem Nichts war ebenso bezeichnend wie Alcacers Glücklosigkeit vor dem gegnerischen Tor seit Jahresbeginn.

Paco Alcacer trifft gegen den VfB: Endlich wieder Matchwinner

Erst in der Vorwoche gegen den FC Augsburg hatte der Spanier seine Torflaute nach neun Pflichtspielen in Folge ohne eigenen Treffer beendet. Gewonnen hatte der BVB trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil. Anders als noch in der Hinrunde, als Alcacer regelmäßig in der Rolle des Jokers kam, traf und der BVB durch seine Tore gewann (Leverkusen, Augsburg, Bayern), verlor Dortmund gegen Augsburg.

Und als der VfB Stuttgart, so unterlegen er auch in Dortmund auftrat, plötzlich ausglich und Alcacer zuvor auch die dritte Großchance liegen gelassen hatte, schienen sich die Negativspiralen des BVB und die von Alcacer in vollendeter Synchronität einfach weiterzudrehen.

Doch der BVB zeigte endlich jene schon fast verloren geglaubten Comeback-Qualitäten, die ihn in der Hinrunde so stark und Alcacer zu "Pacogoal" gemacht hatten. Denn das Glück, was Alcacer in der Hinrunde noch auf Schritt und Tritt gefolgt war und ihm einen zwischenzeitlichen Fabelwert von 1,78 Expected Goals pro Spiel einbrachte, kehrte zurück.

Zurück auf den Schlappen des Spaniers, der sechs Minuten vor dem Ende nicht lange fackelte und den Ball zum erlösenden 2:1 ins Stuttgarter Gehäuse drosch.

Erlösend für den BVB, aber auch für Alcacer selbst, der jubelnd abdrehte, zu Boden sank, die Zeigefinger gewohnt zum Gedenken an seinen verstorbenen Vater gen Himmel reckte und sein Gesicht anschließend ins Trikot von Jadon Sancho vergrub. "Er hat ein Gefühl dafür", lobte BVB-Trainer Lucien Favre seinen Stürmer auf der Pressekonferenz nach dem mühsamen Erfolg und sprach fast schon ehrfürchtig von einem "klassischen Stürmertor".

Paco Alcacer im Jahr 2019: Kater nach dem Höhenrausch

"Schauen Sie sich das noch mal an", mahnte Favre die anwesenden Reporter, als wollte er die ganze Klasse Alcacers anhand dieser Szene hervorheben. Warum er das so explizit tat, blieb nach dem "Sieg des Willens" (Marco Reus) Favres Geheimnis. Doch es lag irgendwie auch auf der Hand.

Viel Fingerspitzengefühl forderten nicht wenige von Favre, als Alcacers zunehmend schwindendes Selbstvertrauen Anfang Februar nochmals einen erheblichen Knacks erfuhr. Gegen Werder Bremen im Achtelfinale des DFB-Pokals scheiterte ausgerechnet der so treffsichere wie sensible Spanier mit dem ersten Schuss im Elfmeterschießen und vergoss anschließend bittere Tränen.

Reus, der Alcacer in dessen Anfangszeit "sehr geholfen" und dem Alcacer "viel zu verdanken" habe, Ömer Toprak und Achraf Hakimi, sie alle kamen und trösteten den Untröstlichen. Seine Tränen waren Ausdruck des Drucks, den sich der Spanier nach den Liebes- und Lobeshymnen aus der Hinrunde augenscheinlich auch selbst auferlegt hatte. Statt der Fortsetzung des Höhenrausches setzte aber der Kater ein.

Bundesliga-Tabelle: FC Bayern zieht an BVB vorbei

PlatzTeamSpieleToreDiffPkt.
1.Bayern München2562:273557
2.Borussia Dortmund2561:283357
3.RB Leipzig2543:202346
4.Borussia M'gladbach2544:301446
5.Eintracht Frankfurt2447:301740
6.Bayer Leverkusen2443:35839

BVB und Alcacer: Spitzenreiter a.D. mit "wichtigem Schritt"

So wie auch der BVB nach der Hinrunde kräftig katerte. In Embryonal-Stellung und von Kopfschmerzen geplagt auf der Couch liegend und mit dem Eimer in unmittelbarer Griffweite, sozusagen. Und der Rückrunden-Kater hatte seine Konsequenzen: Der Neun-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern ist futsch und seit diesem 25. Spieltag ist der Spitzenreiter Borussia Dortmund vorübergehend a.D. - nach 161 Tagen außer Dienst.

"So verspielt der BVB alles", beckmesserten zahlreiche Sportmedien und sprachen von Auflösungserscheinungen bei den Schwarz-Gelben. Und tatsächlich: die zahlreichen Rückschläge seien nicht spurlos an einem vorbeigegangen, räumte BVB-Kapitän Reus am Samstagabend ein: "Daher ist jetzt Erleichterung dabei. Wir haben heute einen wichtigen Schritt gemacht und Selbstvertrauen getankt."

So sehr die Ergebnisse in den vergangenen Wochen auf den Kollaps, sprich: Auflösungserscheinungen, bei den Dortmundern hindeuteten, so sehr war das 3:1 gegen Stuttgart aufgrund der besonderen Umstände eine Erlösungserscheinung. Erlösung von den Spielen, in denen man eigentlich besser war, aber die man einfach nicht gewann. Und für Alcacer eine endgültige Erlösung von der Torlosigkeit der vergangenen Monate.

Mit seinem 14. Saisontreffer stellte Alcacer zudem einen persönlichen Rekord auf, schließlich hat er noch nie so viele Ligatreffer in einer Saison geschossen. Die Leichtigkeit und das Selbstverständnis, mit dem "Pacogoal" in der Hinrunde noch auf Torjeagd gegangen war, mag noch nicht endgültig zurückgekommen sein, doch immerhin sein Matchwinner-Lächeln hatte der Spanier nach dem Sieg wiedergefunden.

Um in Dortmund einen Punkt mitzunehmen, brauche man auch Glück, hatte VfB-Trainer Markus Weinzierl nach dem Spiel gesagt: "Das haben wir heute nicht gehabt, weil Alcacer der Ball vor die Füße fiel."

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