"Stolz, keinen Wikipedia-Eintrag zu haben"

Jochen Saier (l.) an der Seite von SC-Trainer Christian Streich
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SPOX: Sie waren zu dieser Zeit gerade Mitte 20. Ist das in diesem Alter nicht etwas viel Verantwortung?

Saier: Es war intensiv, aber ich fühlte mich am richtigen Ort. Interessant war schon recht früh, viel Personalverantwortung zu haben. Die Fußballschule war damals mit hauptamtlichen Trainern, Pädagogen und Physios personell bereits gut aufgestellt. Insgesamt arbeiteten rund 40 Leute dort, davon rund 15 hauptamtlich. Mit dem damaligen A-Jugendtrainer Christian Streich und seinem Co-Trainer Klemens Hartenbach (heute SC-Sportdirektor, Anm. der Red.) hatte ich erfahrene Leute um mich. Zudem waren es recht flache Hierarchien. Es geht um inhaltliche Arbeit, die gegenseitige Wertschätzung und weniger um das Alter.

SPOX: Dennoch hatten Sie zu dieser Zeit Ihr Studium noch nicht fertig.

Saier: Ich habe mich voll auf die neue Aufgabe konzentriert und deshalb kaum Zeit für andere Dinge. Das Studium hatte ich zunächst knapp zwei Jahre auf Eis gelegt. Aber ich hatte in Bayreuth eine tolle WG. Die Jungs haben mich dann mit dem Lernstoff versorgt und mir gesagt, wann ich wo sein muss, um die nächste Prüfung zu bestehen. Auch meine Diplomarbeit über "Psychosoziale Ressourcen im Jugendfußball" habe ich noch ins Ziel gebracht. Es war demnach kein gerader Weg, aber am Ende habe ich das Studium ganz vernünftig absolviert.

SPOX: Wie sahen Ihre Aufgaben in der Fußballschule aus?

Saier: Wir haben uns grundsätzliche Gedanken über die Ausrichtung des Vereins gemacht. Wollen wir ein starres System? Wie bringen wir Spieler nach oben? Müssen wir Spieler nicht auf mehreren Positionen ausbilden? Da haben wir uns mit Christian Streich, Klemens Hartenbach und dem gesamten Trainerstab die Köpfe heiß diskutiert. Wir waren uns einig, dass wir vom Konzept her nicht Barcelona sein wollten und 95 Prozent der Trainingswoche vorgeben. Vielmehr haben wir Basisübungen für die einzelnen Mannschaftsteile entwickelt. Das passt zur grundsätzlichen Idee des SC: Wir haben breite Leitplanken, um sicherzugehen, dass die Richtung stimmt. Aber innerhalb dieser kann sich jeder mit großer Freiheit aber auch großer Verantwortung einbringen.

SPOX: Im April 2013 verließ der damalige SC-Manager Dirk Dufner den Verein in Richtung Hannover. Gemeinsam mit Klemens Hartenbach schlüpften Sie übergangsweise in die Position des Sportdirektors. Wie lief das ab?

Saier: Die Geschichte wiederholte sich. Nach Dirks Abgang haben die Verantwortlichen externe und interne Lösungen überprüft und wir haben die sportliche Leitung bis zur Entscheidung kommissarisch übernommen. Es war April und für die neue Saison mussten Entscheidungen getroffen und Transfers umgesetzt werden. Offenbar war man mit der Steuerung dieser Phase zufrieden und der Verein hat sich entschieden, den Weg mit uns weiterzugehen.

SPOX: Der Klub strich den Zusatz "Interim" und plötzlich waren Sie mit 35 Jahren Bundesliga-Manager.

Saier: Klar, diese Entwicklung vom Hospitanten zum Manager und später zum Vorstand Sport gibt es sicherlich nicht allzu oft. Das ist mir durchaus bewusst. Aber ich bin mit dem Verein gewachsen. Ein derartiger Weg ist generell nicht planbar. Wenn du aber nicht 150 Bundesliga-Spiele und noch zehn Länderspiele auf dem Buckel hast, wird dir nichts geschenkt und man sollte inhaltlich zumindest nicht schlechter sein, als Kollegen mit einer derartigen Vita. Ausbildungsverein bedeutet beim SC Freiburg auch, dass Mitarbeiter reifen können. Wir haben mit der Zusammensetzung des Trainerstabs um Christian Streich, Klemens Hartenbach und mir Beispiele dafür.

SPOX: Ist es für Ihr Umfeld schon normal, dass Sie jetzt den Verein leiten?

Saier: Ich bin in meiner 14. Saison beim SC und in meiner vierten in der Verantwortung für den Lizenzbereich. Mit Europa League, Klassenerhalt, Abstieg und dem sofortigen Wiederaufstieg habe ich schon ein bisschen was erlebt. Aber ich bin niemand, der sich über die Funktion definiert. Die Verantwortung hat sich natürlich stark verändert, der interne Umgang idealerweise nicht.

SPOX: Freiburg wird stets als "Wellnessoase" tituliert, da sich der mediale Irrsinn in Grenzen hält. Hat das Ihrer Entwicklung geholfen?

Saier: Diese Ruhe ist vor allem in kritischen Phasen ein absoluter Vorteil. Wir haben nicht den medialen Hype anderer großer Standorte mit reißerischen Überschriften und großen Nebenkriegsschauplätzen. Letztlich ist die Rechnung ganz einfach: Wenn du 50 Prozent deiner Arbeit aufbringen musst, um Dinge in der Öffentlichkeit wieder glattzuziehen, fehlt dir diese Energie an anderen Stellen. Dennoch muss ich sagen, dass der SC alles andere ist als eine Wellnessoase. Alle Leute im Verein haben über Jahrzehnte hart für eben diesen Ruf und die Vereinskultur gearbeitet. Nichts fällt einfach so vom Himmel.

SPOX: Können Sie sich auch vorstellen, in einem hektischeren Umfeld zu arbeiten?

Saier: (lacht) Ich hatte auch ohne Wikipedia-Eintrag schon die ein oder andere Möglichkeit. Aktuell ist das allerdings komplett uninteressant, da ich mich extrem wohl fühle und wir hier noch gemeinsam einiges reißen wollen.

SPOX: Ich glaube, dass wir jetzt genug Informationen für einen Wiki-Eintrag zusammengetragen haben. Könnten Sie Klemens Hartenbach denn jetzt nicht mal fragen, ob er Ihren Beitrag schreibt?

Saier: Hat er denn überhaupt einen?

SPOX: Ja, keinen langen, aber immerhin.

Saier: Mannomann. Na gut, dann klopfe ich demnächst mal bei ihm an.

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