"In Heidels Fußstapfen will ich nicht"

Rouven Schröder übernahm Ende Mai die sportliche Leitung beim 1. FSV Mainz 05
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SPOX: Sie haben zu Beginn gesagt: 'Wenn wir von einem Spieler überzeugt sind, geben wir auch Geld aus.' Das haben Sie bereits getan. Mainz 05 hat in diesem Sommer angeblich so viel Geld in Transfers investiert wie noch nie zuvor. Wird sich der FSV dahingehend in den nächsten Jahren etwas anders aufstellen?

Schröder: Es ist beeindruckend, wie viele Leute mit Artikeln, die mal verfasst worden sind, tatsächlich umgehen. Es wurden Beträge ohne Hintergrund summiert. Es hieß, wir hätten die höchste Gehaltsstruktur aller Zeiten. Dabei gab es gar keine Basis für diese Behauptungen. Das wird manchmal nur geschrieben, um eine Reaktion zu bekommen. Da muss man ein bisschen vorsichtig sein.

SPOX: Was aber stimmt ist, dass Sie für Mainzer Verhältnisse dennoch viel Geld in die Hand genommen haben.

Schröder: Natürlich. Trotzdem zahlen wir nicht direkt einfach eine Summe X für einen Spieler, nur weil er gerade dieses Preisschild umhängen hat. Ablösesummen werden über Jahre gestreckt und verrechnet. Verkäufe aus den letzten Jahren wurden auch nicht in einer Summe bezahlt, sodass auch immer wieder frisches Geld reinkommt. Sicherlich werden die Spieler immer teurer. Das fängt bei uns an und endet irgendwann bei Vereinen, die vor dieser Saison über 100 Millionen Euro für ihren Profikader ausgeben. Es ist eine Gesamtentwicklung und nicht nur die von Mainz 05. In Sachen Gehalt sind wir immer noch im unteren Drittel. Wir müssen immer wieder kreativ sein.

SPOX: An der eigenen Wahrnehmung hat sich beim FSV also nichts verändert? Man hat immer betont, ein Ausbildungsverein zu sein.

Schröder: Nein und das muss auch nichts Negatives sein. Wir können diese gestandenen Spieler aktuell nicht verpflichten. Wir haben zwar gewisse Einnahmen, jedoch wächst jeder andere Verein auch mit. Wenn man so einen Spieler holen will, muss der für die Ablösesumme um ein Vielfaches besser sein als das, was man schon im Kader hat. Wenn ich für die Zentrale einen Spieler für acht Millionen Euro verpflichte und der ist nicht deutlich besser, als die Spieler, die ich schon habe, bekomme ich ein Problem - auch in der Kabine. Denn die Erwartungen an diesen Spieler sind enorm. Auf diesem schmalen Grat versuchen wir uns gegenüber der Konkurrenz weiter zu behaupten. In dieser Nische sind wir es, oder vergleichsweise auch Borussia Mönchengladbach in der Spitze der Liga, die diese Spieler bekommen. Weil sie wissen, dass sie hier den nächsten Schritt machen, um dann in die Top-Klasse zu gehen. Dadurch, durch attraktiven Fußball und einen sehr guten Trainer können wir uns immer absetzen.

SPOX: Gerade jetzt, wo noch sehr viele Leute genau darauf schauen, wen Sie verpflichten, denken Sie da doppelt und dreifach nach, bevor Sie einen Spieler holen?

Schröder: Natürlich ist der erste Transfer etwas ganz Besonderes. Im Endeffekt ist es aber eine Maschinerie, die angeworfen wird - und dann wird verhandelt. Man macht alles nach bestem Gewissen und prüft es. Irgendwann kann man aber nicht noch ein x-tes Mal überlegen. Dann heißt es Butter bei die Fische und man transferiert. Keiner wird mir bei einem Wechsel alles garantieren können. Man darf sich nicht zu viele negative Gedanken machen, sonst wird man diesen Job nicht schaffen.

SPOX: Die größte Baustelle war nach dem Baumgartlinger-Abgang sicher das zentrale Mittelfeld. Haben Sie das Gefühl, dieses Loch schon gestopft zu haben?

Schröder: Wir werden Julian nicht eins zu eins ersetzen können. Wenn wir einen arrivierten Spieler wie ihn abgeben, bekommen wir im gleichen Segment für dieses Geld keinen Spieler mit seinen Qualitäten. Also versuchen wir, junges Top-Potenzial zu entdecken und mit dem bestehenden Kader den nächsten Schritt zu gehen. Jetzt ist es an Fabian Frei und Danny Latza, diese Rolle zu übernehmen und weiter zu reifen. Wir haben jetzt auch mit Suat Serdar, Jean-Philippe Gbamin und Jose Rodriguez eine sehr variable Zentrale, die gewisse Rollen ausfüllen und solch einen Verlust im Verbund kompensieren kann. Wir haben uns in der Breite gut verstärkt. Diese Mannschaft wird den nächsten Schritt machen.

SPOX: Wie nimmt man die Worte von Giulio Donati auf, der sagte, es wäre schön, für den SSC Neapel zu spielen?

Schröder: Wir haben uns klar positioniert. So eine Aussage von Giulio ist ganz normal. Das ist seine Heimat, er ist Italiener durch und durch. Er ist für uns ein wichtiger Spieler, das weiß er auch und Giulio fühlt sich in Mainz pudelwohl. Von daher ist das kein Thema für uns.

SPOX: Sie haben als Profi nicht das große Geld verdient, das heute viele Bundesliga-Spieler kassieren. Muss man dem Einen oder Anderen gelegentlich mal vor Augen führen, wie lukrativ so ein Vertrag auch bei Mainz 05 eigentlich ist?

Schröder: Die Jungs wachsen in den Markt rein. Wenn ein anderer Verein einem Spieler das Zehnfache bietet, wie soll ich da noch argumentieren? Jeder muss für sich selbst einschätzen, wo unser Gehaltsgefüge ist und wo er sich dort eingliedert. Wenn einer deutlich mehr verdienen will, als es unser Budget zulässt, wird es schwierig. Für diese Saison sind wir uns aber mit allen einig.

SPOX: Die anstehenden Testspiele wurden im Donnerstag-Sonntag-Rhythmus terminiert. Bewusst, um die Dreifachbelastung der Saison zu simulieren?

Schröder: Absolut. Wir wollten die Spiele mit Flugreisen verbinden, um ein Gefühl dafür zu bekommen und die Mannschaft auf gewisse Belastungen einzustellen. Der Trainer bereitet die Dinge sehr akribisch vor. Am wichtigsten ist es uns aber natürlich, dass die Jungs gesund durch die Vorbereitung kommen und die Philosophie des Trainers verstehen.

SPOX: Wie sehr dient der FC Augsburg nach der letzten Saison als Warnung?

Schröder: Es wird im Vorfeld nur darauf gewartet, dass es genau so kommt, wie es alle gesagt haben. Dass die Dreifachbelastung zu schwer wird und wir in den Abstiegskampf reinrutschen. Sollen wir uns jetzt verrückt machen? Wir bereiten uns auf alles vor. Dennoch kann auch mal das Glück eine Rolle spielen oder auch die psychische Belastbarkeit des Teams. Wir werden Höhen und Tiefen haben, über die Konstanz und den großen Kader sprechen. Es wird spannend, man kann nicht alles vorhersehen - dafür lieben viele Leute den Fußball.

SPOX: Sie haben mit Bayern, Dortmund, Gladbach, Wolfsburg, Schalke und Leverkusen ein Sextett genannt, das rein wirtschaftlich die Liga anführen müsste. Der Anreiz für kleine Vereine sei es, diese Klubs herauszufordern. Ist das auch diese Saison das Ziel von Mainz 05?

Schröder: Wir wollen keine Headlines beschwören. Sage ich heute, dass wir die Großen ärgern wollen, hauen mir das später alle um die Ohren, wenn wir auf Platz 15 stehen. Das bringt gar nichts. Wir wollen eine gute Saison spielen und Deutschland gut in Europa vertreten.

SPOX: Am 26. August findet die Gruppen-Auslosung der Europa League statt. Was wäre denn die Wunschkonstellation?

Schröder: Wenn man so eine Runde spielt, möchte man natürlich Kracher haben. Das haben sich die Jungs und das ganze Umfeld bei Mainz 05 verdient. Wir würden uns alle wünschen, uns mit einem Verein mit großer Strahlkraft messen zu können. Manchester United, Flutlicht, vielleicht ein bisschen Regen - da würde es doch richtig zur Sache gehen.

SPOX: Der FSV hat seit einiger Zeit eine mehrsprachige Homepage, in den letzten Jahren wurden einige Transfers aus Asien getätigt, das erste Trainingslager in diesem Sommer fand in Colorado statt: Wird die Internationalisierung vom kleinen Karnevalsverein Mainz 05 jetzt stark vorangetrieben?

Schröder: Wir fanden es total positiv, dass die DFL uns in Erwägung zog, die Marke Bundesliga im Ausland zu repräsentieren. Man braucht nicht nur den International Champions Cup mit acht Top-Teams, wo 3000 Leute zur Autogrammstunde kommen, um die hochbezahlten Stars zu sehen, die einen aber nicht an sich rankommen lassen. Sondern auch Mainz 05, einen Klub zum Anfassen. Vor solchen Möglichkeiten darf man sich dann auch nicht verschließen.

SPOX: In Mainz wurde auch ein potenzieller Investor in den letzten Monaten nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Wie wahrscheinlich ist denn der baldige Einstieg eines großen Geldgebers?

Schröder: Der Verein bereitet gerade eine Strukturveränderung vor, in der es erst einmal nicht um den Einstieg eines Investors geht. Aber man sollte sich diesem Gedanken nicht grundsätzlich verschließen, vielleicht kommt die Zeit, da ein solches Modell interessant wird. Wenn man jemanden findet, der wirklich Interesse an Mainz 05 hat, diesen Klub unterstützen will und Vertrauen in die führenden Personen hat, kann das sinnvoll sein. Klar wäre dann aber, dass wir als Verein immer das Heft des Handelns in der Hand haben müssten. Es ist schön und gut, wenn das Geld fließt. Wenn man aber jede Entscheidung bei sieben Leuten rechtfertigen muss und jeder seinen Senf dazugeben will, funktioniert es nicht. Dann verliert man völlig die Kontrolle über den Verein, und der darf seine Identität nicht verlieren.

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