Alles, nur kein Defensivmist

Von Arne Pieper
Vorbereitung auf den Abstiegskampf mit Volleyball unter Palmen in Abu Dhabi
© imago

Nach der enttäuschenden Hinrunde will Eintracht Frankfurt mit neuem Offensivgeist aus dem Tabellenkeller. Um zu alter Stärke zurückzufinden, hat das Team von Armin Veh in der Winterpause vor allem in der Offensive aufgerüstet. Der Trainer hat plötzlich die Qual der Wahl.

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Vor genau sieben Monaten verkündete die Eintracht die Rückkehr ihres Heilsbringers Armin Veh auf den Trainerstuhl. Unter seiner Leitung sollte nicht weniger als der nächste Angriff auf die internationalen Plätze gestartet werden. Nach der anfänglichen Euphorie ist in der hessischen Metropole jedoch längst Ernüchterung eingekehrt, unter dem Strich stehen nach der erschreckend schwachen Hinrunde 17 Punkte und Tabellenplatz 14. Statt um die Europa-League-Plätze zu spielen, befindet sich der Klub mitten im Existenzkampf.

Der Traum von Reisen nach Sevilla oder Liverpool ist inzwischen sogar der Angst vor Sandhausen und Heidenheim gewichen. Um den Super-GAU im Mai zu verhindern, hat Sportdirektor Bruno Hübner in der Winterpause das einzig Richtige getan und gleich drei neue Spieler an Land gezogen. Vor allem der kränkelnden Offensive soll durch die Verpflichtungen von Szabolcs Huszti und Marco Fabian neues Leben eingehaucht werden.

Der Weg aus der Krise, da sind sich in Frankfurt alle einig, führt nur über das Spiel nach vorne. Der Offensivgeist der Mannschaft war in den vergangenen Jahren zentraler Bestandteil des Erfolgs, die notorischen Defizite in der Abwehr konnten durch die Kreativabteilung meist ausgeglichen werden. Trotz der bedrohlichen Situation soll diese Mentalität beibehalten werden, die in der Frankfurter DNA fest verwurzelt ist.

Attacke statt "Defensivmist"

Quasi als Gegenmodell zur Zementfabrik Hoffenheim wollen sich die Hessen mit Vollgas aus dem Keller schießen. "Unser Spiel ist es, nach vorne zu spielen und Tore zu provozieren. Wenn wir zwei kriegen, aber drei schießen, ist das nicht schlimm", kündigte Haris Seferovic im Trainingslager die Marschroute an: "Wir werden in der Rückrunde nicht mehr so tief stehen, sondern mehr drauf gehen." Ähnlich äußerte sich Veh, der statt "Defensivmist" das Heil in der Flucht nach vorne sucht.

Dank der Neuzugänge hat der Coach nun ungeahnte Auswahlmöglichkeiten. Statt immer wieder auf Notlösungen setzen zu müssen, herrscht wieder echter Konkurrenzkampf um die offensiven Positionen. In der Hinrunde hatte Aleksandar Ignjovski ständig als Lückenfüller ausgeholfen, im linken Mittelfeld versuchte es Veh fast im Wochentakt mit einem anderen Spieler. "Ohne linke Seite geht das ganze Gebilde kaputt", musste der Trainer schließlich resignieren.

Die Vakanz, welche durch den Abgang von Takashi Inui auf der linken Seite entstanden ist, soll jetzt vor allem Marco Fabian füllen. Der 26-Jährige ist mit 3,5 Millionen Euro der teuerste Einkauf seit dem Brasilianer Caio im Jahr 2008. Der Mexikaner verfügt in Sachen Ballbehandlung, Passsicherheit und Torabschluss über herausragende Fähigkeiten, wird bei seiner ersten Station außerhalb Mexikos aber eine lange Anlaufzeit benötigen. "Es dauert, bis er weiß, wie wir spielen. Er muss sich ja am meisten umstellen", erkannte auch Veh nach wenigen Tagen in Abu Dhabi. Hübner ordnete bereits eine "Intensivbetreuung" an, um ihn an das neue Umfeld schnellstmöglich zu gewöhnen.

Fabian mit schwachem Einstand

Die Befürchtungen untermauerte Fabian im Testspiel gegen Borussia Dortmund (0:4), als er über die gesamten 90 Minuten nahezu unsichtbar blieb. Daher könnte ein weiterer Neuzugang zunächst auf der linken Seite beginnen. Nach seinem China-Abenteuer kehrt Szabolcs Huszti wieder einmal in die Bundesliga zurück und dürfte wesentlich weniger Anpassungsprobleme haben. Ebenso wie Fabian kann der 32-Jährige wahlweise Zentrum oder Außenbahn beackern und hat seinen neuen Coach bereits überzeugt. "Es stellt sich nicht die Frage, ob er es nochmals in der Bundesliga schafft", gab sich Veh im Trainingslager zuversichtlich.

Huszti und Fabian sollen nicht nur den Konkurrenzkampf im Team beleben, sondern ihren neuen Kollegen im Zusammenspiel auch dabei helfen, zu alter Form zurückzufinden. Vor allem Stefan Aigner hinkte seinem Leistungsvermögen in der Hinrunde meilenweit hinterher. "Man braucht nicht drum herumreden: Ich habe schon bessere Hinserien gespielt", gab sich der 28-Jährige in der Vorbereitung selbstkritisch und diagnostizierte, dass er sich selber "Steine in den Rucksack" gelegt habe. Aigner erzielte erst am 17. Spieltag den ersten Saisontreffer, sein früher unumstrittener Stammplatz fiel zwischenzeitlich der Mittelfeldraute zum Opfer.

"Das ist jetzt auf dem Platz ein anderer Aigner", schöpfte Veh nach den letzten Trainingseindrücken allerdings neuen Mut und wird dem Dauerläufer auf der rechten Seite wohl wieder die Chance geben. Eine Stammplatzgarantie hat weiterhin Alex Meier, der für seine Verhältnisse ebenfalls ein tiefes Tal durchschreiten musste. Der amtierende Torschützenkönig bleibt trotz Formschwankungen der entscheidende Faktor im Spiel der Frankfurter. Mit sieben Treffern ist er wie immer der erfolgreichste Torschütze des Teams und bestätigte in der Hinrunde wieder einmal die Formel: Läuft Meier heiß, ist die Eintracht erfolgreich.

Rückkehr zum 4-2-3-1

Von der Personalie Meier hängt auch häufig die taktische Ausrichtung ab, mit der Veh seine Mannschaft aufs Feld schickt. Als der 32-Jährige zu Saisonbeginn ausfiel, versuchte es der Coach mit einem flachen 4-4-2 ohne Zehner und mit zwei klassischen Spitzen. Nach seiner Rückkehr stellte Veh sofort auf eine klassische Raute um. Viele Fans träumten bereits von einem "magischen Dreieck" aus Haris Seferovic, Luc Castaignos und Meier, der hinter den beiden Stürmern auf die 10 rückte.

Nach dem Traumstart gegen Köln (6:2) kehrte allerdings schnell Ernüchterung ein, in den folgenden fünf Partien holte die Eintracht ganze zwei Punkte. Mit dem 1:5 gegen Gladbach war das Experiment schließlich beendet. Es folgte die Rückkehr zum klassischen 4-2-3-1, das sich in der Rückrunde endgültig einpendeln soll. "Das steht uns besser zu Gesicht", sagte Veh darauf angesprochen und wies darauf hin, die Formation offensiv zu interpretieren.

Nackenschlag gegen Dortmund

Da Castaignos mit einem Syndesmosebandriss noch mindestens bis Ende Februar ausfällt, dürfte Seferovic den Platz im Sturmzentrum zunächst sicher haben. Sollte der Schweizer seine magere Ausbeute (3 Saisontreffer) aber nicht entscheidend verbessern und die Neuzugänge voll einschlagen, wäre auch ein anderes Modell möglich. Meier fühlt sich als einzige Spitze ebenfalls wohl, hinter ihm könnten Huszti auf der 10 und Fabian auf der Außenbahn (oder umgekehrt) gemeinsam auflaufen.

In jedem Fall kann sich Veh über deutlich mehr Variabilität freuen. Dass der Abstiegskampf aber bei weitem kein Selbstläufer wird, zeigte zuletzt der schon erwähnte Nackenschlag gegen den BVB. Die Eintracht hatte über 90 Minuten nicht den Hauch einer Chance, die erhoffte Wiederbelebung der Offensivpower blieb vorerst aus. Allein mit den Strapazen des Trainingslagers war der Auftritt nicht zu entschuldigen. "Es kann und wird wahrscheinlich bis zum Schluss eng werden. Darauf müssen wir uns einstellen", trat Meier bereits auf die Euphoriebremse.

Immerhin klappte es bei der Generalprobe für den schweren Rückrundenauftakt gegen den VfL Wolfsburg wieder mit dem Toreschießen. Im Test gegen Eintracht Braunschweig stand es am Ende 3:3, zweifacher Torschütze: Marco Fabian.

Eintracht Frankfurt: Kader, Spielplan, Statistiken