Besser geht's nicht?!

Ein Garant für Herthas Erfolg: Stürmer Salomon Kalou
© getty

Mitte November steht Hertha BSC auf Platz 4 in der Bundesliga-Tabelle. Das war vor der Saison so nicht zu erwarten. Der Aufschwung der Berliner ist dabei eng mit einem Namen verbunden: Pal Dardai. Doch was kann die Alte Dame am Ende der Spielzeit tatsächlich erreichen?

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Etwas überraschend kam die Entlassung von Jos Luhukay bei Hertha BSC im Februar schon, dennoch war es letztlich die richtige Entscheidung. Fast 1000 Tage hatte der Niederländer an der Spree mehr als ordentliche Arbeit geleistet, im Frühjahr diesen Jahres aber musste Manager Michael Preetz die Reißleine ziehen und installierte Pal Dardai, damals Jugendcoach bei der Hertha, als neuen Verantwortlichen.

Die Berliner lagen zu diesem Zeitpunkt am Boden und trudelten dem Abstieg entgegen. Dardai, der auch noch ungarischer Nationaltrainer war, sollte das Schlimmste verhindern. Das tat der ehemalige Hertha-Profi dann auch. Die Berliner hielten am Ende die Klasse - mehr schlecht als Recht, aber das interessiert knapp ein halbes Jahr später niemanden mehr.

Denn derzeit liegt die Alte Dame auf Platz 4 in der Bundesliga und lässt den einen oder anderen Fan in der Hauptstadt schon wieder von Europa träumen. In der Mannschaft selbst gibt man sich allerdings zurückhaltend. "Wir behalten alle einen kühlen Kopf. Wir wissen, was wir können - aber auch, was uns noch fehlt", sagte Salomon Kalou dem kicker.

Weg vom winning ugly

Waren die ersten Monate unter Dardai vom reinen Überlebenskampf geprägt, so hat der Ungar der Mannschaft in der Vorbereitung seinen Spielstil eingeimpft. Dieser sollte offensiver sein, mit mehr Ballbesitz und Flügelspiel. "Ich werde die Mannschaft etwas nach vorne schieben", sagte Dardai damals und schaffte dafür im Sommer die Vorkehrungen. "In der vierwöchigen Vorbereitung zählt nichts anderes außer Fußball. Die Jungs sollen trainieren, essen und schlafen. Das wird knüppelhart, aber das brauchst du, um für die Saison gewappnet zu sein", sagte Dardai.

Die Früchte ernten die Berliner nun. "Wir schießen keine Zufallstore mehr. In der Vergangenheit mussten wir beten, dass uns vorn der liebe Gott hilft. Da brauchen wir Glück - jetzt brauche ich Spieler, die nie zufrieden sind." Spieler wie Kalou oder Vedad Ibisevic. Der Ü30-Sturm der Hertha funktioniert. Kalou erzielte in elf Spielen sieben Treffer, Ibisevic in sechs Spielen derer vier. Zwar fehlt der Bosnier nun schon seit drei Spielen rotgesperrt, doch erst dadurch merkte man in Berlin wie wichtig Ibisevic für das Team bereits ist.

"Sein Fehlen bringt das Team in eine Instabilität. Wir sind in dieser Saison viel durchschlagkräftiger - auch dank Vedad", sagte Kalou. Dass die beiden sehr gut harmonieren, gefällt natürlich auch dem Trainer. "Salomon ist ein sehr intelligenter Fußballer. Er weiß genau, was er macht. Sie profitieren voneinander. Ohne Ibisevic hätte Kalou das 1:0 gegen den HSV nicht gemacht", so Dardai. Aber auch ohne Ibisevic bleibt Kalou treffsicher, wie er vor der Länderspielpause mit seinem Dreierpack gegen Hannover 96 (3:1) bewies.

Rotation? Stammelf!

Aber auch die anderen Neuzugänge brachten die Hertha ein gutes Stück nach vorne, das sieht auch der 30-Jährige so: "Wir haben durch sie mehr Konkurrenz. Vedad Ibisevic hat einen riesigen Erfahrungschatz. Vladimir Darida bringt sein Know-how aus dem tschechischen Nationalteam mit. Mitchell Weiser hat bei Bayern in einem Weltklasse-Kader gearbeitet. Niklas Stark ist ein Top-Talent."

Dardai hat sein Team nach seinen Vorstellungen zusammengestellt, er hat eine klare erste Elf im Kopf. Personelle Rotation ist ihm - auch aufgrund der Verletzungsprobleme - ein Fremdwort. Neben Marvin Plattenhardt, Per Skjelbred, Fabian Lustenberger und Darida, gehören auch Genki Haraguchi, Sebastian Langkamp, Valentin Stocker oder Tolga Cigerci zum festen Stamm. Der Trainer wechselt kaum, wenn dann stellt er mit gleichem Personal lediglich das System um. Mal ein 4-4-2 mit einer flachen Vier, mal ein 4-2-3-1 oder ein 4-1-4-1. Kalou beispielsweise kam in der Offensive schon fast überall zum Einsatz: Linksaußen, Rechtsaußen, Zehner, alleinige Spitze oder nach der Ibisevic-Verpflichtung, als zweite, bewegliche Spitze.

Variabilität im System

Auch Cigerci wurde bereits auf der Sechs, als Zehner oder Linksaußen eingesetzt. Haraguchi kam ebenfalls auf beiden Flügeln zum Zug, wurde aber auch schon als alleinige Spitze eingesetzt. Diese taktische Flexibilität bringt die Hertha dem von Dardai gewünschten Ballbesitzspiel näher. "Wir spielen Fußball, jeder hat seine Ballkontakte. Ich glaube, dass jede Mannschaft gern so spielen würde", sagte der Coach zuletzt.

Denn auch während des Spiels tauschen die Spieler die Positionen und sind so für die gegnerischen Verteidiger nicht auszurechnen. Meist agieren mit Darida und Skjelbred zwei Sechser im Zentrum, die keine Zerstörer sind, sondern ein feines Füßchen haben - das kommt dem kompletten Spielstil der Hertha zugute.

Noch fünf Spiele sind bis zur Winterpause zu absolvieren. Bis auf die Bayern und Leverkusen treffen die Berliner mit Mainz, Darmstadt und am Wochenende Hoffenheim (So., 15.30 Uhr im LIVETICKER) auf Teams, die durchaus schlagbar sind. Sollte man mit 29 Punkten in die Winterpause gehen, hätte die Hertha eine mehr als ordentliche Grundlage für die Rückrunde geschaffen. Doch auch unter Luhukay stürzte die Hertha nach einer starken Hinrunde in der Saison 2013/2014 ab, unter Dardai soll das nicht passieren.

"Haben einen anderen Spirit"

Vor allem, wenn der Coach verspricht: "Die Mannschaft ist noch lange nicht am Limit. Wir entwickeln uns immer weiter und können uns in allen Bereichen noch steigern." Es wäre natürlich völlig verfrüht, den Berlinern Europapokalambitionen zu unterstellen, dennoch befindet sich die Hertha im Herbst 2015 auf einem insgesamt sehr guten Weg.

Der Trainer ist dabei ein entscheidender Faktor, wie auch Kalou festhält: "Er findet für die jüngeren Spieler ebenso passende Worte wie für die älteren. Er sagt die Wahrheit, das kann hart sein. Trotzdem schafft er es, dass wir in der Kabine einen anderen Spirit haben als vor einem Jahr."

Hertha BSC im Überblick