Anti-Doping-Arbeit im Fußball

SID
Die Meinung von Robin Dutt, dass Doping ineffektiv sei, wird von Experten nicht geteilt
© getty

Mit Beginn der neuen Saison hat die NADA im deutschen Profifußball auch die Wettkampfkontrollen vom DFB übernommen. Die Tests sollen unberechenbarer werden, der Kampf gegen Doping effektiver. Doch seit Jahren gibt es auch Kritik.

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Thomas Müller könnte es treffen, vielleicht auch Mats Hummels, Christoph Kramer - oder jeden anderen Bundesligaprofi. Wenn die Schiedsrichter am Wochenende die ersten Spiele der Saison abpfeifen, wenn erste Helden und Verlierer geboren sind, dann beginnt die Arbeit der Doping-Jäger. Noch auf dem Rasen werden zufällig ausgewählte Spieler abgeholt und in einen kleinen Kontrollraum im Bauch des Stadions gebeten.

Erstmals werden seit dieser Saison auch diese Wettkampftests von der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) durchgeführt, die zuvor nur im Training zuständig war - der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gibt die Verantwortung ab und folgt damit einer internationalen Vorgabe der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).

"Ein einziger Dopingfall ist einer zu viel"

"Der Sinn ist, dass die Doping-Kontrollen mit maximaler Transparenz unabhängig vom DFB abgewickelt werden", sagt DFB-Vizepräsident Rainer Koch, Vorsitzender der Anti-Doping-Kommission, dem SID: "Die NADA kann jetzt auch ihre Kontrollen noch besser abstimmen und gezielter vorgehen, weil sie für alle Tests zuständig ist."

Die Anti-Doping-Arbeit im liebsten Sport der Deutschen, sie sei besonders wichtig, sagt Koch: "Sport kann nur dann integer, fair und gesellschaftlich anerkannt sein, wenn er sich ganz klar gegen Doping positioniert. Genau das leistet der Fußball." Auf die auch im Jahr 2015 noch von führenden Vertretern der Branche immer wieder vorgebrachte Meinung, Doping im Fußball bringe keine Vorteile und sei kein ernsthaftes Problem, will Koch indes gar nicht näher eingehen.

"Schon ein einziger Dopingfall im Fußball ist einer zu viel", sagt der 56-Jährige: "Die Zahlen, die auf dem Tisch liegen, sprechen nicht unbedingt dafür, dass viele Fälle vorliegen. Aber darauf kommt es überhaupt nicht an." Nachlässig dürfe man nie werden.

Dutt: "Doping völlig ineffektiv"

Robin Dutt, derzeit Sportvorstand beim VfB Stuttgart, hatte vor wenigen Monaten gesagt, Doping im Fußball sei "völlig ineffektiv". Es komme schließlich auch auf andere Dinge als Kraft und Ausdauer an. Ausgerechnet König Fußball als dopingfreie Zone? Auch vor dem Hintergrund von belegten Fällen und von Publikationen über weitreichende Vergehen in der Vergangenheit? Experten schütteln den Kopf. "Schön wär's", sagt Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie der DeutschenSporthochschule Köln, dem SID: "Kraft und Ausdauer sind auch im Fußball Grundlagen. Wenn ein Spieler verletzt ist, wenn er ein Formtief hat, dann würde es natürlich Sinn machen, sich mit Dopingsubstanzen wieder in Form zu bringen."

Schänzer gibt den deutschen Doping-Jägern aber gute Noten. "Die Arbeit hat sich sicherlich verbessert", die Abschreckung sei hoch, der deutsche Fußball auf dem Weg, "die internationalen Standards voll umzusetzen".

Andere Töne schlägt seit Jahren der Molekularbiologe Werner Franke an. "Das System ist darauf angelegt, die Kontrollen auszutanzen", sagte der 75-Jährige kürzlich der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf die positiven Proben im Promillebereich: "Im Fußball sind die Vereine reich genug, und sie können sich Ärzte leisten, die alles Mögliche vertuschen."

Zudem kritisiert Franke die deutlich höhere Zahl von Wettkampfkontrollen im Vergleich zu Trainingstests: "Bei den Wettkämpfen brauche ich eigentlich gar keine Kontrollen. Denn wer ist schon so doof! Im Fußball wird sicherlich weitgehend in Aufbauphasen gedopt."

"Keiner kann Aussagen über mögliche Dunkelziffern treffen"

"Keiner kann Aussagen über mögliche Dunkelziffern treffen, auch weil man nie genau weiß, was medizinisch theoretisch alles möglich ist", sagt derweil Rainer Koch: "Umgekehrt darf man den Fußball ohne Fakten aber auch nicht unter Generalverdacht stellen."

Fakt ist derweil: Quantitativ liegt Deutschland bei den Tests im Fußball an der Spitze, nur in Italien wird noch häufiger kontrolliert. "In Deutschland führen wir doppelt so viele Kontrollen wie in England, Spanien oder Frankreich durch", sagt Koch.

Zumindest der Anfang ist bei den Blutkontrollen gemacht, diese nehmen aber noch immer einen ganz geringen Teil ein. Nationalspieler müssen zudem ihre Aufenthaltsorte ein Vierteljahr im Voraus angeben, um stets Kontrollen zu ermöglichen. "Die Wahrscheinlichkeit ist nicht nur sehr hoch, vielmehr ist es Fakt, dass Nationalspieler mehrfach im Jahr kontrolliert werden", teilt die NADA mit. Für einige könnte es bereits am Wochenende losgehen.

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